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INTERVIEW/049: Irland - Den eigenen Schwerpunkt freihalten ...    Eoin O'Murchú im Gespräch (SB)


Interview mit dem politischen Kommentator Eoin O'Murchú am 8. Januar 2018 in Dublin


Eoin O'Murchú nimmt seit rund vierzig Jahren als Aktivist und Kommentator am politischen Leben Irlands teil. Er war lange Zeit Leiter der Politikredaktion beim gälischen Dienst des staatlichen Rundfunksenders RTÉ. Als Mitglied der kommunistischen Partei Irlands hat er früher deren Zeitung, The Irish Socialist, redigiert. Seit seiner Pensionierung schreibt O'Murchú regelmäßig Beiträge für die gälische Zeitung Tuairisc.ie sowie für das Presseorgan Sinn Féins, An Phoblacht (Die Republik), und tritt häufig als Gast bei Diskussionen in Radio und Fernsehen auf. Am 8. Januar traf der Schattenblick im Westdubliner Stadtteil Clondalkin mit O'Murchú zusammen, um ihn über seine Ansichten zum Thema Brexit zu befragen.


Eoin O'Murchú im Porträt - Foto: © 2018 by Schattenblick

Eoin O'Murchú
Foto: © 2018 by Schattenblick

Schattenblick: 1972 gehörten Sie, Herr O'Murchú, zu denjenigen politischen Stimmen, die sich gegen den Beitritt Irlands zur damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft aussprachen. Wie fällt Ihr Urteil 45 Jahre danach über die Mitgliedschaft in der Europäischen Union aus? Hat sie Irland mehr geschadet als genutzt?

Eoin O'Murchú: Meine Ablehnung richtete sich nicht gegen das, was damals vordergründig als Angebot im Raum stand, nämlich die Beteiligung an einer Wirtschaftsgemeinschaft unabhängiger Nationalstaaten, sondern gegen den bereits erkennbaren langfristigen Plan zur Verwandlung und zum Ausbau der Europäischen Union hin zu einem föderalen Superstaat, in dem die einzelnen Mitgliedsländer auf einen Status vergleichbar dem der einzelnen Gliedstaaten der USA reduziert werden. Das war damals absehbar, und die Entwicklung hat sich seitdem bis heute - siehe Schengen-Abkommen, Euro-Einführung und die jüngsten Vorschläge des neuen französischen Präsidenten Emmanuel Macron bezüglich der Steuerharmonisierung - kontinuierlich in diese Richtung fortgesetzt. Große Unterstützung erhält Macron mit seinen Zentralisierungsplänen für die EU aktuell vom Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Martin Schulz, der gerade mit Bundeskanzlerin Angela Merkel über eine Fortsetzung der großen Koalition mit der Christlich-Demokratischen Union in Berlin verhandelt.

Vor diesem Hintergrund glaube ich nicht, daß ich mit meiner damaligen Ablehnung des Beitritts Irlands zur EWG falsch lag. In Norwegen hat eine Mehrheit der Bürger zweimal, 1972 und 1994, gegen den Beitritt zur EWG bzw. zur EU votiert, und das Land hat nicht sonderlich darunter gelitten. Im Gegenteil gilt Norwegen - zugegeben, nicht zuletzt wegen seiner Ölreserven - heute als einer der reichsten Industriestaaten, seine Bürger genießen den höchsten Lebensstandard weltweit. Was Irland betrifft, so haben wir zweifellos seit 1973 viel Geld von der EU insbesondere im Bereich der Agrarsubventionen erhalten. Gleichwohl kommt man rückblickend nicht um die Feststellung herum, daß es vor allem die irischen Großbauern waren, die von den EU-Subventionen profitiert haben. Die Zahlungen aus Brüssel haben weder die Auswanderung noch die Landflucht zum Erliegen gebracht. Im Gegenteil haben sie die Verdrängung der kleinen Bauernhöfe durch die Großbetriebe und die Agrarkonzerne beflügelt.

