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ITALIEN/206: Mailänder "L'Espresso" - 2017 war ein Jahr schwarzen Terrors bisher unbekannten Ausmaßes (Gerhard Feldbauer)


Laut Mailänder L'Espresso war 2017 ein Jahr schwarzen Terrors bisher unbekannten Ausmaßes

Faschisten erklären jedem Widerstand "den Krieg"

von Gerhard Feldbauer, 2. Januar 2018


2017 war in Italien "Ein Jahr faschistischer Gewalt". Diese Bilanz zieht die Mailänder Wochenzeitschrift L'Espresso zum Jahresabschluss. Sie besagt, dass Stoßtrupps der extremen Rechten wie die Forza Nuova und CasaPound während des ganzen Jahres landesweit von Dörfern bis in die Großstädte, in den Provinzen und Regionen bei Hunderten von Überfällen eine "Spirale der Gewalt" entfesselten.

2017 sei ein Jahr "schwarzen Terrors" bisher unbekannten Ausmaßes gewesen, in dem jedem Widerstand "der Krieg erklärt" und der Beginn "der schwarzen Revolution" verkündet wurde. Die Neofaschisten schreien: "Nach den Parolen werden wir jetzt die Fakten sprechen lassen".

Der Artikel, den die dem regierenden Partito Democratico (PD) nahestehende La Repubblica am Montag in voller Länge wiedergibt, ist der Abschluss von fast einem Dutzend Beiträgen, in denen L'Espresso in den vergangenen Monaten die wachsende faschistische Gefahr aufzeigte und vor einem möglichen rechtsextremen Wahlsieg bei den Parlamentswahlen, die jetzt für den 4. März 2018 anberaumt sind, warnte. Aufgezeigt wurden wesentliche Ursachen dieser Entwicklung, so, dass die "Abrechnung mit dem Faschismus" nach 1945 sich auf die Hinrichtung des Diktators Benito Mussolini sowie einiger anderer Faschistenführer beschränkte. Von der US-amerikanischen Besatzungsmacht gefördert, konnte bereits im Dezember 1946 die Mussolini-Partei, trotz eines Verbots in der Verfassung, in Gestalt der faschistischen "Italienischen Sozialbewegung" (MSI) wiederauferstehen. Das sei eines der "ungelösten Probleme, die Italien heute belasten". Aufgezeigt wurde, dass führende Industrielle und Bankiers den fortbestehenden Faschismus finanzierten, damit er ihren Hauptgegner, die Arbeiterbewegung und ihre Parteien niederhielt. An der Spitze wurde der Chef der Forza Italia (FI) Silvio Berlusconi genannt.

Aufgezählt werden Überfälle auf Zentren der Flüchtlingshilfe, auf Immigrantenunterkünfte, Roma-Lager, auf linke Gemeindeverwaltungen, bei denen deren Rücktritt gefordert wird, auf Zeitungsredaktionen, darunter L'Espresso und La Repubblica, die über den faschistischen Terror berichteten. Der Terror erinnere daran, wie Mussolini mit ihm Anfang der 1920er Jahre seinen Machtantritt vorbereitete. Heute solle er den Boden bereiten für eine Regierung der faschistischen Allianz von Berlusconis FI, der Lega Matteo Salvinis und der Fratelli (Brüder Italiens (FdI) der früheren Ministerin Berlusconis, Giorgia Meloni, nach den Parlamentswahlen. Dieser schwarze Terror trug u. a. dazu bei, dass Berlusconis FI im Senat die Verabschiedung eines Gesetzes zur Zuerkennung der Staatsbürgerschaft für 800.000 in Italien geborene Immigrantenkinder verhindern konnte.

Zur Verbreitung von Fremdenhass und Ausländerfeindlichkeit und zur Rekrutierung neuer Anhänger nutzten die Neofaschisten das Internet, in dem eine Website "Avanguardia nera" (schwarze Vorhut) ständig 20.000 Zugriffe habe. Mit zahlreichen weiteren Einträgen, darunter eine "clickbait", existiere eine regelrechte "schwarze Milchstrasse" im Internet. L'Espresso zitiert einen Vittorio Boschelli, Anführer einer Fronte popolare (Volksfront), "einen Aktivisten im schwarzen web", der aufrief "Laura Boldrini (die linke Parlamentspräsidentin) öffentlich aufzuhängen". Gehetzt werde gegen "dreckige Neger", gegen Kommunisten, die als "Zecken" beschimpft werden, und "Schwule".

In den "schwarzen Gruppen" sind, so L'Espresso, "Exponenten der Ordnungskräfte", darunter der Streitkräfte und der Polizei aktiv. Sie verbreiteten in eigenen Netzwerken "Rassenhaß und fake news". Ein faschistisches Kommando nenne sich "Esercito Fascista" und verkünde, es stehe mit 1.400 eingeschriebenen Mitgliedern "bereit". Dazu passt, dass Berlusconi einen früheren General der Carabinieri (des kasernierten Polizeikorps) als Kandidaten für die Wahlen aufstellen will.

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Quelle:
© 2018 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Januar 2018

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