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BERICHT/030: Links, links, links - Getrennt publizieren, gemeinsam agieren ... (SB)


Streitkultur in Buchform

20. Linke Literaturmesse in Nürnberg

Banner Linke Literaturmesse - Foto: 2015 by Schattenblick

Foto: 2015 by Schattenblick

Zum 20. Mal hat die Linke Literaturmesse Nürnberg dieses Jahr dem interessierten Publikum ihre Pforten geöffnet. Linke Verlage und Initiativen aus dem deutschsprachigen Raum trafen sich vom 30. Oktober bis zum 1. November im traditionsreichen Komm, dem legendären selbstorganisierten Zentrum der radikalen Linken in Franken und Bayern, das als Künstlerhaus, nunmehr in städtischer Hand, den repräsentativen Durchschnitt urbaner Kulturproduktion pflegt. Zwei Säle und der dorthinführende Gang, ja selbst der Treppenabsatz wurden bis auf den letzten Quadratmeter von Ständen mit Büchern, Zeitungen, Flyern, Prospekten und Mobimaterial in Anspruch genommen. Wer sich an der regen Produktivität und schwarzroten Vielfalt linker Verlagsarbeit orientiert, könnte den Eindruck erhalten, es mit einer höchst vitalen, den Widersprüchen auf der Höhe gesellschaftlicher Entwicklung ohne weiteres gewachsenen linken Bewegung zu tun zu haben. Das gilt auch für das reichhaltige Programm an Debatten und Buchvorstellungen.

Im Anschluß an den Eröffnungsabend, der einer Podiumsdiskussion zur aktuellen Verbreitung rechter bis faschistischer Bewegungen und der dagegen gerichteten Aktivitäten antifaschistischer Gruppen vorbehalten war, fanden rund 60 Veranstaltungen zu verschiedensten Themen rund um linke und revolutionäre Theorie und Praxis statt. In einer zwar sehr übersichtlichen, zu jeder vollen Stunde wechselnden, damit aber auch recht gedrängten Abfolge wurde in fünf Räumen des am Rande der Nürnberger Altstadt gelegenen Künstlerhauses Geschichte, Gegenwart und Zukunft linker und sozialer Bewegungen beleuchtet.


Publikum und Referent durch Glaswand fotografiert - Foto: © 2015 by Schattenblick

Buchvorstellung im Glasbau
Foto: © 2015 by Schattenblick

Hier fiel die Wahl oft schwer, wenn sie etwa zwischen Detlef Hartmann, der über die informationstechnische Seite des jüngsten kapitalistischen Angriffs auf die Lebensverhältnisse der Menschen in aller Welt berichtet, Wolf Wetzel, der den NSU-Komplex im Kontext untergründiger Staatsaktivitäten zwecks innerer Aufrüstung bei andauerndem Ausnahmezustand und totaler Überwachung untersucht, Paul B. Kleiser, der zu den Krisenauswirkungen in Griechenland referiert, Walter Listl, der neue Kriege und den Aufstieg der Schwellenstaaten als Anlaß für Fluchtbewegungen analysiert, oder Gisela Notz, die die Familie als vermeintlich unabdingliche Lebensform der Menschen kritisiert, zu treffen war.

Da diese so lebhafte und gutbesuchte Messe durch eine in der politischen Wirklichkeit der Bundesrepublik auch und gerade angesichts des Vormarsches rechter Kräfte eher unscheinbar bleibende radikale Linke konterkariert wird, stellt sich die Frage nach ihrer Handlungsfähigkeit um so mehr. Nicht wenige Beiträge resümierten wichtige Epochen linker Geschichte und spiegelten den Klassenkampf in seiner historischen Dimension vom spanischen Bürgerkrieg über die kubanische Revolution oder der von bürgerkriegsartigen Auseinandersetzungen bestimmten Geschichte Italiens in der Nachkriegszeit. Roman Danyluk analysierte linke Kämpfe anhand prägnanter historischer Ereignisse, um Kriterien für die Praxis kollektiver Militanz zur Durchsetzung einer egalitären Gesellschaft zu entwickeln, und Horst Schöppner warf einen kritischen Blick auf das Verhältnis von Antifa und Autonomen in den 80er Jahren. An Gelegenheit, sich der eigenen Geschichte zu vergewissern und die Bedeutung revolutionären Aufbegehrens für die gesellschaftliche Entwicklung zu erkennen, mangelte es mithin nicht.