Bereits Anfang der sechziger Jahre hatte der damalige Agrarkommissar der EWG, Sicco Mansholt, das Ziel der Beseitigung des Kleinbauerntums zugunsten angeblich produktiverer mittlerer und größerer Betriebe ausgewiesen. Auch wenn der Verdrängungsprozeß viel länger vonstatten geht, als ursprünglich anvisiert, haben die Ziele des umstrittenen Mansholt-Plans bis heute ihre Gültigkeit behalten. In Irland hätte die Umsetzung des Mansholt-Plans eine Reduzierung der Anzahl bäuerlicher Betriebe von rund 200.000 Anfang der siebziger Jahre auf 30.000 mit sich gebracht. Doch ein solch drastischer Schnitt war weder in der Republik Irland noch irgendwo sonst in der EWG politisch möglich. Heute gibt es rund 100.000 bäuerliche Betriebe in der Republik Irland, ihre Zahl hat sich also seit dem Beitritt zur EWG praktisch halbiert.

Darüber hinaus hat Irland eine Menge Geld von der EWG bzw. der EU zum Ausbau der Infrastruktur, darunter zur Modernisierung des Straßennetzes, erhalten. Ende der sechziger Jahre waren viele Straßen in Irland, vor allem in den ländlichen Gebieten, auf vorindustriellem Niveau. Heute läßt sich über Autobahnen und moderne Landstraßen jede Ecke in Irland schnell und sicher erreichen. Also ist die Mitgliedschaft Irlands in der EU mit Sicherheit nicht nur ein Nachteil gewesen. Die positiven Aspekte dürfen nicht gering geschätzt oder einfach abgetan werden.

Der wichtigste Aspekt der EU-Mitgliedschaft für Irland ist meines Erachtens die außen- und handelspolitische Neuausrichtung gewesen. Durch den Ausbau des Handels mit den europäischen Festlandsstaaten haben wir uns von unserer ständigen Fokussierung auf Großbritannien befreien können. Zwar ist Großbritannien heute noch der wichtigste Handelspartner Irlands, aber längst nicht mehr so dominierend, wie es in den 52 Jahren nach Erlangung der Unabhängigkeit 1921 der Fall gewesen ist. Durch die gleichberechtigte Mitgliedschaft in allen EU-Gremien sind die Iren selbstbewußter geworden. Außenpolitisch ist Dublin aus dem Schatten Londons getreten und verfolgt auf der europäischen Bühne und darüber hinaus - siehe die wachsenden Wirtschaftsbeziehungen Irlands zu den USA und China - seine eigenen Interessen.

Der nachvollziehbare Wunsch der irischen Politik, sich von der wirtschaftlichen Abhängigkeit vom großen Nachbarn Großbritannien so weit wie möglich zu befreien, hat Dublin aber vielleicht zu seinem größten finanz- und wirtschaftspolitischen Fehler veranlaßt. Ich spreche hier vom Beitritt Irlands zum Euro im Jahre 1995. Das war unnötig und unklug, denn andere EU-Staaten wie Dänemark und Schweden und nicht zuletzt Großbritannien haben ihre Landeswährungen behalten. Durch den Euro-Beitritt hat Irland eines der wichtigsten Instrumente zur Steuerung der eigenen Volkswirtschaft, den Wert und die Menge seiner Währung zu bestimmen und gemäß der laufenden Entwicklung zu justieren, aus der Hand gegeben. Dies sollte sich fatal rächen, als die Niedrigzinspolitik, welche die Europäische Zentralbank in den nuller Jahren verfolgte, um die Konjunktur in Deutschland anzukurbeln, zu einer gigantischen Immobilienblase in Irland - und übrigens auch in Spanien - führte. Unter den Folgen des Platzens dieser Blase leidet Irland bis heute. Noch für Jahrzehnte werden die Milliardenschulden, die der irische Staat zur Rettung seiner pleite gegangenen Banken auf sich genommen hat, zu begleichen sein.

