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FRAGEN/015: Finnland - Nicht der NATO unterordnen (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 15 vom 10. April 2015
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Nicht der NATO unterordnen
Vor den Wahlen in Finnland: Kommunisten verteidigen Sozialstaat und bekämpfen NATO-Beitritt

Interview mit Juha-Pekka Väisänen, Vorsitzender der Kommunistischen Partei Finnlands (Suomen Kommunistinen Puolue - SKP), von Manfred Idler


UZ: Seit sieben Jahren weist die finnische Wirtschaft kein Wachstum mehr auf. Die Regierung folgt denselben neoliberalen Rezepten wie die ganze EU. Welche Auswirkungen hat das auf die Bevölkerung?

Juha-Pekka Väisänen: Die bürgerliche Politik versucht das finnische Volk auf die Knie zu zwingen: Wir sollen mehr arbeiten für weniger Lohn, sie wollen die Privatisierung grundlegender Dienstleistungen, sie erlauben ausländischen multinationalen Bergbauunternehmen die Umwelt zu zerstören und natürliche Ressourcen zu ihrem eigenen Nutzen zu gewinnen.

Die neoliberale Politik, die Kürzungslisten und die von der Troika durchgeführte EU-Austerität treffen auch Finnland. Die letzten beiden Regierungen der konservativen Ministerpräsidenten Katainen und Stubb haben 100.000 neue Arbeitsplätze versprochen. Sie haben den Leuten vorgemacht, dass Kürzungen, Sparmaßnahmen und bürgerliche Politik Wachstum und Arbeitsplätze schaffen würden. Was ist passiert? Das Gegenteil. Der Erfolg der Regierung besteht darin, dass es jetzt 100.000 mehr Arbeitslose gibt.

Der Ministerpräsident Stubb will - mit der Unterstützung der Sozialdemokraten - mit dem skandinavischen Modell des Wohlfahrtsstaates Schluss machen.

UZ: Am 19. April finden in Finnland Parlamentswahlen statt. Mit welchen Forderungen geht die Kommunistische Partei Finnlands (SKP) in den Wahlkampf?

Juha-Pekka Väisänen: In allen Wahlkreisen außer auf der Inselgruppe Åland haben wir Kandidaten aufgestellt. In der vergangenen Legislaturperiode ist die Arbeitslosigkeit gestiegen, die Schlangen vor den Suppenküchen werden länger. Die Regierung und die im Parlament vertretenen Parteien haben Entscheidungen getroffen, die die Zerschlagung der öffentlichen Dienstleistungen und die Umverteilung von unten nach oben beschleunigt haben. Finnland steht unter der Vorherrschaft der EU, unser Land wird in eine NATO-Mitgliedschaft hineingezogen. So eine Entwicklung ist eine Folge politischer Entscheidungen - andere Entscheidungen sind ebenfalls möglich. Die SKP ist der Meinung, dass wir eine radikale Wende vollziehen sollten: Der Mensch muss im Mittelpunkt der Politik stehen, nicht der Glaube in den Markt, in die großen Unternehmen und in die Macht der Beamten.

Wir brauchen den Sechsstundentag - bei vollem Lohnausgleich. Die heutige Arbeitsproduktivität macht das möglich. Damit würde die Arbeitslosigkeit gesenkt werden, und die Menschen hätten mehr Zeit, um sich zu entwickeln, für ihre Familie und für soziale Aktivitäten.

Und wir brauchen grundlegende soziale Sicherheit. 1 200 Euro Unterstützung für alle finnischen Bürger oder dauerhaften Einwohner, die ihren Lebensunterhalt nicht anders bestreiten können - damit könnte der Dschungel unterschiedlicher Unterstützungsmechanismen überwunden werden und eine gewisse Sicherheit auch für Studenten, Rentner und Erwerbslose hergestellt werden.

UZ: Können rechte und faschistische Kräfte von den Folgen der Kürzungspolitik profitieren?

Juha-Pekka Väisänen: Parteien wie die "Wahren Finnen", "Veränderung 2011" oder die "Unabhängigkeitspartei" bieten nationalistische Antworten auf die Krise an. Die SKP ist die einzige Partei in der gesamten politischen Landschaft, die eine nicht nationalistische und wirklich internationale Alternative darstellt. Die SKP steht der EU nicht einfach nur kritisch gegenüber. Unsere Partei sagt, dass wir die antidemokratischen EU-Verträge und ihre inhumanen Strukturen loswerden müssen. Wir Kommunisten bieten eine internationale Lösung für die Systemkrise an: Gemeinsam mit anderen kommunistischen und linken Initiativen ein völlig anders strukturiertes Europa aufzubauen, dass sich auf Demokratie gründet, auf der Partizipation des Volkes und den ersten Schritten zu einem Sozialismus des 21. Jahrhunderts.