Fassade des Künstlerhauses - Foto: © 2015 by Schattenblick

Künstlerhaus im KunstKulturQuartier vor dem Frauentorturm
Foto: © 2015 by Schattenblick

So kamen auch die sozialen und ökologischen Kämpfe der Gegenwart nicht zu kurz, wie auch das Thema konkreter Utopien vor dem Hintergrund klassischer Zukunftsentwürfe und daraus abzuleitender Konsequenzen mehrfach erörtert wurde. Daß all dies jedoch häufig an sozialwissenschaftliche oder geistesgeschichtliche Seminare erinnerte, ist nicht nur dem publizistischen Ausgangspunkt der Debatten oder der Tatsache, daß Bücher und Zeitschriften eher von Autoren, Übersetzern oder Verlegern als durch Aktivistinnen und Aktivisten vorgestellt wurden, geschuldet. Es hat auch viel damit zu tun, daß die radikale Linke in der Bundesrepublik weit davon entfernt ist, massenwirksam zu sein, und der systematischen Diskreditierung sozialistischer Politik durch das Scheitern der realsozialistischen Staatenwelt bis heute ausgesetzt ist, völlig unabhängig davon, ob sie die DDR als sozialistischen Staat auf deutschem Boden im Prinzip gutheißt oder strikt als staatsautoritär verwirft.

Erschwerend hinzu kommen Differenzen, die ihre deutlichsten Antipoden im strikten Antikommunismus mancher anarchistischer und radikalökologischer Bewegungen oder der scharfen Kritik an der vermeintlichen Bürgerlichkeit libertärer Gruppen durch einige kommunistische Parteien finden. Der zwar manchem Formwandel unterworfene, im Kern der Kontroverse jedoch unveränderte Konflikt zwischen Antideutschen und Antiimps, das Reizthema Pro oder Contra Euromaidan, die jeweilige Haltung zu den DGB-Gewerkschaften, zur Organisationsfrage in Partei oder sozialer Bewegung, zu Staat und Nation, zu industrieller Produktivkraftentwicklung oder sozialökologischer Wachstumskritik - die Liste potentieller Zerwürfnisse scheint die gemeinsame Schnittmenge an emanzipatorischen und egalitären Zielsetzungen weit zu übertreffen.


Verlagsstände und Publikum - Foto: © 2015 by Schattenblick

Hauptsaal der Linken Literaturmesse
Foto: © 2015 by Schattenblick

All das war auch auf der Linken Literaturmesse präsent, und das nicht nur, weil Kontroversen das Geschäft beleben. Dies ist für die meisten Verlage, deren Programm den Lebenserwerb ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sichern soll, zweifellos schwer genug. Allein, daß es eine besondere Verkaufsmesse für linke Verlage gibt, die auf den großen Messen schlicht untergehen oder sich die immensen Standgebühren nicht leisten können, trägt dazu bei, daß die Aufhebung des Trennenden in den Bereich des Möglichen gerückt wird. Das Interesse, in Anbetracht des erreichten Ausmaßes an gesellschaftlicher Zerstörung und subjektiver Isolation nicht dem Impuls zur Selbstbehauptung zu folgen, sondern auf diese oder jene Weise neue Formen der Zusammenarbeit zu erschließen, war durchaus spürbar. Dies spiegelte sich auch in einer kleinen Befragung an den Ständen der Messe wider, die erfreulicherweise nicht, wie in Frankfurt oder Leipzig, in erster Linie von Geschäftsleuten dominiert wird, sondern wo viele Menschen zu treffen sind, die ihre politische und soziale Berufung auch auf berufliche Weise zu leben versuchen.