Wenn demnächst unter der Federführung von Macron, Schulz und Merkel Deutschland und Frankreich eine weitere Stärkung der EU-Institutionen zuungunsten der kleineren Staaten eingeleitet wird, kann das erneute Nachteile für Irland mit sich bringen. Außerdem wird Irland der Hauptleidtragende sein, sollten London und Brüssel keine Kompromißlösung in der Brexit-Frage finden, denn der Handel mit Großbritannien nimmt für Irland einen weit größeren Stellenwert als für jeden anderen EU-Staat ein. Von daher wäre es mir persönlich lieber, Irland hätte einen Status vergleichbar dem Norwegens. Dann wären wir in Binnenmarkt und Zollunion, könnten umfassend Handel mit der EU treiben, hätten jedoch größere Eigenständigkeit in der Außen- und Finanzpolitik. Der Ausbau der militärischen Zusammenarbeit im Rahmen der Permanent Structured Cooperation, auch Pesco genannt, der Ende letzten Jahres beschlossen wurde und an dem sich Dublin beteiligen will, macht mir große Sorgen. Hier entsteht ganz klar eine EU-Armee unter deutscher und französischer Führung. Die Teilhabe an Pesco läuft auf die Preisgabe der militärischen Neutralität hinaus, die seit der Unabhängigkeit von Großbritannien zum stolzen Erkennungsmerkmal Irlands gehörte.

SB: Darauf würde ich gern später zu sprechen kommen. Vorher noch einige anderen Fragen. Nach Ansicht der meisten politischen Beobachter war das Ergebnis des Brexit-Referendums in Großbritannien, die knappe Mehrheit für den Austritt aus der EU, in allererster Linie eine Protestwahl gegen die herrschende Politelite in London und Brüssel. Wenn dem so ist, wie kann man dann die Tatsache erklären, daß die Befürworter eines harten Brexits, das heißt eines Austritts aus Binnenmarkt und Zollunion, für den es nach allen Umfragen weder im Parlament noch bei der Bevölkerung eine Mehrheit gibt, nach wie vor die Politik Großbritanniens bestimmen? Die Verfechter diesen Kurses, Leute wie Außenminister Boris Johnson und Umweltminister Michael Gove, stellen bestenfalls die Hälfte aller Abgeordneten der konservativen Minderheitsregierung; warum tanzen trotzdem alle nach ihrer Pfeife? Premierministerin Theresa May war vor dem Referendum für den Verbleib in der EU. Seit ihrer Wahl zur Partei- und Regierungschefin hat sie sich zum Brexiteer ersten Ranges entwickelt. Haben Sie vielleicht eine Erklärung für die erstaunliche Durchsetzungsfähigkeit der britischen Euroskeptiker?

EO'M: Zunächst einmal müssen wir anerkennen, daß sich Großbritanniens Politiker, sei es Regierungschefin May oder Oppositionsführer Jeremy Corbyn von den Sozialdemokraten, bemühen, die Mehrheitsentscheidung für den Brexit in die Tat umzusetzen. Es hat in Irland in den vergangenen Jahren mehrere Plebiszite gegeben, in denen eine Mehrheit der Bürger gegen die Annahme des einen oder anderen EU-Abkommens votiert hat, woraufhin die Regierung einige Monate später neu abstimmen ließ, um das von ihr und Brüssel erwünschte Ergebnis doch noch hinzubekommen. Was immer man vom Ergebnis des Brexit-Referendums halten mag, die Tatsache, daß die Entscheidung der Mehrheit respektiert wird, zeugt zu allererst vom demokratischen Verständnis der britischen Politik und soll meines Erachtens gewürdigt werden.

Das Brexit-Votum, 52% dafür und 48% dagegen, hat schwerwiegende verfassungstechnische Fragen für das Vereinigte Königreich aufgeworfen. In allererster Linie steht die Frage im Raum, ob die Mehrheit für den Brexit in England Schottland und Nordirland zwingen darf, ebenfalls die EU zu verlassen. Schließlich hat fast eine Zweidrittelmehrheit der Schotten - 62% - für den Verbleib in der EU votiert. In Nordirland war das Ergebnis nicht so eindeutig, doch immerhin fiel die Mehrheit dort mit 56% für den Verbleib höher als in England diejenige für den Austritt - 53% - aus.

