Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → TERRE DES HOMMES

PROJEKT/191: Mosambik - Ein Zentrum für Waisenkinder


die zeitung - terre des hommes, 4. Quartal 2008

Hilfe für Prudencia
Mosambik: Ein Zentrum für Waisenkinder

Von Hans-Martin Große-Oetringhaus


Prudencia ist etwas schüchtern und ängstlich. Kein Wunder: Als sie neun Jahre alt war, wurde sie vergewaltigt und dabei mit dem gefährlichen HI-Virus infiziert. Ihre Eltern starben an Aids. Heute lebt die 13-jährige Mosambikanerin bei ihrer Großmutter. Die ist taubstumm. Aber Prudencia versteht ihre Zeichen und Gebärden und ist damit ihr Sprachrohr zur Außenwelt. Früher konnte die Großmutter in einem anderen Haushalt helfen und so ihren bescheidenen Lebensunterhalt verdienen. Aber jetzt hat sie große Probleme mit den Beinen, und der Weg zur Arbeit wurde ihr zu weit. So verlor sie diese Verdienstmöglichkeit. Trotzdem lacht sie gerne, zum Beispiel, wenn sie und Prudencia Besuch von einem der Mitarbeiter von ANDA bekommen. Täglich kommt ein Helfer des Zentrums zu ihr nach Hause und überprüft, ob sie auch gewissenhaft ihre Medizin zur Aids-Therapie eingenommen hat.

ANDA, Projektpartner von terre des hommes, hat in Manica an der Grenze zu Simbabwe ein Zentrum für Kinder aufgebaut, die durch Aids zu Waisen wurden. Die wichtigste Straßenverbindung von Simbabwe zur mosambikanischen Hafenstadt Beira bringt viele Lastwagenfahrer in diese Gegend und mit ihnen das HI-Virus. Dadurch haben zahlreiche Kinder ihre Eltern verloren. Um sie kümmert sich das Waisen-Zentrum von ANDA in Manica.


Malen, basteln und schnitzen

Nach der Schule können die Kinder hierher kommen. Sie erhalten eine Mahlzeit, oft die einzige, die sie am Tag bekommen, und Hilfe bei den Schulaufgaben. In zusätzlichen Unterrichtseinheiten bekommen die Kinder Informationen über das HI-Virus und den Schutz vor einer Infektion. Denn Aids ist auch hier immer noch ein Tabuthema.

Die Gefühle, die sie oft nicht in Worte fassen können, bringen sie beim Malen, Basteln, kreativen Gestalten oder bei Steinmetz-Arbeiten zum Ausdruck. Dabei hilft ihnen George. Der junge Künstler aus dem Nachbarland Malawi gibt Kurse in künstlerischem Gestalten. Gemeinsam mit den Kindern sitzt er im Schatten eines Mangobaumes und hämmert und schleift mit ihnen an Steinskulpturen. Oder er formt mit ihnen kleine Grashüpfer aus dem bunten Blech alter Cola- und Bierdosen. Die Wände des Werkraumes hängen voller Bilder. Jedes Kind hat ein eigenes Heft, das es gestalten kann. Auf den ersten Blättern haben sie versucht, ihr soziales Umfeld oder das, was davon noch übrig geblieben ist, darzustellen. Zahlreiche Hefte beginnen mit einem Bild der Särge der Eltern. Die 4-jährige Locadia malt am liebsten Löwen. "Weil die so stark sind", erklärt sie.

Kunst sei wichtig, ist George überzeugt, damit Kinder ihre Kreativität und eigenen Fähigkeiten entdecken. Dadurch könnten sie ihre Persönlichkeit festigen und Halt finden.


Ausbildung für die Zukunft

Auch handwerkliche Fertigkeiten werden im Zentrum von Manica vermittelt: Die Kinder können in der Schreinerei den Umgang mit Hammer, Bohrer und Säge erlernen oder in der Bäckerei das Backen. In der Schneiderei können sie zum Beispiel Schuluniformen anfertigen. Oder sie kümmern sich im Stall um die Aufzucht der Hühner.

Alle Kinder, die ins Zentrum kommen, lernen diese praktischen Dinge, um ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen. Schon jetzt wenden einige der Kinder das Erlernte, zum Beispiel kleinere Möbel-Reparaturen, bei Nachbarn und Bekannten an. Die Mitarbeiter von ANDA überlegen zusammen mit den Kindern, die Produkte zu vermarkten, die in den Werkstätten hergestellt werden. Was die Kinder im Zentrum essen, stellen sie auch selbst her.

Zwei Gruppen backen zum Beispiel im Wechsel die Brötchen für den eigenen Bedarf. Im zentrumseigenen Garten werden Gemüse und Kräuter angepflanzt. Das Gemüse wird für den Eigenbedarf geerntet, aus den Kräutern soll Heilsalbe hergestellt werden.

Die Kinder, die ins Zentrum in Manica kommen, sollen vor allen Dingen Kraft schöpfen, physisch wie psychisch. Sie sollen stark gemacht werden für ein Leben inmitten von Todeserfahrung. Und auch Prudencia soll wieder hoffnungsvoll in die Zukunft blicken.


terre des hommes fördert den Projektpartner ANDA mit 61.700 Euro.


*


Quelle:
die zeitung, 4. Quartal 2008, S. 6
Herausgeber: terre des hommes Deutschland e.V.
Hilfe für Kinder in Not
Ruppenkampstraße 11a, 49084 Osnabrück,
Tel.: 0541/71 01-0, Fax: 05 41/70 72 33
E-Mail: info@tdh.de
Internet: www.tdh.de

die zeitung - terre des hommes erscheint
4 Mal jährlich. Der Verkaufspreis wird durch Spenden
abgegolten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Januar 2009