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ITALIEN/280: Der "Verschrotter" der Linken ist zurück - Ex-PD-Chef Renzi gründet neue Rechte (Gerhard Feldbauer)


Der Rottamatore ist zurück

Ex-Partei-Chef Renzi verlässt Demokratische Partei und gründet neue Rechte

von Gerhard Feldbauer, 19. September 2019


Der als Chef der Demokratischen Partei (PD, 2014-17) als Rottamatore ("Verschrotter") der Linken bekannt gewordene Matteo Renzi hat mit seiner Fraktion die noch immer sozialdemokratisch angehauchte Partei verlassen und die Gründung einer neuen angekündigt. Die Sozialdemokraten hätten "keine Zukunftsvision", erklärte er zum Bruch. Seine Partei Italia Viva (Lebendiges Italien), so postuliert er, werde dagegen "ein junges, innovatives, feministisches Haus" sein, "weder links noch rechts" positioniert. Er versicherte, die erst vor zwei Wochen ins Amt gekommene Regierung aus PD und der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) bis zum Ende der Legislatur 2022 "loyal zu unterstützen".

Von den angegebenen 41 Mitgliedern der Abgeordnetenkammer und des Senats, die ihm folgen, stammen laut dem Mailänder Corrie della Sera vom Donnerstag drei nicht aus der PD. Einer kommt aus der faschistischen Forza Italia (FI) von Ex-Premier Berlusconi. In Abgeordnetenhaus und Senat hat Renzi bereits eigene Fraktionen gebildet und er hoffe auch hier, dass ihnen "Vertreter der Fraktionen anderer Parteien beitreten", so die Nachrichtenagentur ANSA. Die römische La Repubblica demaskierte, Renzi, der schon als Premier mit Berlusconi paktierte, versuche auch jetzt, FI-Parlamentarier auf seine Seite zu ziehen.

Zwar hält sich Renzis Anhängerschaft noch in Grenzen, sie reicht aber aus, auf die Regierung Druck auszuüben und sie jederzeit zu Fall bringen zu können. Zumal mit ihm zwei Kabinettsmitglieder die PD verlassen, Teresa Bellanova und Elena Bonetti, die das Landwirtschafts- bzw. das Familien-Ressort innehaben. Außerdem ist ihm, wie er am Mittwoch über RAI Uno bekanntgab, mit 14 Chefs oder Stellvertretern aus Schlüsselpositionen und Ausschüssen der PD, darunter für EU, Haushalt, Wirtschaft, Regionen, Justiz und Verfassung bis Verteidigung, die ihm folgen, ein regelrechter Enthauptungsschlag gelungen, der die Lage für die PD "dramatisch" macht, so der Corriere.

PD-Chef Nicola Zingaretti nannte Renzis "Spaltung der Partei" einen "schweren Fehler". Er will nun "die Zukunft der PD" neu gestalten. Als entscheidend nannte er, "den Konsens der Rechten" unter der Bevölkerung zu brechen, dazu "die Linke zu stärken", aber auch ihren Zusammenhalt "mit dem demokratischen Katholizismus". Er verspricht, "die italienische Wirtschaft wiederzubeleben, die grüne Revolution im Land wirklich voranzutreiben, wieder Arbeitsplätze zu schaffen und Ungleichheiten zu bekämpfen". Dario Francheschini, 2007 Mitbegründer der PD und Minister in der jetzigen Regierung, erinnerte daran, dass die Spaltung der demokratischen Parteien 1922 zum Machtantritt des Faschismus unter Mussolini beitrug und appellierte, aus der Geschichte "Lehren zu ziehen".

Medien erinnern daran, dass der von dem Industriellenverband Confindustria protegierte frühere rechte Christdemokrat Renzi schon als PD-Chef die Spaltung mit der Gründung einer neuen rechten Partei, die er damals "Partei der Nation" nennen wollte, betrieb. Seit 2013 Premier, schloss er mit FI-Chef Berlusconi den "Pakt von Nazareno" (so genannt nach dem Sitz der PD-Zentrale in dieser Strasse, in der der Pakt beschlossen wurde), der nach Wahlen auch eine Regierung mit der faschistischen FI Berlusconis vorsah. In einem Referendum zur Auflösung des Senats als Zweiter Parlamentskammer (die Hälfte der Senatoren sollten nur noch beratende Funktionen ausüben) erteilte eine Mehrheit seinem arbeiter- und gewerkschaftsfeindlichen Kurs eine Abfuhr und er musste als PD- und Regierungschef zurücktreten.

Rund 100.000 Mitglieder verließen aus Protest gegen ihn als Rottamatore (Verschrotter) der Linken die PD. Ein Teil von ihnen bildete die Linkspartei Freie und Gleiche (LeU), die der jetzigen Regierung angehört. Andere, konsequentere Linke, bildeten die antikapitalistische Potere al Popolo (Die Macht dem Volke), die 2018 den Sprung über die 3 Prozent-Hürde ins Parlament nicht schaffte.

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Quelle:
© 2019 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. September 2019

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