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PROJEKT/176: "Haus der Selbstheilung" - Methoden zur Traumabehandlung


die zeitung - terre des hommes, 4. Quartal 2007

"Haus der Selbstheilung"

Methoden zur Traumabehandlung


Gewalt provoziert Gewalt. Stella Duque von der kolumbianischen Organisation Taller de Vida und Ute Sodemann von Trauma AID/HAP in Südostasien arbeiten an der Entwicklung von Methoden zur Traumabehandlung. terre des hommes-Mitarbeiter Peter Strack fragte sie, wo der Schlüssel liege, damit Täter wie Opfer den Teufelskreis der Gewalt durchbrechen.


TERRE DES HOMMES: Welche therapeutischen Methoden haben sich als hilfreich erwiesen?

DUQUE: Wir benutzen dafür ein Bild: Das Haus der Selbstheilung. Das Fundament ist die Aufarbeitung der Geschichte und der aktuellen Situation, von der Familie bis zur Politik. Darauf wird der erste Stock aufgebaut: Was ist der Sinn meines Lebens? Welches sind meine Rechte? Im zweiten Stock wird das Selbstbewusstsein gestärkt. Die Jugendlichen haben im Projekt kontinuierlich positive Erlebnisse. Das Dach ist die Entwicklung einer neuen Lebensperspektive. Und die hat viel mit der Wiedergewinnung des Humors zu tun. Mit Humor lassen sich leidvolle Situationen überwinden, ohne selbst aggressiv zu werden. Die Körperarbeit durchzieht dabei alle Stufen.

SODEMANN: Das ähnelt der Arbeit der Psychologen, die terre des hommes in Aceh/Indonesien unterstützt, wo Hilfe für die Opfer des Tsunami geleistet wird. Die Methode basiert auf der Stimulierung der Teile des Gehirns, in denen die Emotionen zu Hause sind mit denen der Logik und der Vernunft und der Körperempfindungen. Wenn die Verbindung zwischen Emotionen, Körper und Verstand wieder funktioniert, kann das Trauma überwunden werden. Die Erinnerung bleibt, aber man lernt besser mit ihr umzugehen.

DUQUE: Ein Beispiel dafür ist Mario [ein Junge aus dem Projekt Taller de Vida, Anm. d. Red.]: Mit dem Jungen hatten wir eine Übung gemacht, bei dem zunächst der eine passiv ist, während der andere ihn führt, dann umgekehrt. Am Ende sollte er seine Gefühle bei der Übung malen. Mario brach zusammen und weinte. Er erinnerte sich an den Augenblick, als man ihn zwang, an einem Massaker teilzunehmen. Ich musste dann sein Gefühl absoluter Abhängigkeit und Schuld mit ihm aufarbeiten, damit er selbst die Situation besser verstehen lernt.

TERRE DES HOMMES: Sind psychosoziale Projekte die Klempner für Schäden, die gesellschaftliche Strukturen anrichten oder können sie auch Einfluss auf diese Strukturen nehmen?

DUQUE: Es gibt keine persönliche Veränderung ohne die Veränderung des Umfeldes. Und wenn es auch nur 15 oder 20 Jugendliche wären, mit denen du zeigst, dass es Alternativen gibt, die Bestand haben, dann wirkt das als Vorbild.

SODEMANN: Wichtig für den Selbstheilungsprozess ist auch, dass es Gerechtigkeit gibt. In Kambodscha ist der Krieg zwar vorbei. Aber die Menschen im ganzen Land leiden darunter, dass die Mörder ihrer Eltern noch frei herumlaufen. Sie brauchen eine Antwort auf die Frage, warum sie zum Opfer geworden sind.


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Quelle:
die zeitung, 4. Quartal 2007, S. 5
Herausgeber: terre des hommes Deutschland e.V.
Hilfe für Kinder in Not
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. November 2007