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FRAGEN/008: Ulrike Rodust, SPD - "Gute Voraussetzungen für eine zukunftsfähige Fischerei" (DNR EU)


Deutscher Naturschutzring (DNR)
Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände
EU-Koordination

EU-News - Donnerstag, 24. April 2014 / Politik & Recht

Ulrike Rodust (SPD): "Gute Voraussetzungen für eine zukunftsfähige Fischerei in Europa"



Ulrike Rodust sitzt für die Fraktion der europäischen Sozialdemokraten im Fischerei- und im Agarausschuss des EU-Parlaments. Als fischereipolitische Sprecherin ihrer Fraktion hat sie maßgeblich an der Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik der EU mtigewirtk.

Fünf Jahre Staatsschuldenkrise in Europa haben ihre Spuren hinterlassen. Die dramatisch hohe Jugendarbeitslosigkeit in zu vielen Mitgliedsstaaten ist ein Skandal, den wir nicht länger hinnehmen dürfen. Junge Menschen überall in Europa brauchen eine Perspektive - ob und wie die EU sich dieser Herausforderung stellt, hängt wesentlich davon ab, welche politischen Mehrheiten auf europäischer Ebene künftig entscheiden werden. Durch die Teilnahme an den Wahlen zum Europäischen Parlament am 25. Mai 2014 kann jede - kann jeder - Einzelne mit ihrer oder seiner Stimme an der Gestaltung Europas mitwirken.Umso mehr, weil die Wählerinnen und Wähler bei diesen Europawahlen erstmals auch darüber entscheiden, wer Präsident der Europäischen Kommission wird. Zudem hat das Europäische Parlament seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon in viel größerem Maße Einfluss sowohl darauf, wie unser Alltag als auch darauf, wie unsere Zukunft aussieht. Meine Arbeit im Landwirtschafts- und im Fischereiausschuss hat das in den vergangenen fünf Jahren umso spannender gemacht.

Die Tagesordnungen in beiden Ausschüssen waren in erheblichem Maße von den jeweils anstehenden Reformen geprägt. Bereits zu Beginn der Legislaturperiode legte die Kommission ihre durchaus ambitionierten Reformvorschläge vor, über die das Europäische Parlament - gestärkt durch den Vertrag von Lissabon - erstmals gleichberechtigt mit dem Rat zu entscheiden hatte. Die Diskussionen hierzu waren lang und spannend und das auf allen Ebenen: in den Ausschüssen, in den Fraktionen, im Plenum und hinterher bei den Verhandlungen mit Rat und Kommission. Im Ergebnis sind die Reformen allerdings höchst unterschiedlich zu bewerten.

Agrarpolitik: Reformziel verfehlt

So werden die neuen Regeln für die Landwirtschaft leider nicht den Anforderungen an eine nachhaltige und zukunftsfähige Agrarpolitik gerecht. Die ursprünglichen Absichten, die Agrarpolitik grundlegend umwelt- und klimafreundlicher auszurichten, wurden verwässert. Der fortschrittliche Vorschlag der EU-Kommission, Direktzahlungen künftig klar an ökologischen Kriterien auszurichten, wurde beispielsweise ausgehöhlt. Zu viele Ausnahmen erlauben es hier leider, ohne viel Phantasie und Geschick die Anforderungen auszuhebeln. Die Agrarreform sollte außerdem die Finanzmittel zwischen den Mitgliedstaaten, aber auch unter den Landwirten fairer verteilen. Um das zu erreichen, hätten die Direktzahlungen für Großbetriebe, wie vom EU-Parlament gefordert, gedeckelt werden müssen. Auch das ist nicht im nötigen Maße geschehen. Bei der Halbzeitbewertung der Gemeinsamen Agrarpolitik müssen diese Punkte alle wieder auf den Tisch kommen.

Und auch sonst zeichnen sich jetzt schon viele spannende Tagesordnungspunkte im Agrarausschuss des neu zu wählenden Europäischen Parlaments ab. Zu nennen sind beispielsweise die EU-Ökoverordnung sowie die Saatgutverordnung. Bei letzterer hat das Europäische Parlament den Kommissionsvorschlag in erster Lesung abgelehnt. Zu Recht, wie ich finde! Der Vorschlag ging eindeutig in die falsche Richtung, da er überwiegend die Interessen großer Agrarkonzerne berücksichtigt hat und die Artenvielfalt gefährdete. In der nächsten Legislaturperiode muss deshalb ein neuer Vorschlag eingebracht werden, von dem meine Fraktion beispielsweise bessere Regeln zum Handel mit Pflanzenvermehrungsmaterial erwartet, um die Qualität und die Gesundheit von Saatgut für Landwirte, Gärtner, Privatpersonen und andere Marktteilnehmer sicherzustellen. Nach der Ablehnung im Plenum sollte die EU-Kommission einen neuen Vorschlag vorlegen, der die Artenvielfalt stärker berücksichtigt und dafür Sorge trägt, dass altes Saatgut und traditionelle Kulturpflanzen nicht in Gefahr geraten.