UZ: Im Gefolge der Ukrainekrise verstärken bürgerliche Politiker wie Ministerpräsident Stubb jetzt im Wahlkampf die Propaganda für den Beitritt Finnlands zur NATO. Kann das noch verhindert werden?

Juha-Pekka Väisänen: Mehr als 60 Prozent der Finnen sind gegen die NATO. Die bürgerlichen Kräfte werben für die NATO - aber wir brauchen eine unabhängige Außen- und Verteidigungspolitik, wir brauchen Frieden. Finnland sollte weder der NATO noch irgendeinem anderen Militärbündnis beitreten. Aber die militärische Zusammenarbeit mit der EU und die Festigung der militärischen Beziehungen mit Schweden sind Schritte auf die NATO zu. Im vergangenen Jahr wurde die "Host Nation Support"-Vereinbarung mit der NATO unterzeichnet - das ist ein großer Schritt zur Aufgabe der unabhängigen Sicherheitspolitik Finnlands. Finnland muss die Kooperation mit der NATO beenden.

Wir müssen unsere Entscheidungen unabhängig treffen - Kommandos der EU oder die Entwicklung der EU hin zu einem Bundesstaat dürfen wir nicht akzeptieren. Finnland braucht unabhängige Beziehungen zu seinen Nachbarn und anderen Ländern. Gerade die Ukrainekrise zeigt, dass Finnland eine unabhängige Politik gegenüber Russland braucht. Dazu gehört auch, die Sanktionen gegen Russland nicht mitzutragen.

UZ: Die SKP ist Mitglied der Europäischen Linkspartei. Was ist dafür der Grund? Gibt es nicht auch Kritik an dieser Konstruktion?

Juha-Pekka Väisänen: Die SKP ist eine marxistisch-leninistische Partei - mit der natürlichen, selbstkritischen Herangehensweise -, und das gilt auch für die internationale Arbeit. Die SKP kämpft gegen die Macht des Geldes und für die Ermächtigung des Volkes. Wir betrachten uns als Teil der internationalen kommunistischen Bewegung und des internationalen Klassenkampfes.

Konkret bedeutet internationaler Klassenkampf, gute Beziehungen zu kommunistischen und linken Parteien in Nachbarländern zu haben. Die SKP führt ein jährliches Treffen mit den kommunistischen Parteien der Nordpolregion - aus Norwegen, Schweden und Russland - durch.

Die SKP versucht, die alltägliche Zusammenarbeit mit den skandinavischen kommunistischen Parteien weiterzuentwickeln. Fragen des Friedens und Umweltfragen - wie Probleme des Bergbaus und die Öffnung der nördlichen Seewege - führen uns ganz konkret zusammen.

Auf europäischer Ebene haben wir fast von Beginn an mit der ELP zusammengearbeitet. Sie ist ein natürliches Werkzeug für die alltägliche politische Arbeit. Wir haben Genossen in unterschiedlichen Arbeitsgruppen der ELP, um die politische Arbeit zu konkretisieren.

Die SKP stimmt ganz sicher nicht mit allem überein, was Parteien aus der ELP für richtig halten, zum Beispiel sind wir mit den Vorschlägen der finnischen Linksallianz für die Lösung der Krise nicht einverstanden. Die Linksallianz war von 2011 bis 2014 an der Regierung Katainen beteiligt, und sie haben in dieser Zeit allen EU-Austeritätsmaßnahmen und allen Kürzungslisten zugestimmt, sie haben auch die unmenschlichen Bedingungen für die griechischen Kredite akzeptiert. Die Linksallianz ist ebenfalls Mitglied der ELP - aber trotzdem halten wir es für sehr wichtig, dass die SKP an den Debatten der europäischen Linken über aktuelle politische Fragen teilnimmt.

Gleichzeitig beteiligt sich die SKP an den Internationalen Treffen der Kommunistischen und Arbeiterparteien, und sie beteiligt sich an SolidNet.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 47. Jahrgang, Nr. 15 vom 10. April 2015, Seite 7
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. April 2015

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