Unabhängig davon, wie und ob der Brexit umgesetzt wird, stellt das Votum in Großbritannien die Bemühungen um eine Stärkung der zentralisierenden Tendenzen innerhalb der EU in Richtung eines föderalen Superstaats in Frage und bietet uns in Irland die Gelegenheit, uns grundlegende Gedanken über unsere Beziehungen zur EU und wie wir sie künftig gestalten wollen zu machen. Derzeit tun die Politiker in Dublin so, als stünde das Verhältnis zu Brüssel über allem, als müßten die Iren eine Gegenposition zu Großbritannien beziehen und sich weiterhin in der Rolle des EU-Musterschülers profilieren. Doch die Beziehungen zwischen Irland und Großbritannien sind zu wichtig, als daß wir sie zugunsten irgendwelcher Aussichten innerhalb der EU aufs Spiel setzen sollten. Wir sind schließlich eine kleine Insel und unser nächster Nachbar ist Großbritannien, nicht Frankreich, Deutschland oder Spanien. Die anderen EU-Staaten werden bei den Brexit-Verhandlungen ihre jeweiligen Interessen verfolgen und nur bedingt Rücksicht auf die Befindlichkeiten Irlands nehmen. Dublin darf die berühmte Maxime Napoleons, Geographie ist Schicksal, nicht außer acht lassen.

SB: Aber was sagen Sie zu den Brexit-Verfechtern in Großbritannien, die bisherige Standards in der Arbeits-, Sozial- und Umweltgesetzgebung über Bord werfen, die Rolle des Staats auf ein Minimum und das Volksvermögen einschließlich des staatlichen Gesundheitssystems privatisieren wollen? Das kann man doch keineswegs begrüßen, oder?

EO'M: Absolut nicht. Aber man darf sich nichts vormachen; die neoliberale Wirtschaftsideologie treibt auch in der EU, nicht zuletzt in der Lobbyisten-Hauptstadt Brüssel, ihr Unwesen, wenn auch nicht so ungeniert wie in Großbritannien. Diese menschenfeindliche Ideologie bildet sogar die Grundlage mehrerer EU-Abkommen, allen voran des Vertrags von Lissabon 2009 und des Europäischen Fiskalpakts von 2012. Einer der Hauptgründe meiner kritischen Haltung der EU gegenüber ist die Tatsache, daß es diese beiden Verträge den Mitgliedsstaaten und damit deren Bürgern ausdrücklich verbieten, ein sozialistisches Wirtschaftssystem einzuführen. Das ist doch antidemokratisch.

Ich stimme Ihnen zu, daß die Brexiteers bei den britischen Konservativen extreme Verfechter der neoliberalen Wirtschaftslehre sind, die alles Staatliche privatisieren wollen, um das Volksvermögen vollends der reichen Oberschicht zuzuschanzen. Doch gegen sie zu sein oder ihnen nicht über den Weg zu trauen, heißt noch lange nicht, daß sich Irland der EU an den Hals werfen darf. Nein, Irland sollte anstreben, gleichwertig gute partnerschaftliche Beziehungen zu Großbritannien und den anderen EU-Mitgliedsstaaten zu pflegen, ohne jeweils von der einen oder anderen Seite vereinnahmt zu werden.