Grundstein für nachhaltige Fischereipolitik

Viel spannende Arbeit wartet auch auf die Mitglieder des Fischereiausschusses. Allerdings mit deutlich mehr Rückenwind. Denn mein Urteil über das, was wir in den letzten fünf Jahren erreicht haben, fällt sehr positiv aus - das gilt besonders für die Reform der Fischereipolitik: Als Berichterstatterin zur Grundverordnung und Verhandlungsführerin seitens des Parlaments bei den Trilog-Verhandlungen, bin ich sehr stolz darauf, dass wir ParlamentarierInnen hier einen echten Politikwechsel durchsetzen konnten. Mit Inkrafttreten der reformierten Gemeinsamen Europäischen Fischereipolitik (GFP) wird der EU-Ministerrat beispielsweise verpflichtet, bei seinen jährlichen Entscheidungen über Fangmengen nachhaltig zu handeln. Die Überfischung der europäischen Meere muss bis 2015 gestoppt werden, so dass sich die Fischbestände erholen können. Alle Bestände müssen nach dem Prinzip des höchstmöglichen Dauerertrags bewirtschaftet werden. Dieses so genannte MSY-Prinzip, dessen verbindliche Anwendung das Europäische Parlament erwirkt hat, soll sicherstellen, dass dem Meer nicht mehr Fische entnommen werden als nachwachsen können. Ziel aller Maßnahmen ist nicht nur ein Stopp der Überfischung, sondern ein Anwachsen der Bestände über ein nachhaltiges Niveau hinaus.

Einen kompletten Politikwechsel stellt die Einführung eines Rückwurfverbots dar. Mit einem verbindlichen Zeitplan wird zwischen 2015 und 2019 dieses Prinzip in der ganzen EU eingeführt, um endlich die skandalöse Verschwendung zu beenden, die das Überbordwerfen von zumeist totem Beifang bedeutet hat.

Die Europäische Union wird entsprechend der neuen Rechtsgrundlage zukünftig auch in fremden Gewässern nicht mehr zur Überfischung beitragen. Nur von einem Drittland nicht nutzbare "Überschüsse" dürfen demnach gefangen werden. Fischereiabkommen mit Drittländern enthalten in Zukunft eine Menschenrechtsklausel, nach der sie ausgesetzt werden können, wenn Menschenrechte missachtet werden. Außerdem trifft die Europäische Union mit den neuen Regelungen Maßnahmen gegen das Umflaggen. Wer umflaggt, um sich unter Billigflagge an illegaler Fischerei zu beteiligen, bekommt unter EU-Flagge keine Fischereimöglichkeiten mehr. Auch werden künftig Subventionen nur gezahlt, wenn die Regeln der Gemeinsamen Fischereipolitik eingehalten werden. Dies gilt gleichermaßen für Staaten und für Fischereibetriebe.

GFP-Reform: Umsetzung muss gelingen

Der Fischereiausschuss hat in der abgelaufenen Legislaturperiode seinen Teil dazu beigetragen, dass es mit der reformierten GFP gute Voraussetzungen für eine zukunftsfähige Fischerei in Europa gibt. In den kommenden Jahren müssen wir ParlamentarierInnen die Fischer - besonders die lokalen Kleinfischer - bei der Umstellung begleiten. Es gilt, die EU-Regeln zu den Subventionen noch weiter zu verbessern und Maßnahmen zur Umstellung auf nachhaltige Fischerei gezielt zu unterstützen, statt blind Geld zu verteilen. Immer deutlicher wird zudem die Notwendigkeit, endlich eine geordnete Meeresraumplanung auf die Beine zu stellen, in der alle ihren Platz haben: Schutzgebiete für die Umwelt, Fischer und Offshore-Windkraft. Besonderes Augenmerk muss auf der Überarbeitung der Regeln zur Fischereikontrolle liegen: Nur wenn es gelingt sicherzustellen, dass das Rückwurfverbot wirklich von allen eingehalten wird, kann diese Reform gelingen - sowohl bezogen auf die gewünschte Erholung der Bestände, als auch auf die Akzeptanz beim einzelnen Fischer. Im Rahmen der Umsetzung der Fischereireform und darüber hinaus ist es notwendig, für alle wichtigen Fischbestände Managementpläne zu verabschieden, die dafür sorgen, dass Quoten nicht wieder zu hoch angesetzt werden können.

Außerdem muss Europa sich in der Pflicht sehen, weltweite Initiativen zur effektiven regionalen Zusammenarbeit für nachhaltige Fischerei anzustoßen. Schließlich fischen Schiffe unter EU-Flagge weltweit, entsprechend muss die Europäische Union auch global Verantwortung übernehmen. Einen zu lange vernachlässigten Bereich der Europäischen Fischereipolitik stellen in diesem Zusammenhang auch die Fischereiabkommen mit Drittländern dar. Darauf zu drängen, dass, wie in der Reform grundsätzlich festgeschrieben, jedes einzelne Abkommen entwicklungspolitisch sinnvoll gestaltet wird, sollte sich das Europäische Parlament zur Aufgabe für die im Sommer 2014 beginnende Legislaturperiode machen - sicherlich zu Recht begleitet von einer kritischen Öffentlichkeit. Die EU darf den Menschen nicht ihre wirtschaftliche Grundlage wegfischen, sondern muss helfen, eine nachhaltige Fischerei vor Ort aufzubauen.

www.ulrike-rodust.eu

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Quelle:
EU-News, 24.04.2014
Deutscher Naturschutzring e.V. (DNR)
EU-Koordination
Marienstraße 19-20, 10117 Berlin
E-Mail: eu-info@dnr.de
Internet: www.eu-koordination.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. April 2014