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ITALIEN/083: Der Korruption verdächtigter Minister zurückgetreten (Gerhard Feldbauer)


Der Korruption verdächtigter Minister zurückgetreten

Renzi behält das Heft in der Hand

Von Gerhard Feldbauer, 23. März 2015


In Rom ist der der Korruption verdächtigte Infrastrukturminister Mario Lupi am Sonnabend zurückgetreten. Nach Misstrauensanträgen der rechtsextremen Opposition im Parlament, der Linkspartei SEL und der Protestbewegung M5S hatte Premier Renzi ihm das nahegelegt. Damit scheiterte ein Manöver der extremen Rechten, eine Regierungskrise auszulösen, um den Regierungschef der sozialdemokratischen Demokratischen Partei (PD) zu stürzen.

Wie La Repubblica berichtete, waren aus Lupis Ministerium Aufträge für Verkehrsprojekte wie Eisenbahn und Autostrassen in Höhe von 25 Milliarden Euro vergeben worden. Dafür sollen Millionen Bestechungsgelder gezahlt worden sein. Der Sohn des Ministers, Luca Lupi, habe von den begünstigten Bauunternehmern Geschenke erhalten. Vier Personen wurden verhaftet, gegen 51 ermittelt die Staatsanwaltschaft. Chef dieses mafiosen Clans war der hochrangige Beamte aus Lupis Ministerium, Ercole Incalza. Dieser "ekelhafte Kerl", wie ihn La Repubblica nennt, stand bereits 14mal wegen derartiger Delikte vor Gericht. Trotzdem habe der Minister ihn auf seinem Posten belassen. Nachdem Mitte vergangener Woche ein weiterer Korruptionsskandal aufgedeckt und dabei der Präsident des Fußballklubs Parma und weitere 21 Verdächtige u. a. wegen illegaler Kapitaleinfuhr verhaftet worden waren, wurden die Forderungen nach dem Rücktritt des Ministers auch in der PD lauter. Nachdem Lupi, gegen den die Staatsanwaltschaft selbst nicht ermittelt, sich tagelang weigerte, sein Amt niederzulegen, trat er schließlich mit der Erklärung zurück, er sei völlig unschuldig, wolle aber "Schaden von der Regierung" abwenden. Ihm ist bereits ein neuer lukrativer Posten in Aussicht gestellt worden. Er soll, wie La Repubblica schreibt, den Vorsitz der neuen Partei Area Popolare übernehmen. Nach dem Motto "aus Alt mach Neu" wollen sich dazu das aus der Forza Italia (FI) Berlusconis hervorgegangene Neue Rechte Zentrum (NCD) und die Union Demokratischer Christen (UDC), ein Nachfolger der in den 1990er Jahren im Korruptionssumpf untergegangenen Democrazia Cristiana (DC) und später ebenfalls Regierungspartner Berlusconis, zusammenschließen. Beide Parteien sind derzeit Regierungspartner Renzis.

Der Hintergrund der Affäre ist recht komplex: Lupi gehört dem NCD an, dessen Chef der frühere Stellvertreter Berlusconis und jetzige Innenminister Renzis, Angelino Alfano, ist. In der FI hoffte man, Alfano würde sich, was zunächst auch geschah, hinter seinen Minister stellen und damit würde das Regierungsbündnis auffliegen. Alfano und seine Gefolgschaft wurden eingeladen, in die FI zurückzukehren und mit ihr und der Lega Nord Renzi zu stürzen und eine eigene Regierung zu bilden.

Alfano ließ sich jedoch auf das riskante Spiel nicht ein, das auf Grund der gespalteten extremen Rechten kaum Erfolgschancen hätte. Die FI ist heillos zerstritten, in der Lega will Chef Matteo Salvini den Kurs der Abspaltung des reichen Nordens vom Zentralstaat aufgeben und eine gesamtnationale Partei bilden, an deren Spitze er die Nachfolge Berlusconis als Führer eines neuen rechtsextremen Blocks antreten will.

Die Probe aufs Exempel sollen die im Mai in sieben von 20 Regionen (Ländern) anstehenden Wahlen zu den Parlamenten und Regierungschefs sowie den Bürgermeistern werden. Eine sich möglichst lang hinziehende Regierungskrise sollte für die extreme Rechte dafür ein günstiges Klima schaffen. Das ist vorerst gescheitert. Renzi behält das Heft in der Hand und geht, wie ihm La Repubblica bestätigt, gestärkt aus der Affäre hervor. Dann haben die Terroranschläge in Tunis, bei denen vier Italiener getötet wurden, die Affäre Lupi aus den Schlagzeilen verdrängt. Im Mai findet in Mailand die Welt-Expo statt, "Anschläge wie in Tunis sind auch in Italien nicht auszuschließen", heißt es in der Erklärung von Innenminister Alfano, die La Repubblica am Sonntag wiedergab. Alle öffentlichen Einrichtungen werden verstärkt überwacht. Dann hat auch noch Papst Franziskus in Neapel, einer Hochburg der Mafia, zum Kampf gegen die Verbrecherorganisation aufgerufen und dabei als eine der Wurzeln dieses Übels das soziale Elend genannt, das beseitigt werden müsse.

Da in das aufgedeckte Korruptionsnetz zahlreiche Staatsbetriebe verwickelt sind, hat Finanzminister Carlo Padoan am Montag einen Antikorruptionsplan vorgestellt, der vorsieht, in diesen ein strenges Kontrollsystem einzurichten.

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Quelle:
© 2015 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. März 2015

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