Aktuell heißt es in Politik und Medien Irlands, wir müssen uns hinter die EU stellen, da deren Diplomaten in Brüssel die Brexit- Verhandlungen mit London führen. Nun, in gewissem Sinne stimmt das schon. Aber man darf nicht vergessen, daß die EU-Experten im Namen aller 27 verbliebenen EU-Staaten verhandeln. Ihre Aufgabe besteht darin, die Interessen der EU, angefangen bei deren Institutionen, danach die der größten Mitgliedsstaaten wie Deutschland und Frankreich und erst sehr viel später die der kleinen Mitgliedsländern wie Irland durchzusetzen. Sollte es zum Beispiel dazu kommen, daß sich Brüssel und London auf keinen sanften Brexit einigen, habe ich nicht die geringsten Zweifel, daß die EU auf die Aufrechterhaltung der Bedingungen des Binnenmarkts, darunter die Reise- und Niederlassungsfreiheit, pochen wird, selbst wenn dies die Errichtung von Zollkontrollpunkten zwischen der Republik Irland und Nordirland mit massiven Schäden für die Wirtschaft auf der Insel als ganzes nach sich zieht. Inzwischen haben vereinzelte Kommentatoren zum Beispiel bei der Irish Times den Verdacht geäußert, daß die starke Unterstützung, welche Irland zuletzt seitens wichtiger EU-Vertreter bei den Brexit-Verhandlungen wie Chefunterhändler Michel Barnier und Ratspräsident Donald Tusk erfahren hat, weniger auf echte Verbundenheit und Solidarität, sondern vor allem darauf zurückzuführen ist, daß die EU mittels der Frage der irischen Grenze Großbritannien zu Zugeständnissen zwingen kann.

Bisher haben es die britischen Sozialdemokraten trotz entsprechender Aufrufe ihres früheren Vorsitzenden Tony Blair und des ehemaligen EU-Wirtschaftskommissars Peter Mandelson tunlichst vermieden, sich für ein zweites Brexit-Votum stark zu machen. Das hat seinen guten Grund. Sehr viele Wähler in den traditionellen Labour-Hochburgen in den deindustrialisierten Teilen Englands, vor allem in der Mitte und im Norden, haben für Brexit gestimmt. Die neue linksorientierte Labour-Führung um Jeremy Corbyn und Schatten-Finanzminister John McDonnell hat bereits angekündigt, im Fall eines Sieges bei den nächsten Unterhauswahlen die großen Privatisierungen der letzten vierzig Jahre, darunter bei der Eisenbahn, Post und Wasserversorgung, unter die Lupe zu nehmen und wo nötig, diese Bereich wieder zu verstaatlichen. Ein solches Reformvorhaben verstieße gegen die Maßgaben der EU, wonach sich der Staat weitgehend aus der Wirtschaft heraushalten und sie den Großkonzernen überlassen soll.

In Irland ist es in den letzten Jahren zu massiven Protesten gegen die Einführung von Wassergebühren gekommen. Im allgemein gilt die Gründung des nationalen Versorgungsunternehmens Irish Water als wichtiger Schritt in Richtung eventueller Privatisierung der Wasserversorgung - und das um so mehr, je häufiger die Regierung in Dublin eine solche Absicht bestreitet. Dieses Großprojekt, das von einer großen Mehrheit der irischen Bevölkerung abgelehnt wird, steht im Zusammenhang mit den erklärten Plänen der EU, die öffentlichen Versorgungsunternehmen in ganz Europa der öffentlichen Hand zu entreißen und sie privaten Unternehmen zu überantworten - angeblich weil dies wirtschaftlich effektiver sei, was natürlich Quatsch ist.

SB: In Deutschland hat es in den letzten Jahren eine ganze Welle der Rekommunalisierung von Wasserversorgungsunternehmen gegeben.

EO'M: Das hat man in Irland auch mitbekommen und es hat die Proteste gegen die Einführung von Wassergebühren beflügelt. Ich denke, daß Jeremy Corbyn in Großbritannien den Brexit deshalb nicht rückgängig zu machen versucht, weil er hofft, irgendwann als Premierminister außerhalb der EU einen ausgewogeneren und gerechteren Kurs in der Sozial- und Wirtschaftspolitik verfolgen zu können. Wenn das sein Kalkül ist, kann ich es nachvollziehen. Als Nicht-Mitgliedsland der Eurozone können die Briten bereits jetzt die Höhe ihres Haushaltsdefizits selbst bestimmen. Die Länder in der Eurozone müssen sich dagegen an die strikten Vorgaben des Europäischen Fiskalpakts halten, was nicht immer zum Vorteil für den einen oder anderen Staat ist.