Antiquarische Werke linker Literatur - Foto: © 2015 by Schattenblick

Revolutionäre Geschichte aneignen ...
Foto: © 2015 by Schattenblick

Position beziehen in Zeiten der Beliebigkeit

Gefragt wurde nach der persönlichen Einschätzung, ob es in Anbetracht des heterogenen Charakters der radikalen Linken noch Aussicht darauf gibt, den Kampf um die klassenlose Gesellschaft gemeinsam zu führen, oder ob die inhaltlichen und ideologischen Gräben zu tief für eine Annäherung der Positionen sind. Die darin enthaltene Frage, was links in der heutigen Zeit überhaupt bedeutet, berührt auch die Praxis einer Linken, sich überall dort zur Partei Die Linke abzugrenzen, wo der Klassenstandpunkt im parlamentarischen Tauschhandel und den Fallstricken sozialdemokratischer Politik verloren geht.


Am Stand des Verlags Wiljo Heinen - Foto: © 2015 by Schattenblick

Wiljo Heinen (Verlag Wiljo Heinen) und Dr. Friedrun Hardt (Neues Deutschland)
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Der Verleger Wiljo Heinen bringt die Frage nach der Möglichkeit des gemeinsamen Kampfes kurz und knapp auf den Punkt: Wenn ich mir das nicht vorstellen könnte, würde ich meinen Beruf wechseln.

Für Esther, die der SB am Stand des Antiquariats Walter Markov antraf, ist entscheidend, ob man bereit ist, trotz etwaiger Gegensätze zumindest miteinander zu kommunizieren. Das wäre für sie innerhalb der Linken das gebotene Mindestmaß. Nichts läge ihr ferner, als die Zukunft eines gemeinsamen Kampfes pessimistisch auszudeuten, ansonsten könne man den Anspruch der eigenen Arbeit ohnehin zu den Akten legen.

Auch Simone Barrientos vom Kulturmaschinen Verlag wünscht sich, daß die linken Gruppierungen sich nicht immer nur auf das Trennende besinnen, sondern auf das, was sie eint und wo sie sich treffen können. Selbst der kleinste gemeinsame Nenner, sei es Friedens- oder Flüchtlingspolitik bzw. Aktivitäten gegen rechts, sei besser als die Fortdauer verhärteter Fronten. Sie glaube immer noch daran, daß dieser Schritt irgendwann geschafft werde. Möglicherweise sei der Druck noch nicht groß genug, so daß man sich immer noch zu viel Individualismus leiste, doch irgendwann komme die radikale Linke nicht dran vorbei, sich auf die handlungsfähigen Schnittmengen zu konzentrieren.

Hubs von der Kommunistischen Arbeiterzeitung (KAZ) hält die ideologischen Differenzen zwar für groß, sieht aber auch die Gemeinsamkeiten bei Antifaschismus und Antikapitalismus. Der Nürnberger ist sich sicher, daß ein Zusammengehen möglich ist. So sei man sich hier in der Stadt im Kampf gegen Nazis einig, ohne daß über die unterschiedlichen Standpunkte in Sozialismus, Kommunismus und Anarchismus diskutiert werden müßte.


Am Stand des Instituts für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung - Foto: © 2015 by Schattenblick

Walter Listl (isw)
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Walter Listl vom Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung (isw) in München erinnert daran, daß Unterschiede auch produktiven Nutzen haben können:

"Es gibt große Unterschiede in der politischen Linken, wie man hier sieht, und ich halte diese Unterschiede für einen Vorteil. Wenn sie nutzbar gemacht werden, daß man voneinander lernt, einander zuhört und sich gegenseitig befruchtet. Es ist durchaus so, daß diese politische Linke in bestimmten Projekten zusammenfindet, nicht in einem gemeinsamen für eine andere Gesellschaftsordnung, aber ein großer Teil der politischen Linken trifft sich zum Beispiel in der Gegnerschaft zu TTIP, trifft sich in bestimmten Positionen, was Asylpolitik angeht, da gibt es beachtliche Schnittmengen, die nutzbar gemacht werden müssen."


