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ITALIEN/358: Gedenken an und Proteste gegen den faschistischen Terror in Genua 2001 (Gerhard Feldbauer)


Faschistischer Terror in Genua 2001 verurteilt

Vittorio Agnoletto: "Eine andere Welt wird dringend gebraucht"

von Gerhard Feldbauer, 22. Juli 2021



Graphik: Genoa Legal Forum, CC BY 3.0 [https://creativecommons.org/licences/by/3.0/], via Wikimedia Commons

Stadplan von Genua während des G8-Gipfels von 2001 - Zugangsbeschränkungen in den gelb und rot gekennzeichneten Bereichen. Punkt 1: Palazzo Ducale (Tagungsort), Punkt 19: Piazza Alimonda, auf der Carlo Giuliani getötet wurde
Graphik: Genoa Legal Forum, CC BY 3.0 [https://creativecommons.org/licences/by/3.0/], via Wikimedia Commons

Zum 20. Jahrestag der von der faschistischen Regierung Berlusconi gegen die Proteste auf dem G8-Gipfel vom 18. bis 22. Juli 2001 in Genua organisierten blutigen Repression fanden in der Hafenstadt zahlreiche Veranstaltungen statt. Auf der Piazza Alimonda gedachten Tausende des damals 22jährigen Studenten Carlo Giuliani, der an diesem Ort von einem Carabinieri von einem Jeep aus mit einem Kopfschuss ermordet wurde. "Carlo lebt und kämpft mit uns, unsere Ideen werden niemals sterben." Das war eine Losung, "die im Chor geschrieen wurde, begleitet von vielen Umarmungen und leuchtenden Augen der verschiedenen Generationen, die sich zusammenfanden", schrieb das linke Manifesto. Aber auch auf den anderen Veranstaltungen wurden Schweigeminuten für Carlo eingelegt.

Herausragend war eine Veranstaltung im Palazzo Ducale, zu der ein Netzwerk von Organisationen und zivilgesellschaftlichen Bewegungen aufgerufen hatte. Unter den 200 Teilnehmern befand sich die Galionsfigur der damaligen No-Global-Bewegung, der Vorsitzende des Genueser Sozialforums, Vittorio Agnoletto, früherer EU-Parlamentarier, der erklärte, unter den 300.000 Demonstranten hätten viele daran geglaubt, "die Welt zu verändern". Damals sagten wir: "Eine andere Welt ist nötig. Heute sind wir verpflichtet zu sagen, dass eine andere Welt dringend gebraucht wird." Wir haben damals "dagegen protestiert, dass 12 Prozent Reiche 85 Prozent des Weltvermögens besitzen, während 55 Prozent der Weltbevölkerung nur 1,3 Prozent davon haben". Und "wir haben schon damals gewarnt, dass die Welt auf eine Katastrophe zuläuft", so Agnoletto, der sich nach Genua der Partei der Kommunistischen Neugründung (PRC), einem Nachfolger des 1990 in die sozialdemokratische Linkspartei PDS umgewandelten PCI, anschloss. Auch der Gründer der größten Anti-Mafia-Organisation "Liberia", der katholische Priester Don Ciotti, meinte, "in Genua sei es möglich gewesen, die Geschichte von unten, mit den Geringsten, den Armen, neu zu schreiben".


Porträt - Foto: Lavenointra, CC BY-SA 4.0 [https://creativecommons.orlicenses/by-sa/4.0], via Wikimedia Commons

"Eine andere Welt wird dringend gebraucht" - Vittorio Agnoletto (Aufnahme vom 25. Mai 2021) Foto: Lavenointra, CC BY-SA 4.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0], via Wikimedia Commons

Die Forderung "eine andere Welt ist notwendig" erhob auch Die Partei der Europäischen Linken auf einer Veranstaltung auf der Piazza Matteotti in Genua, an der führende Vertreter des PRC mit ihrem Nationalsekretär Maurizio Acerbo und Paolo Ferrero, Vizepräsident der Europäischen Linkspartei, ferner Yiannis Bournos, Syriza (Griechenland), teilnahmen. In dieser wie auch auf anderen Veranstaltungen war man sich einig in der Verurteilung der Repression, während Fragen nach den Ursachen, warum diese machtvolle Bewegung in den folgenden Jahren verpuffte, kaum aufgeworfen wurden. Ausgenommen davon war das Nationalsekretariat des wiederbelebten PCI, das auf seiner Website erklärte, dass die gegenwärtigen grundlegenden Entscheidungen der Europäischen Union und die unter dem Banner der Konzentration des Finanzkapitals erfolgenden Globalisierungsprozesse eine Folge der von der Regierung Berlusconi 2001 in Genua politisch und direkt zu verantwortenden "schwersten und dauerhaftesten Aussetzung verfassungsmäßiger Rechte, die es in der republikanischen Geschichte jemals gegeben hat", sind.

Eine tiefgehende Analyse der Ereignisse nahm eine Veranstaltung vor, die zum Thema "Reflexion und Debatte - Genua 2021, Navigation auf offener See", von der Basis-Gewerkschaft USB und linken Organisationen wie Cambiare Rotta (Den Kurs ändern) und Osservatorio Repressione (Beobachter der Repression) organisiert wurde. An ihr beteiligten sich auch Vertreter der Linkspartei Potere al Popolo (Die Macht dem Volke). Sie zog laut dem kommunistischen Online-Portal Contropiano das Fazit, dass, wenn "die Bewegung der Bewegungen" in den Genueser Tagen auch "nicht nur an Repression starb, und die lokale politische Umsetzung dieses echten Kampfes gegen die neoliberale Globalisierung der Herausforderung der sich formenden Welt nicht gewachsen war, man das Kind sicherlich nicht mit dem Bade ausschütten kann". Es seien "Fehler und Grenzen der Einstellung sowie die objektiven Gründe, die ihre Entwicklung verhindert haben, als auch der Wiederbelebung" erörtert worden.

Guido Lutrario von USB charakterisierte die von der Berlusconi-Regierung in Genua verfolgte Strategie als "Verfeinerung der präventiven Konterrevolution". Die Kombination von neoliberaler Politik und Stärkung des rechtsrepressiven Apparats hat dazu geführt, dass wir in einem "minimalen Sozialstaat und einem maximalen Strafstaat" leben, ergänzte sein Kollege Italo Di Sabato. Das Forum beriet Schlussfolgerungen aus Genua 2001 für eine aktuelle Kampfagenda, die die Organisation eines Generalstreiks für den 18. Oktober zur Verteidigung der Arbeiterrechte gegen die von der Draghi-Regierung im Einklang mit der Confindustria zur Abwälzung der Kosten der Corona-Pandemie gestartete Offensive umfasst und auch internationalistische Aktivitäten, deren Zentrum heute die Verteidigung des sozialistischen Kubas ist, einschliesst.

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Quelle:
© 2021 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 3. August 2021

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