Die EU-Kommission und die Europäische Zentralbank waren neben dem Internationalen Währungsfonds als Mitgliedsinstitutionen der sogenannten Troika auch diejenigen, die Irland zwangen, die Schulden seiner Pleitebanken im vollen Umfang zu übernehmen mit dem Argument, sonst brächte das Bankensystem der EU, womöglich der Welt, zusammen. Die Kosten dieser Rettungsaktion für die Finanzjongleure und Risikoinvestoren - rund 80 Milliarden Euro - werden die irischen Steuerzahler lange abzutragen haben. Gleichzeitig verlangt die EZB die Einhaltung der Maastricht-Kriterien, was dem irischen Staat drastische Kürzungen seiner Ausgaben in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Soziales aufzwingt. Der einfache Mann auf der Straße mußte die Schulden der Zockermilliardäre übernehmen - das war die Lösung der EU für die Finanzkrise nicht nur in Irland, sondern ebenso in Spanien und Griechenland.

SB: Nach allen Medienberichten ist es der Vertreter der USA, Timothy Geithner, gewesen, der 2010 auf einem Treffen der G20-Finanzminister in Seoul sein Veto dagegen einlegte, daß die Anleihegläubiger der irischen Banken die Hälfte von deren Verlusten übernehmen sollten. Selbst der damalige britische Schatzmeister George Osborne, die EU-Kommission und der IWF sollen dieser Idee wohlwollend gegenübergestanden sein, konnten sich jedoch gegen die Regierung Barack Obamas und die EZB nicht durchsetzen.

EO'M: Stimmt. Alle Beteiligten wußten, daß es vollkommen ungerecht war, diese enormen Schulden dem irischen Steuerzahler aufzubürden, und dennoch wurde es gemacht. Da spielte das Wohlergehen Irlands und seiner Menschen plötzlich keine Rolle. Die Bilanzen der großen internationalen Geldinstitute gingen vor. Die irische Regierung wurde vor vollendete Tatsachen gestellt und mußte die ihr aufoktroyierten Bedingungen erfüllen - was sie auch bis heute brav tut.


Eoin O'Murchú wieder im Porträt - Foto: © 2018 by Schattenblick

Foto: © 2018 by Schattenblick

SB: Was meinen Sie, wie die Regierung Irlands die Brexit-Krise meistert? Macht sie ihre Sache gut? Vor Weihnachten kam es zu erheblichen Spannungen zwischen Dublin auf der einen Seite und der konservativen Regierung in London sowie die Führung der protestantischen Democratic Unionist Party (DUP) in Belfast auf der anderen. Was sagen Sie dazu?

EO'M: Es kommt natürlich auf die Erwartungen an. Die irische Regierung befindet sich in einer schwierigen Situation, das wissen alle. Nach allen Umfragen ist eine große Mehrheit der Iren mit der Art und Weise, wie die irische Regierung ihre diplomatischen Karten bislang ausgespielt hat, recht zufrieden. Sie hat sich weder von den Brexiteers in London noch durch Provokationen seitens der DUP ins Bockshorn jagen lassen, sondern ist sachlich und ruhig geblieben, während sie eisern an der eigenen Forderung, daß es zu keiner festen Grenze zwischen Nord- und Südirland kommen darf, festhält. Die irische Regierung hat Standhaftigkeit gegenüber Großbritannien und diplomatisches Geschick, indem sie alle anderen Noch-EU-Staaten zu einer solidarischen Haltung in der Grenzfrage bewegte, demonstriert. Die irischen Wähler sind von daher mit dem bisherigen Verlauf der Verhandlungen zufrieden - zu Recht, wie ich meine.

