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PARTEIEN/261: Die Queen in Irland - "Mission Accomplished" (SB)


Die Queen in Irland - "Mission Accomplished"

Iren und Briten kommen sich auf der diplomatischen Ebene näher


Nach zwei Tagen des auf vier Tage angelegten Besuchs der britischen Königin Elizabeth II. in der Irischen Republik steht das Ergebnis bereits fest. Beiderseits der Irischen See feiern Medienkommenatoren und Politiker den erstmaligen Besuch eines britischen Monarchen in den südlichen 26 von 32 Grafschaften Irlands seit 1911 als Riesenerfolg und krönenden Abschluß des sogenannten Friedensprozesses auf der grünen Insel. Auf der diplomatisch-propagandistischen Ebene dürfte dieses Fazit zutreffen. Die große Umsicht und der Respekt, mit dem Irlands Präsidentin Mary McAleese und Queen Elizabeth samt ihren Regierungsmitgliedern miteinander, mit der Geschichte und den Traditionen der jeweils anderen Seite umgehen, lassen den gemeinsamen Wunsch nach Partnerschaft und Freundschaft auf gleicher Augenhöhe erkennen. Nichtsdestotrotz gibt der gigantische Sicherheitsaufwand, der den Besuch überschattet, zu denken. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die Behörden beider Staaten bei dieser 30 Millionen Euro teuren, größten Sicherheitsoperation in der Geschichte Irlands drakonische Formen der Zusammenarbeit erproben, mit denen Dublin und London künftigen Sozialkämpfen zu begegnen beabsichtigen.

Die 85jährige Königin Elizabeth II. hat im Verlauf ihrer 1952 begonnenen Regentschaft - inzwischen die zweitlängste hinter Königin Victoria - unzählige Staatsbesuche absolviert. Doch keiner dürfte so symbolträchtig und von Geschichte überladen gewesen sein wie der Besuch in Irland, das rund 800 Jahre erst unter englischer, später britischer Herrschaft gestanden hat. Gleich zu Beginn landete die königliche Maschine auf dem Militärflughafen Casement am Rande Dublins, benannt nach dem berühmten Menschenrechtler Roger Casement, der wegen seiner Rolle beim Osteraufstand 1916 von den britischen Behörden als Verräter an der britischen Krone erhängt wurde. Casement war am Vorabend des Aufstands bei dem gescheiterten Versuch, eine große Waffenlieferung aus Deutschland - und das Mitten im Ersten Weltkrieg - an der Südwestküste Irlands anzulanden, festgenommen worden.

Vom Casement Aerodrome wurden Elizabeth II. und der Königingemahl Prinz Phillip in den irischen Präsidentenpalast - die frühere Residenz des britischen Vizekönigs in Irland - im Dubliner Phoenix Park gefahren, wo Gastgeberin McAleese sie mit allem Zeremoniell empfing. Gleichwohl hat für alle Beobachter sichtbar McAleese, als sie die Königin begrüßte und ihr die Hand gab, keinen Knicks gemacht. Es folgte eine Baumpflanzung, eine Tasse Tee, Bilder für die Journalisten et cetera. Als nächstes fuhren die beiden Staatsoberhäupter zum Garden of Remembrance am Parnell Square in der Dubliner Innenstadt. In dieser Freiluftgedenkstätte wird derjenigen gedacht, die über die Jahrhunderte ihr Leben im Kampf um die Freiheit Irlands gegeben haben. Vor der Statue des Bildhauers Oisin Kelly, die an den gälischen Mythos der Kinder von Lir erinnert, legte Elizabeth II. einen Kranz nieder und machte nach einem Schritt zurück sogar eine leichte Verbeugung. Auf Gälisch las ein Offizier der irischen Armee die Inschrift des Denkmals - ein Gedicht über die Vision (Aisling) der Freiheit - vor. Es wurden die irische und die britische Nationalhyme von einer Militärkapelle gespielt. Für die meisten Iren, die das Geschehen in der Übertragung des Rundfunksenders RTÉ verfolgten, dürften die Bilder bewegend, wenn nicht fast überwältigend gewesen sein.

Anschließend stieg das königliche Paar in eine Staatskarosse und fuhr die O'Connell Street hinunter, am General Post Office, dem Hauptquartier der Aufständischen von 1916, über den Fluß Liffey und dann die D'Olier Street zum Trinity College hoch. Wegen eventueller Bombengefahr waren praktisch über die gesamte Strecke im Herzen der irischen Hauptstadt keine normalen Bürger, sondern lediglich Hunderte von Polizisten und Metallgitter zu sehen, die alle Querstraßen blockierten. Bis auf den Korso der ausländischen Staatsbesucher waren keine anderen Verkehrsmittel unterwegs. In Trinity, das übrigens Anfang des 17. Jahrhunderts von der Tudor-Königin Elizabeth I., der Cousine der heutigen britischen Monarchin dreizehnten Grades, gegründet wurde, bekamen das Ehepaar Windsor das Book of Kells, das berühmte, von irischen und schottischen Mönchen um 800 herum hergestellte und mit allerlei keltischen Bildern verzierte Manuskript mit den Evangelien zu sehen. Auf dem abgeschotteten Unigelände kam es zu einer kurzen Begegung mit dem Volk in Form einer Handvoll Studenten.