Am Stand des Mandelbaum Verlages - Foto: © 2015 by Schattenblick

Robert Foltin
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Den österreichischen Autor Robert Foltin traf der SB am Stand des Mandelbaum Verlages an, der sein Buch "Autonome Theorien - Theorien der Autonomen?" herausbringt. Er betont, daß ihm soziale Bewegungen immer wichtig sind. So arbeite er etwa im Care-Bereich mit trotzkistischen Gruppen zusammen, die sehr rührig seien. Zwar gebe es andere Gruppen, die schwieriger sind, aber er habe insgesamt keinerlei Abgrenzungsprobleme. Heute reichten soziale Bewegungen weit über die Linke hinaus, was gut sei, weil er als notorischer Optimist immer auf neue Bewegungen hoffe. In seinem Alter habe er schon das Verschwinden ganzer Bewegungen erlebt wie zum Beispiel die der Autonomen. Gleichzeitig dokumentiere die breite Solidarität mit Flüchtlingen, daß der Aktivismus von Linken und Linksradikalen in der Flüchtlingsbewegung durchaus Früchte tragen und sich auf weitere Kreise der Bevölkerung ausdehnen könne, wo die Linke ansonsten an Einfluß verloren habe.


Präsentiert das Buch 'Begegnungen feindlicher Brüder' - Foto: © 2015 by Schattenblick

Paul Sandner (Schmetterling Verlag)
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Paul Sandner vom Schmetterling Verlag hat das passende Buch zur Frage parat. "Begegnungen feindlicher Brüder" ist im Unrast-Verlag erschienen, der wie Schmetterling und einige andere linke Verlage der Assoziation Linker Verlage (aLiVe) angehört. Es gebe, wie am Beispiel dieses Werkes "Zum Verhältnis von Anarchismus und Marxismus in der Geschichte der sozialistischen Bewegung" zu sehen, schon Versuche, das Gemeinsame herauszufinden. Leider sei das Trennende in der Bewegung noch vorhanden, wenn auch nicht mehr so stark wie vielleicht vor zehn, fünfzehn Jahren. Früher wurde in den ideologischen Grabenkämpfen viel Pulverdampf erzeugt, das habe zum Glück nachgelassen, aber ein wirklich großer Gemeinsamkeitsfundus, in dem man theoretisch-ideologisch zusammenfinden könne, lasse auf sich warten. Immerhin gelinge es, von Punkt zu Punkt Aktionseinheiten herzustellen. Bei all den verschiedenen Richtungen sei es ein schwieriger Prozeß, um auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, da falle nichts vom Himmel herunter, so die nüchterne Einschätzung Paul Sandners, der den Schmetterling Verlag zusammen mit Jörg Hunger begründet hat und bis heute leitet.


Am Stand des Verlages Die Buchmacherei - Foto: © 2015 by Schattenblick

Rainer Knirsch (Die Buchmacherei)
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Rainer Knirsch vom Verlag Die Buchmacherei legt Wert auf die Feststellung, daß die Partei Die Linke zur gesamten Gemengelage der linken Bewegung dazugehöre. Der Diskurs sei offen, meint Rainer Knirsch unter Verweis auf ein Interview, daß die junge Welt mit Robert Kirsch vom Orga-Team der Messe geführt hat [1]. Das Trennende halte er nicht für das hauptsächliche Thema, auch wenn die Dispute um Fragen wie den Krieg in der Ukraine oder die Gentrifizierung in der Kommunalpolitik durchaus kompliziert seien.