Die irische Regierung, allen voran Premierminister Leo Varadkar, dessen Vorgänger Enda Kenny, sowie Außenminister Simon Coveney, haben also ihre Sache bislang gut gemacht. Das Problem ist jedoch, daß die EU die Verhandlungen führt und wir erst am Ende herausfinden werden, ob die Interessen Irlands wirksam durchgesetzt oder vielleicht zugunsten anderer Akteure geopfert werden, wie wir es schon einmal während der Finanzkrise erlebt haben. Der Brexit stellt für die Wirtschaft keines anderen Landes eine derartige Bedrohung dar wie für die irische, doch die Iren haben die Verhandlungen darüber nicht selbst in der Hand, sondern müssen sie anderen überlassen. Das ist die Schwierigkeit, die ich in der aktuellen Konstellation sehe.

SB: Als Folge des Brexits ist in Irland die "nationale Frage", das heißt die Wiedervereinigung von Nord und Süd, zum ersten Mal seit längerem wieder in aller Munde. Was glauben Sie: Ist das nur eine kurzfristige Erscheinung oder vielmehr ein Indiz dafür, daß der Trend nach Überwindung der politischen Teilung der Insel inzwischen unaufhaltsam geworden ist?

EO'M: In diesem Zusammenhang ist die demographische Entwicklung entscheidend. Bereits jetzt ist absehbar, daß es in Nordirland innerhalb der nächsten 20 Jahren nicht mehr wie bisher eine protestantische Bevölkerungsmehrheit, sondern eine katholische geben wird. Nordirland wurde jedoch 1921 nach Aussage seines Gründers James Craig als "protestantischer Staat für ein protestantisches Volk" geschaffen. In wenigen Jahren gilt also die Existenzberechtigung Nordirlands und mit ihr die Begründung für die Teilung Irlands nicht mehr, denn, wie wir alle wissen, wählen die nordirischen Katholiken traditionell Parteien, die, wie Sinn Féin und die Social Democratic Labour Party, die Wiedervereinigung mit der Republik ganz oben im Programm stehen haben.

Vor diesem Hintergrund kann ich das Benehmen der unionistischen Politiker wirklich nicht verstehen. Es müßte ihr Anliegen sein, so viele Katholiken wie möglich für den Verbleib Nordirlands im Vereinigten Königreich zu gewinnen. Doch durch ihre Weigerung, auf die Forderungen von Sinn Féin nach Einführung der Ehe für alle sowie nach Gleichstellung der gälischen Sprache einzugehen, mögen sie zwar die eigene protestantische Wählerschaft befriedigen, langfristig erweisen sie jedoch ihrem eigentlichen Ziel, der Aufrechterhaltung der Union mit Großbritannien, einen Bärendienst, indem sie die katholische Bevölkerung verschrecken.

Darüber hinaus machen sich die Unionisten mit ihren reaktionären Ansichten in Großbritannien keine Freunde - wenn man von rechten Kreisen der regierenden Tory Party absieht, versteht sich. Gute Handelsbeziehungen mit der Republik Irland sind für die Briten inzwischen wichtiger als das Festhalten an sechs von 32 Grafschaften im irischen Nordosten. Dies erklärt die Bereitschaft Londons, über die Möglichkeit der Verlegung der künftigen staatlichen Grenzkontrollen - sollten sich diese am Ende der Brexit-Verhandlungen als erforderlich erweisen - an die Flug- und Seehäfen zu sprechen - ein Vorschlag, der im vergangenen Dezember die DUP-Führung in Rage versetzt hat. Seltsamerweise scheinen die DUP-Vertreter nicht verstanden zu haben, daß es die Wirtschaft Nordirlands wäre, die am meisten darunter zu leiden hätte, sollten erneut an der Landgrenze zur Republik Kontrollpunkte eingerichtet werden.

