Schattenblick →INFOPOOL →EUROPOOL → POLITIK

ITALIEN/016: Hetzkampagne der Lega Nord gegen schwarze Ministerin der Sozialdemokraten (Gerhard Feldbauer)


Rassistisch-faschistische Hetzkampagne der Lega Nord gegen schwarze Ministerin der Sozialdemokraten in Rom

Öffentliche Aufrufe zu Mord und Vergewaltigung

von Gerhard Feldbauer, 30. Juli 2013



In Italien ist die in der Volksrepublik Kongo geborene Ministerin Cécile Kyenge von der Demokratischen Partei (PD) am vergangenen Wochenende von Mitgliedern der faschistischen Forza Nuova während sie in Cervia, Provinz Ravenna, auf einem Fest ihrer Partei sprach mit Bananen beworfen worden. Drahtzieher dieser üblen faschistisch-rassistischen Hetzkampagne, die in öffentlichen Aufrufen, u. a. in Facebook mit "tötet sie" und "vergewaltigt sie" gipfelt, ist der führende Lega-Politiker und Vizepräsident des Senats Roberto Calderoni, der die Ministerin vorher bereits vor 1.500 Teilnehmern einer Veranstaltung unter frenetischem Beifall seiner Gefolgschaft mit einem Orang Utan verglich. Calderoni ist als ein notorischer Fremdenhasser der Lega bekannt. Als zweimaliger Minister in der faschistoiden Regierung Silvio Berlusconis forderte er, Flüchtlingsboote zu beschießen, diffamierte Einwanderer und Homosexuelle, sich "zu den Kamelen in der Wüste" zu scheren und "mit den Affen zu tanzen". Zur noch schärferen Abschottung gegen Roma und andere Migranten gehörten eine islamfeindliche Hetze und rassistische Ausfälle gegen farbige Fußballstars. Als Italien 2006 im WM-Finale gegen Frankreich gewann, hetzte Calderoli, die Franzosen hätten verloren, weil sie mit "Niggern, Moslems und Kommunisten" spielten.

Nach einem von Calderoni in der Berlusconi-Regierung eingebrachten und verabschiedeten "Sicherheitspakt" erhalten Migranten bis heute Aufenthaltsgenehmigungen nur für ein Jahr und an einen Arbeitsplatz gebunden. Wer die Arbeit verliert, ganz gleich aus welchen Gründen, gilt als illegal eingereist, was eine Straftat darstellt und mit 5.000 bis 10.000 Euro bestraft werden kann. Wer "illegal eingewanderten Personen" Unterkunft gewährt oder eine Wohnung vermietet, muss mit bis zu drei Jahren Haft rechnen. Ärzte sind verpflichtet, Patienten ohne Papiere bei den Behörden zu denunzieren. Zur schärferen Überwachung von Einwanderern haben die Lega und faschistische Organisationen wie die Forza Nuova vielerorts Bürgerwehren organisiert, die Migranten terrorisieren.

Vor 30 Jahren verließ Cécile Kyenge, das von Präsident Mobuto, dem Komplizen der Mörder Patrice Lumumbas beherrschte Zaire, das heute wieder Volksrepublik Kongo heißt, und kam nach Italien, wo sie Medizin studierte. Seitdem lebte die Augenärztin in dem Mittelmeerland. Als Migrationsministerin geht die Sozialdemokratin mutig gegen diese Zustände vor. Sie tritt für eine Verbesserung der Integration der zu 7,5 Prozent aus Ausländern bestehenden Bevölkerung Italiens ein und fordert dazu u. a. eine Reform des Gesetzes über die Staatsbürgerschaft.

Die faschistisch-rassistische Hetzkampagne ist ein typisches Produkt der von Berlusconi seit 1994 in drei Regierungen im Bündnis mit der Lega Nord und den AN-Faschisten geführten Politik, zu deren Komponenten die jetzigen Ausbrüche von Hass, Gewalt und Ausländerfeindlichkeit gehörten. Die jetzige Kampagne erfolgt vor dem Hintergrund der schwelenden Regierungskrise, in der täglich mit dem Sturz der von Staatspräsident Giorgio Napolitano mit der faschistoiden Partei Volk der Freiheit (PdL) Berlusconis, PD-Politikern und der Bürgerliste des Übergangspremiers Mario Monti zusammengezimmerten extrem rechtslastigen Regierungskoalition gerechnet wird. Dementsprechend sind die offiziellen Reaktionen der "Zimmerleute". Während die Hetztiraden in der Öffentlichkeit auf scharfe Proteste stoßen, beschränkte Premier Enrico Letta von der PD sich darauf, Calderonis Ausfälle als "unentschuldbar" zu bezeichnen, bekundete gleichzeitig, die Koalition mit der Pdl fortzusetzen. Der Forderung, auch der Basis seiner Partei, der Vizepräsident des Senats müsse von seinem Amt zurücktreten und zur Verantwortung gezogen werden, hat er sich nicht angeschlossen. Napolitano spricht von einem "barbarischen Verhalten" des Lega-Politikers, warnt gleichzeitig die Juristen, die noch in dieser Woche das Urteil gegen den Erzeuger dieser Gewalt, Ex-Premier Berlusconi, in dritter und letzter Instanz wegen seiner kriminellen Machenschaften, u. a. des Steuerbetrugs in Millionenhöhe, fällen wollen, davor, "die Stabilität des Landes nicht zu gefährden". Es ist ein offener Angriff des höchsten Staatsmannes auf die Unabhängigkeit der Justiz, der auf nichts anderes als auf einen Freispruch für den faschistoiden Ex-Premier und Mediendiktator hinausläuft.

Der umstrittene Oppositionsführer Beppe Grillo von der 5 Sterne-Protestbewegung, der das Vorgehen Präsident Napolitanos einen "kalten Staatsstreich" nannte, erklärte jetzt, die Haltung der PD-Führung und des von ihr dominierten Parlaments führe zum "Tod der parlamentarischen Demokratie".

*

Quelle:
© 2013 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Juli 2013