Er trete, nicht zuletzt als Mitglied des Verlages, der mit "Eine Geschichte der Novemberrevolution" von Richard Müller, einst Vorsitzender des Vollzugsrates der Arbeiter- und Soldatenräte, den Bericht eines Zeitzeugen aus der Revolutionsregierung 1918 veröffentlicht hat, für die Etablierung von Rätestrukturen ein. Leider müsse man schon sehr suchen, um heute noch auf Ideen wie die des historischen Rätekommunismus zu treffen. Immerhin sei in Bolivien unter Evo Morales versucht worden, Räteideen in die Verfassung einzubauen. Auch in Bosnien-Herzegowina sei die Einführung von Räten diskutiert worden, es gab sie vorübergehend in der Ukraine und heute wieder in Rojava im Nordosten Syriens. Gedanken wie diese können auf der Linken Literaturmesse frei geäußert werden, sie spielten auch bei dieser oder jener Diskussion eine Rolle, dies jedoch in ganz geringem Umfang, wie insgesamt der Prozeß der Bewußtseinsbildung in der Linken relativ bescheiden sei, so sein kritisches Resümee.


Stand Trotz Alledem! - Foto: © 2015 by Schattenblick

Foto: © 2015 by Schattenblick

Mona von Trotz Alledem ist der klaren Ansicht, daß nicht alle Gruppen, die auf der Messe vertreten sind, für eine klassenlose Gesellschaft eintreten. Zwar könne man mit den Gruppen, die sich für eine klassenlose Gesellschaft einsetzen, bis zu dem Zeitpunkt kämpfen, an dem es einen revolutionären Umbruch gibt, aber den Weg zur Revolution und zum Aufbau des Sozialismus, den sie vertrete, könne man nicht gemeinsam mit allen Gruppen begehen.


Stand Das freie Buch - Foto: © 2015 by Schattenblick

Foto: © 2015 by Schattenblick

Karsten von Das freie Buch ist es wichtig zu betonen, daß die Einheit der Linken auf Grundlage des Kampfes gegen den deutschen Imperialismus erfolgt. Wie das Beispiel Griechenland zeige, sei dieser schon mit friedlichen Mitteln dazu in der Lage, praktisch ein ganzes Land seiner staatlichen Souveränität zu berauben. Um so unverzichtbarer sei es, gegen seine Kriegsvorbereitungen vorzugehen. Das werde in der Linken zur Zeit wenig diskutiert, denn für die Absicht, gegen die eigenen Herrn aufzustehen und zu kämpfen, gebe es heute kaum noch eine Grundlage in der Linken. Heute teilten nur sehr wenige die Stoßrichtung gegen den deutschen Imperialismus, so seine Einschätzung zum Stand linker Kampfkraft.


Vor Fenster und getäfelter Wand - Foto: © 2015 by Schattenblick

Martin Hardt am Stand des Neuen Deutschland
Foto: © 2015 by Schattenblick

Martin Hardt, den der SB am Stand des Neuen Deutschland antrifft, betont, daß es sich um seine persönliche Ansicht handelt, wenn er den Ansatz, einen großen Zusammenschluß überhaupt anzustreben, für falsch hält. Für ihn liegt die Chance in der Vielfalt. Dafür, diese Auseinandersetzungen unter ein Dach zu bekommen, hätte man schon in der Vergangenheit viel zu hohe Kosten produziert, so daß er die Wiederholung dieses Versuchs für keine gute Idee hält.


