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PROJEKT/167: Guatemala - arbeitende Kinder organisieren sich


die Zeitung - terre des hommes, 4. Quartal 2006

Schule auf dem Markt
Guatemala: Arbeitende Kinder organisieren sich

Athanasios Melissis


Maya-Ruinen und Urwälder - vielen wird, wenn sie an Guatemala denken, zunächst der Reichtum des Landes an Kultur und Natur in den Sinn kommen. Doch nur ein kleiner Teil der Bevölkerung profitiert von diesen Schätzen; die meisten Guatemalteken leiden unter einer drückenden Armut. Wie in vielen Ländern der Region ist der materielle Wohlstand äußerst ungleich verteilt. Insbesondere die Landbevölkerung lebt oft am Rande des Existenzminimums. Viele Familien verlassen deswegen ihre Heimatdörfer und versuchen, sich in der Hauptstadt Guatemala Stadt eine neue Existenz aufzubauen.


Arbeit und Ausbildung

Um über die Runden zu kommen, muss in den meisten Fällen die ganze Familie arbeiten. Viele Kinder können aus diesem Grund nicht die Schule besuchen. Auch die elfjährige Luci nicht; sie muss ihre Familie unterstützen. "Ich verkaufe mit meiner Mutter Tortillas auf dem Großmarkt", sagt Luci. "Ich kenne viele Kinder, die hier arbeiten und nicht zur Schule gehen. Sie helfen in den Küchen, verkaufen Kaugummis oder schleppen Gemüsekisten. Hier sind so viele Kinder, man sieht fast mehr Kinder arbeiten als Erwachsene." Luci ist eines von schätzungsweise 800.000 arbeitenden Kindern, die es in Guatemala gibt. Viele von ihnen arbeiten auf den Märkten der Hauptstadt; sie haben kaum eine Chance, jemals eine qualifizierte Tätigkeit auszuüben. Hier setzt die Arbeit der von terre des hommes unterstützen Organisation "PENNAT" an. Das "Programa Educativo del Niño, Niña y Adolescente Trabajador" (Bildungsprogramm für arbeitende Kinder und Jugendliche) führt auf den Märkten von Guatemala Stadt Schulunterricht für arbeitende Kinder durch und sorgt so dafür, dass diese eine Ausbildung bekommen. Dafür wurde ein spezieller Grundschullehrplan entwickelt, der die besondere Situation arbeitender Kinder berücksichtigt, und der vom Erziehungsministerium anerkannt wurde. Das Programm läuft bereits seit mehreren Jahren.

Inzwischen haben viele der arbeitenden Kinder die Grundschule abgeschlossen und möchten gerne ihre schulische Laufbahn weiterführen. Deswegen hat sich PENNAT entschlossen, nun auch Mittel- und Oberstufenunterricht anzubieten und damit den Jugendlichen eine Schulbildung von der Grundstufe bis zum Studium zu ermöglichen. Außerdem bietet PENNAT Computer-, Grafikdesign- und Elektrotechnik-Kurse an, um die Chancen der Jugendlichen zu erhöhen, eine qualifizierte Tätigkeit zu finden. Derzeit erhalten 120 arbeitende Kinder und Jugendliche eine Schulbildung. Besonders achtet PENNAT darauf, dass auch Mädchen am Programm teilnehmen.


Stipendien für Kinder

Die Arbeit von PENNAT genießt inzwischen auch offiziell hohe Anerkennung. Mit der Stadtverwaltung wurde ein Kooperationsvertrag über die Betreuung von Kindern abgeschlossen, die auf einer Müllhalde beschäftigt sind. Die Zusammenarbeit sieht Stipendien vor, die den Kindern ermöglichen sollen, diese gefährliche Arbeit aufzugeben und ihre Schulbildung fortzusetzen. PENNAT arbeitet daran, dass dieses Programm schrittweise vollständig von der Stadtverwaltung übernommen wird.

Die Jugendlichen von PENNAT haben sich mittlerweile organisiert. Einerseits, um sich in das Programm einzubringen: Es haben sich Gruppen gebildet, die die Ausbilder bei der Umsetzung des Unterrichts unterstützen. Aber sie wollen auch die Öffentlichkeit stärker auf sich aufmerksam machen. So führten die Kinder und Jugendlichen von PENNAT vor kurzem eine Arbeiter-Kundgebung an. Die neunjährige Claudia war bei der Kundgebung dabei. Sie geht in die Regelschule und besucht seit zwei Jahren die Stützkurse von PENNAT. "Es ist eben nicht nur die Nachhilfe, die arbeitende Kinder von PENNAT bekommen", sagt Claudia, "sondern auch Selbstbewusstsein. Wir können uns hier einbringen, und wir werden wie ganz normale arbeitende Menschen behandelt, die ihre Rechte haben."

terre des hommes fördert PENNAT mit 18.500 Euro.


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Quelle:
die zeitung, 4. Quartal 2006, Seite 7
Herausgeber: terre des hommes Deutschland e.V.
Hilfe für Kinder in Not
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veröffentlicht im Schattenblick am 16. Januar 2007