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ITALIEN/018: Regierungskrise in Rom schwelt weiter (Gerhard Feldbauer)


Regierungskrise in Rom schwelt weiter

Berlusconi jedoch vorerst gescheitert

von Gerhard Feldbauer, 6. August 2013



Mit Drohungen, Erpressungen und Einschüchterungen haben Silvio Berlusconi und seine Gefolgschaft am Wochenende auf das vom Obersten Verfassungsgericht rechtskräftig verhängte Urteil zu vier Jahren Gefängnis gegen den Ex-Premier reagiert, sind damit aber offensichtlich vorerst gescheitert (jW, 5. August).

Ultimativ forderte der Chef der Partei Volk der Freiheit (PdL), Angelo Alfano, nach einer Krisensitzung der Parteiführung von Staatspräsident Giorgio Napolitano, den wegen Steuerbetrug, Korruption und Richterbestechung verurteilten Straftäter zu begnadigen, andernfalls die Minister der PdL aus der mit den Sozialdemokraten (PD) gebildeten Regierung zurücktreten würden.


Drohung mit Bürgerkrieg

Berlusconis engster Vertrauter in der PdL, der Senator Sandro Bondi, verstieg sich zu der Drohung, es könnte sonst zu "Formen des Bürgerkrieges" kommen. Da sich unter der Gefolgschaft Berlusconis in der PdL noch immer Zehntausende Mitglieder und Anhänger der früheren faschistischen Alleanza Nazionale befinden, wird das in Rom nicht auf die leichte Schulter genommen. Zumal auch von Berlusconis Verbündetem, der rassistischen Lega Nord, in zahlreichen Städten aufgestellte Bürgerwehren gegen Migranten und überhaupt zur Unterdrückung politischer und sozialer Proteste immer wieder mit Gewalt vorgehen.

Das Auftreten Berlusconis verdeutlichte ein weiteres Mal, dass er sich als über Recht und Gesetz stehend betrachtet. In einer über seine Fernsehsender verbreiteten Video-Botschaft bezeichnete er sich als "völlig unschuldig" und attackierte wieder die Justiz, in der "kommunistische Richter" ihn "eliminieren" wollten. Verhaltenen Widerspruch in seiner eigenen Partei entgegnete er: "Noch bin ich es, der hier leitet und die Linie vorgibt'". Dem stimmten einige Tausend seiner Anhänger zu, die ihn am Sonntag in Rom vor seinem Palazzo Grazioli frenetisch feierten und Fahnen mit "Forza Italia" schwenkten, dem Gründungsnamen, unter dem Berlusconi seine PdL für den nächsten Wahlkampf erneuern will.

Unter den Teilnehmern der Sympathiekundgebung, auf der Berlusconi in Führerpose zu seinen Anhängern sprach, war auch Alessandra Mussolini, die Enkelin des faschistischen Diktators Benito Mussolini.


Zu hoch gepokert

Obwohl Berlusconi weiterhin über beträchtliche Möglichkeiten verfügt, in die Politik einzugreifen, hat er diesmal, besonders mit seinem Ultimatum an den Staatschef zu hoch gepokert. Die Reaktionen und Proteste gegen sein autoritär-faschistoides Gebaren waren stärker als erwartet. Die Behörden zeigten Konsequenz, der Polizeipräfekt von Mailand ließ Berlusconis Pass einziehen. In der Führung der Demokratischen Partei (PD) wurde gewarnt, die Drohung mit einem "Bürgerkrieg" sei "fast umstürzlerisch". Wie "La Repubblica", Sprachrohr der PD am Montag schrieb, erklärte Premier Enrico Letta, die Koalition mit der PdL "nicht um jeden Preis" fortzusetzen. In der "Unita" äußerte der vorherige PD-Vorsitzende, Luigi Bersani, die PdL werde mit einem verurteilten Straftäter an der Spitze scheitern. Roms Bürgermeister, Ignazio Marino, verurteilte die Kundgebung der PdL in der Hauptstadt als gesetzwidrig. Unter den Linken wächst die Forderung, die Regierungskoalition mit der faschistoiden PdL zu beenden. Paolo Ferrero von der kommunistischen PRC sprach das am konsequentesten aus: Die Koalition mit dieser "umstürzlerischen Rechten" müsse beendet werden.


"keine Zerstörer"?

Staatspräsident Napolitano hatte vor dem Prozess zwar gewarnt, das Urteil solle nicht "die politische Stabilität des Landes gefährden", und hätte wohl lieber einen Freispruch gesehen, konnte sich aber nun unmöglich dem Ultimatum Berlusconis nach einer Begnadigung beugen. Er nannte Berlusconis Äußerungen "verantwortungslos", brach seinen Urlaub in Italien ab und kehrte nach Rom zurück. Er lehnte bisher ab, die Fraktionsvorsitzenden der PdL in Senat und Abgeordnetenkammer zu empfangen.

Angesichts dieser Abfuhr ruderte Berlusconi am Sonntag zurück, "Wir sind keine Zerstörer", erklärte er und beteuerte, die PdL werde in der Regierung verbleiben. Gleichzeitig verlangte er weiterhin, ihn zu begnadigen, was er in die Forderung verpackte, sofort eine Justizreform zu beschließen. Die weitere Entwicklung bleibt offen. Beobachter in Rom meinen, dass sich die PD auf das Ende der Regierung einstellt. Es ist bereits von Neuwahlen im Oktober die Rede.

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Quelle:
© 2013 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. August 2013