Hinter der Auslage aus Büchern und Zeitschriften - Foto: © 2015 by Schattenblick

Titus Schüller am Stand der Rosa-Luxemburg-Stiftung
Foto: © 2015 by Schattenblick

Auch für Titus Schüller, Nürnberger Stadtrat für die Linke Liste und Mitglied der Rosa-Luxemburg-Stiftung, gehört die Linkspartei zur linken Bewegung, wie sie sich auf der Messe präsentiert. Seiner Ansicht nach werden die gesellschaftlichen Verhältnisse eines Tages zu einem Zusammenschluß der Linken führen. Wie man konkret dorthin gelange, dafür gebe es im linken Spektrum der Bundesrepublik, aber auch weltweit sehr unterschiedliche Antworten. Er glaube, daß eine Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen linken Kräften hierzulande wie international dringend vonnöten ist, um die anstehenden sozialen und ökologischen Probleme auch lösen zu können.


Stand der jungen Welt mit Büchern und T-Shirts - Foto: © 2015 by Schattenblick

Die "Dialektik der Konterrevolution" (Werner Pirker) begreifen ...
Foto: © 2015 by Schattenblick

Peter Borak, Leiter des Verlages 8. Mai, in dem die junge Welt erscheint, gibt am Stand der linken Tageszeitung ausführlich Antwort auf diese Frage. Wenn es um das große Ziel der klassenlosen Gesellschaft geht, dann könne er sich durchaus vorstellen, daß zwar nicht alle, aber das Gros der hier vertretenen Menschen und Gruppen an einem Strang zöge. Das gelte auch dafür, daß die sozialen Verwerfungen so groß werden, daß eine breite Bewegung akut gegen offene rassistische, nazistische Umtriebe Front machen müsse:

"Zum andern muß nach unserer festen Überzeugung eine klare Analyse des bestehenden Kräfteverhältnisses, der Ursachen von Krieg, Ausbeutung und rassistischen, faschistischen Entwicklungen erfolgen. Wir sind der Meinung, daß das nur auf Grundlage einer marxistischen Analyse möglich ist, was natürlich wieder ein breites Feld eröffnet und durchaus eine notwendige Debatte über einzelne konkrete Punkte erforderlich macht. Und wir halten eine kreative Debatte, wie sie auch hier zum großen Teil stattfindet, für sehr sinnvoll und weiterführend.

Unabhängig davon wird immer wieder der Kernpunkt sein, wie man zur Eigentumsfrage in der konkreten Erscheinungsform des imperialistischen Monopols der Gegenwart und seiner modernen neoliberalen Ausprägung steht. Da scheiden sich dann die Geister. Das schließt eine klare Position zu den Umtrieben der NATO ein, sowohl vertreten durch die EU mit ihren besonderen Interessen als auch durch Nordamerika, insbesondere die USA, mit ihren besonderen Interessen. Das gilt auch für deren Kooperationspartner, die reaktionären feudalen Regimes im Nahen Osten, aber auch für Israel. Dabei ist einer Vertiefung der neuen Weltkriegsordnung, die nach 1990 zu errichten begonnen wurde, entschieden entgegenzutreten.

Dazu gibt es, wie man hier sieht, doch sehr unterschiedliche Einschätzungen und auch so tiefe Gräben, daß man aus unserer Sicht an diesen Punkten keine Zugeständnisse machen kann. Wenn bei denjenigen, die andere Einschätzungen bevorzugen, keine grundlegenden Umbrüche stattfinden, wird es wahrscheinlich auch keine Zusammenarbeit in der praktischen politischen Konsequenz geben. Was dann wiederum die Frage aufwirft, wo die politische Debatte hier in diesem Rahmen überhaupt Sinn macht? Aber bei der Mehrzahl der Veranstaltungen, die wir erlebt haben, wurde durchaus konstruktiv zusammengewirkt, wie es auch immer Leute gibt, die versuchen, den neoliberalen Mainstream hineinzutragen. Das muß man aushalten, da muß man mit umgehen.

Insbesondere die Chefredakteurin von Melodie und Rhythmus (M&R), die wie die junge Welt auch im Verlag 8. Mai erscheint, hat sich darum verdient gemacht, auf einige Entwicklungen rechtzeitig reagiert zu haben, nicht nur mit ihren eigenen kleinen Veranstaltungen, sondern auch mit Interventionen wie bei der gestrigen Podiumsdiskussion, wo die Fehlentwicklungen deutlich wurden, die wir sehen."


