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ITALIEN/145: Referendum über Abschaffung des Senats als zweiter Kammer am 4. Dezember (Gerhard Feldbauer)


Referendum über Abschaffung des Senats als zweiter Kammer am 4. Dezember

Renzis Chancen scheinen nicht schlecht zu stehen

von Gerhard Feldbauer, 27. September 2016


Das italienische Kabinett hat das Referendum über die Verfassungsreform für den 4. Dezember anberaumt. Da bei der Abstimmung über die Reform des Senats keine Zweidrittel-Mehrheit erreicht wurde, muss über die erforderlich Änderung der Verfassung in dem Referendum entschieden werden. Es geht darum, den Senat als zweite Parlamentskammer, ein Relikt aus der Zeit der 1946 beseitigten Monarchie, abzuschaffen. Er wird von bisher 315 Mitgliedern auf 100 reduziert und hat nicht mehr das Recht, über die Regierung durch Vertrauens- oder Mißtrauensvotum zu entscheiden oder Gesetzen zuzustimmen bzw. sie abzulehnen. Es bleibt ihm, sich zu bestimmten Gesetzesfragen zu äußern. Über die Regierung entscheidet dann nur noch das Parlament, womit die Position des Ministerpräsidenten und seiner Partei, derzeit die sozialdemokratische Partito Democratico (PD) und Renzi, gestärkt werden. Das wiederum ergibt sich daraus, dass das Italicum genannte und umstrittene Wahlgesetz der Siegerpartei, wenn sie wenigstens 40 Prozent der Wählerstimmen erreicht, einen Bonus von 340 der insgesamt etwas über 630 Sitze zuspricht. Renzi macht geltend, dass mit dieser Reform die Effektivität der Exekutive gestärkt wird und obendrein, wie schon bei der Abschaffung der Provinzen 2015, auch mit der Reform des Senats im Haushalt Milliarden Euro eingespart werden, da die Senatoren künftig keine Diäten mehr beziehen. Während die rechtsextreme Opposition gegen das Italicum, das in seiner ursprünglichen Form aus der Regierungszeit Berlusconis stammt, keine Einwände hat, fordern die Linkspartei Umwelt und Freiheit SEL und die PD-Minderheit Korrekturen. Das Parlament hat in der vergangenen Woche Abänderungsvorschläge behandelt, aber diese zurückgewiesen. Korrekturen bzw. seine Ablehnung durch ein Referendum sind jetzt vor dem Verfassungsreferendum kaum mehr möglich und die Kritiker scheinen sich auf die Zeit danach einzurichten.

Die Senatsreform wird sowohl von der extremen Rechten - Forza Italia (FI) von Ex-Premier Berlusconi, der rassistischen Lega Nord und den faschistischen Fratelli Italiens (FdI) - als auch der Oppositionsbewegung M5S (Fünf Sterne) entschieden abgelehnt. Lega-Chef Matteo Salvini, der die Führung des rechtsextremen Lagers beansprucht, hat am Wochenende erneut gefordert, bei einem "No" müsse Renzi zurücktreten und dann müssten Neuwahlen stattfinden. M5S hat diese Forderung angesichts des Rückschlags mit ihrer Bürgermeisterin in Rom, Virginia Raggi, die "ein kümmerliches Bild" bietet, wie La Repubblica am Montag schreibt, erstmal fallen gelassen. Renzis Bürgermeister in Mailand, Giuseppe Sala, wie Raggi seit Juni im Amt, halte dagegen, so das regierungsnahe Blatt, "das Banner der PD hoch". Die linke Unita sekundiert, Rom und Mailand, das sei "wie zwei unterschiedliche Planeten". Deshalb will M5S - zumindest derzeit - besser die erst 2018 regulär stattfindenden Parlamentswahlen abwarten, um dann gegen Renzi anzutreten. Dann, so hofft Beppe Grillo, der angesichts der Rückschläge, die M5S in Umfragen mit 28,8 Prozent um drei Punkte hinter die PD zurückgeworfen haben, die Parteiführung wieder selbst übernommen hat, werde die Bewegung erfolgreich gegen Renzi antreten.

Da auch in der PD-Minderheit die ablehnenden Stimmen gegen das Referendum zurückgegangen sind, stehen die Chancen für Renzi nicht schlecht, zumal er, wie das linke Fatto Quodidiano am Dienstag schreibt, eine etwas "bessere wirtschaftliche Lage" vorweisen könne. Das Statistische Amt ISTAT berichtete, Italien habe 2015 von einem Minus von 0,3 Prozent zu einem Wachstum von 0,1 Prozent zurückgefunden und das BIP auf 2,6 gedrückt. Renzi geht jedenfalls in die Offensive und wird, wie La Repubblica am Dienstag ankündigt, auf einer Veranstaltung des Komitees für ein "Si" (Ja) am 29. September in seiner Heimatstadt Florenz, in der er von 2009 bis zu seiner Berufung 2014 zum Regierungschef Bürgermeister war, die Kampagne für das Referendum eröffnen.

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Quelle:
© 2016 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. September 2016

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