Am zweiten Tag stand als erstes ein Besuch in der weltberühmten Guinness-Brauerei an. Trotz Unterweisung in die richtige Art, einen perfekten Pint zu ziehen, haben weder Elizabeth noch ihr Gemahl das schwarze Getränk probiert. Anschließend gab es eine Kranzniederlegung an der Gedenkstätte in Islandbridge für die 49.000 irischen Soldaten, die im Ersten Weltkrieg in der Uniform der britischen Armee gefallen sind. Bereits 1998, im Jahr der Unterzeichung des Karfreitagsabkommens zur Beendigung des Bürgerkrieges in Nordirland, hatten Elizabeth II. und Präsidentin McAleese eine Gedenkstätte für die gefallenen irischen Soldaten des Ersten Weltkrieges im belgischen Messines eingeweiht. Der Erste Weltkrieg ist besonders für die Unionisten in Nordirland von großer Bedeutung. Während sich über Ostern 1916 in Dublin die Irish Volunteers und James Connollys Irish Citizen Army gegen das British Empire erhoben, starben für dieses Tausende protestantischer Mitglieder der Ulster Volunteers bei der Schlacht an der Somme. Deswegen hatte McAleese zu dieser Zeremonie nicht nur Peter Robinson, den protestantischen Premierminister Nordirlands und Chef der Democratic Unionist Party, sowie Angehörige des Oranierordens, sondern auch Jackie McDonald und andere Mitglieder der loyalistischen Ulster Defence Association eingeladen.

Am Nachmittag besuchte Elizabeth II. Croke Park, das Stadion der Gaelic Athletics Association, des größten Sportverbands in Irland. Dort hatten britische Soldaten 1920 ein Massaker unter Spielern und Zuschauern eines gälischen Fußballspiels angerichtet. Während der "Troubles" in Nordirland kam es häufig zu Reibereien zwischen den britischen Militärbehörden und der GAA, deren Mitgliedern allesamt Sympathie für die IRA unterstellt wurde. Damals durften keine britischen Soldaten oder nordirischen Polizisten Mitglieder bei der GAA werden. Doch im Zuge des Friedensprozesses wurde diese umstrittene Regel abgeschafft. In Croke Park haben sogar die Rugby-Nationalmannschaften von Irland und England gegeneinander gespielt - was einige Jahre zuvor vollkommen undenkbar gewesen wäre.

Am Abend des zweiten Tages kam es zu dem mit Spannung erwarteten großen Staatsbankett. Das fand statt im großen Sankt-Patrick-Saal im Dublin Castle, das Jahrhunderte lang Sitz der britischen Regierung in Irland gewesen ist. In einer achtminütigen Dankesrede an Präsidentin McAleese hat die britische Königin Worte der Ausgewogenheit und der Versöhnung gefunden. Ohne sich direkt für die während der britischen Herrschaft verübten Missetaten zu entschuldigen oder sie namentlich zu nennen, sprach sie allen, die "aufgrund unserer bewegten Vergangenheit gelitten haben", ihre "tiefste Sympathie" aus. "Rückblickend können wir alle Dinge erkennen, von denen wir wünschen, sie wären anders gelaufen oder überhaupt nicht passiert", so die Königin.

Für die Rede gab es stehende Ovationen der anwesenden Honoratioren, darunter der irische Premierminister Enda Kenny und sein britischer Amtskollege David Cameron. Seit der konservative Cameron letztes Jahr als frischgewählter Regierungschef sich im Namen des britischen Staates für das Bloody-Sunday-Massaker von 1972 in Derry entschuldigte, herrscht zwischen Dublin und London eitel Sonnenschein. So eine direkte Aussage hatten in Irland die wenigsten von einem Tory erwartet. Hinzu kommt, daß im Zuge der Finanzkrise die EU für die Iren stark an Attraktivität verliert. Während Deutsche und Franzose - die früheren Verbündeten im Kampf gegen England - Irland eine drastische Austeritätspolitik à la EZB aufzwingen, hat sich Camerons Finanzminister George Osborne als Freund erwiesen. Im letzten November, als Irland unter den EZB-EU-IWF-Rettungschirm mußte, soll der britische Schatzmeister einer der wenigen gewesen sein, der sich für einen "Haarschnitt" bei den großen Gläubigerbanken stark gemacht hat. Doch wenn dieser Tage alle von der wiederentdeckten "Freundschaft" zwischen Irland und Großbritannien reden, sollten sich die Verantwortlichen in Dublin vielleicht an die berühmten Worte Lord Palmerstons, des britischen Premierministers in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, erinnern: "Nationen haben keine dauerhaften Freunde oder Feinde, sie haben einzig dauerhafte Interessen."

19. Mai 2011