Am Stand der jungen Welt - Foto: © 2015 by Schattenblick

Beilagen für vertieften Lesegenuß
Foto: © 2015 by Schattenblick

Robert Erich vom Orga-Team der Linken Literaturmesse, die seit ihrem zwanzigjährigen Bestehen vom Literaturverein Libresso und dem Metroproletan Archiv und Bibliothek veranstaltet wird, meint im Rahmen einer abschließenden Bilanzierung des diesjährigen Messe:

"An eine Zusammenführung in dem Sinn, daß die ideologischen Tendenzen verschwinden, glaube ich nicht. Ich glaube auch nicht, daß das letztendlich überhaupt anzustreben ist. Meiner Ansicht nach gibt es gute Gründe für die unterschiedlichen Positionen bei den jeweiligen Gruppen, Flügeln und Organisationen. Sinnvoll ist auf jeden Fall eine punktuelle Zusammenarbeit, wo es Überschneidungen gibt, und die gibt es hier sowohl, was das letztliche Ziel betrifft, als auch in vielen Unter- und Einzelpunkten. Dort eine gemeinsame Praxis herzustellen halte ich für wichtig und unumgänglich, wenn man eine gesellschaftliche Kraft werden will, wenn man wirklich eingreifen will, anstatt sich mit der Rolle als eine Art Hofnarr am Rande der Gesellschaft zufriedenzugeben.

Da sind wir in Nürnberg ganz gut aufgestellt. Hier gibt es diese Zusammenarbeit immer wieder, ohne daß grundsätzliche Positionen aufgegeben werden. Man kann darüber streiten, und es gibt immer auch Punkte, wo man nicht zusammenkommt, das ist dann auch korrekt. Die Messe hat natürlich nicht die Aufgabe, das zu leisten. Die Messe hat die Aufgabe, daß Leute an die Positionen herankommen, daß man sich austauscht, daß man jenseits des Alltäglichen um die Wahrheit diskutieren kann."


Plakat zur Linken Literaturmesse - Foto: © 2015 by Schattenblick

Mit Herz und Verstand lesen ...
Foto: © 2015 by Schattenblick

Robert Erich zeigt sich unisono mit der Mehrheit der Stände zufrieden mit dem Zuspruch, den die Messe dieses Jahr beim Publikum fand. In früheren Zeiten habe es häufig Konjunkturen gesellschaftlicher Bewegungen gegeben, die etwa aus Schüler- und Studentenkreisen, aber auch aus Hausbesetzungen hervorgingen. Dies habe immer wieder in verstärktem Interesse für die Linke Literaturmesse resultiert. Das sei in den letzten Jahren eher nicht der Fall gewesen, daher sei die zunehmende Publikumsentwicklung dieses Jahr besonders erfreulich.

Dies hat auch das Team des Schattenblicks so erlebt, das bereits über die 19. Linke Literaturmesse berichtet hat [2]. An dieser Stelle werden in nächster Zeit einige Berichte und Interviews zu Veranstaltungen und Diskussionen erscheinen, die die SB-Redakteure auf der 20. Linken Literaturmesse besucht haben.


Herbststimmung hinter dem Künstlerquartier - Foto: © 2015 by Schattenblick

Hinterhofidylle am ehemaligen Komm
Foto: © 2015 by Schattenblick


Fußnoten:

[1] https://www.jungewelt.de/2015/10-29/031.php

[2] Linke Literaturmesse 2014 unter dem Sammeltitel "Linksliteraten" im Schattenblick
http://www.schattenblick.de/infopool/d-brille/ip_d-brille_report_bericht.shtml
http://www.schattenblick.de/infopool/d-brille/ip_d-brille_report_interview.shtml

9. November 2015


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