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PROJEKT/189: Kinder und Aids - "Ich bin immer noch bei dir, mein Kind"


die zeitung - terre des hommes, 4. Quartal 2008

"Ich bin immer noch bei dir, mein Kind"
Hilfe bei der Trauerbewältigung

Von Urte Tegtmeyer und Nadja Jacubowski


"Denk nicht, dass ich morgen sterben werde", schreibt Harriet aus Uganda in das Memory Book ihrer Tochter Winnie. Harriet ist HIV-positiv. Ihr verstorbener Mann hat sie angesteckt. Ein Kind hat sie schon verloren, wahrscheinlich durch Aids. Ihre älteste Tochter Angela ist ebenfalls mit dem gefährlichen Virus infiziert. Doch die beiden anderen Kinder lässt sie lieber nicht testen, aus Angst, sie könnten ebenfalls HIV-positiv sein. Für jedes Kind schreibt Harriet ein Memory Book. "Du warst ein besonders schönes Baby und jeder wollte dich sehen", schreibt sie ihrer Tochter Winnie.

Ob Kinder HIV-positiv sind, ob sie in von HIV/Aids betroffenen Familien oder in kindgeführten Haushalten leben; die Bewältigung ihrer schwierigen Lebenssituation ist eine große Herausforderung. Kinder sind oftmals mehrfach von HIV/Aids betroffen. Sie müssen häufig schon in jungen Jahren große Verantwortung übernehmen, sich beispielsweise um die Aids-kranken Eltern oder Geschwister kümmern, den Haushalt führen und zum Teil auch für das Einkommen der Familie sorgen. Kinder, die miterleben, wie ihre Eltern sterben, sind oftmals schwer traumatisiert. Sie sind mit ihrer Trauer alleine, viele der Kinder brechen die Schule ab, da sie das Schulgeld nicht mehr bezahlen können oder weil sie seelisch und körperlich überlastet sind. Gerade diese Kinder sind dann in Gefahr in kriminelle Netze zu geraten, Opfer sexueller Ausbeutung zu werden oder zu verwahrlosen.

Um Kindern bei der Bewältigung von Verlust, Angst und Schmerz zu helfen, gibt es verschiedene Ansätze der sogenannten psychosozialen Unterstützung. Einer von ihnen ist die Memory Work, die Erinnerungsarbeit. Mit Hilfe der Erinnerung wird ein Prozess in Gang gesetzt: Das Erzählen und Aufzeichnen der eigenen Biografie sowie das aktive Zuhören und das einfühlende Nachfragen. In den Memory Books notieren HIV-positive Eltern das, was sie bewegt. Vielleicht, wie die jüngste Tochter als Kleinkind war, vielleicht, wie der Sohn in der Schule mitarbeitet. Alles, was den Eltern wichtig erscheint, um die Erinnerung an sie wach zu halten.

Ein anderer Ansatz ist die kreative Arbeit. Mit Bildern, Steinmetzarbeiten und Theaterstücken, können hier Kinder ihren Gefühlen ein Ventil geben. Das ist der erste Schritt zur Verarbeitung der prägenden Erlebnisse ihrer Kindheit. terre des hommes legt bei der Projektarbeit mit HIV-positiven Menschen einen Schwerpunkt auf diese Form der Unterstützung. Mitarbeiter werden geschult, Gespräche mit traumatisierten Kindern zu führen. Künstler werden engagiert, um mit den Kindern kreativ zu arbeiten.

Denn oftmals ist das die einzige Chance für diejenigen, die Angehörige durch Aids verloren haben, trotz aller traumatischen Erlebnisse ihr Leben in die Hand zu nehmen.


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Quelle:
die zeitung, 4. Quartal 2008, S. 5
Herausgeber: terre des hommes Deutschland e.V.
Hilfe für Kinder in Not
Ruppenkampstraße 11a, 49084 Osnabrück,
Tel.: 0541/71 01-0, Fax: 05 41/70 72 33
E-Mail: info@tdh.de
Internet: www.tdh.de

die zeitung - terre des hommes erscheint
4 Mal jährlich. Der Verkaufspreis wird durch Spenden
abgegolten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Januar 2009