Der Brexit hat zwangsläufig die Frage der Teilung Irlands auf die politische Agenda gesetzt, und meines Erachtens wird sie erst von dort wieder verschwinden, wenn die Wiedervereinigung in die Wege geleitet bzw. vollendet worden ist. Die Brexit-Diskussion hat allen klargemacht, in welchem Ausmaß die Wirtschaft über die irische Grenze hinweg inzwischen verflochten ist. Nehmen wir allein den Sektor Milchwirtschaft: Die Bauernhöfe, Molkereibetriebe, Käse- und Butterfabriken, Vermarktungsgesellschaften et cetera sind irlandweit organisiert. Die bestehenden Produktionsketten auseinanderzureißen hätte verheerende ökonomische Folgen besonders in ländlichen Gebieten. Daran hat niemand Interesse - auch nicht unionistische Politiker, deren Wähler sie dazu drängen, dafür zu sorgen, daß alles beim alten bleibt.

Prominente Personen in Großbritannien mit wirtschaftlichem Sachverstand wie Mervyn King, der ehemalige Chef der englischen Zentralbank, und Vince Cable, der ehemalige Handelsminister in der Regierung David Camerons und heutige Vorsitzende und Fraktionschef der Liberaldemokraten im Unterhaus, haben sich deshalb ganz klar gegen die Einführung von Grenzkontrollen in Irland ausgesprochen, weil sonst Nordirland zu einer noch größeren Belastung für den britischen Haushalt als ohnehin würde. Natürlich gibt es in England eine lautstarke Gruppe, die den Untergang des British Empire nicht verwunden hat und vom "Global Britain", befreit von den Fesseln der EU, träumt. Colonel Blimps nennt man solche Leute abschätzig. Aber diese werden sich am Ende nicht durchsetzen. Die Gemäßigten bei den Konservativen, Corbyns Labour Party und die schottischen Nationalisten unter der Führung von Nicola Sturgeon werden dafür sorgen, daß am Ende ein sanfter Brexit dabei herauskommt. Davon bin ich überzeugt.

SB: In der Brexit-Frage verhält sich Sinn Féin recht opportunistisch. Bei den vielen Volksbefragungen in der Republik der letzten Jahre hat sie sich als euroskeptische Partei präsentiert, seit Großbritannien aus der EU will, findet sie jedoch an den Brüsseler Institutionen immer mehr Gefallen und verlangt, daß Nordirland unbedingt in Binnenmarkt und Zollunion bleiben soll, selbst wenn die Briten dies nicht wollen. Was sagen Sie dazu?

EO'M: Ich kenne viele Leute innerhalb von Sinn Féin, die von dem aktuellen Kurs der Partei in der EU-Politik nicht gerade begeistert sind, ihn jedoch als taktischen Schachzug begreifen. Die Briten haben sich selbst mit dem Brexit-Votum in große Schwierigkeiten gebracht, die es aus der Sicht Sinn Féins auszunutzen gilt. Man verfährt nach dem alten republikanischen Sprichwort: "England's difficulty is Ireland's opportunity". Gleichwohl gibt es einige Sinn-Féin-Politiker wie Michelle O'Neill und Declan Kearney, die es mit ihrem Lob auf die EU zu weit treiben. Die Führungsriege um den Noch-Parteipräsidenten Gerry Adams wird sicherlich in den kommenden Monaten differenziertere Akzente zu setzen wissen. Bezeichnend war die Rede von Adams im Dubliner Parlament Ende letzten Jahres anläßlich des Besuchs des EU-Brexit-Chefunterhändlers Barnier. Wenngleich sich Adams bei Barnier für die Unterstützung Brüssels im Grenzstreit bedankte, hat er doch gleichzeitig einige Punkte ganz klar genannt, wo die EU nach Ansicht von Sinn Féin reformbedürftig in Richtung größerer sozialer Gerechtigkeit ist.

Sinn Féin beobachtet die Unabhängigkeitsbestrebungen der Scottish National Party in Schottland ganz genau, denn bricht dessen Union mit England weg, stürzen gleichzeitig die wichtigsten Argumente gegen die Wiedervereinigung Irlands in sich zusammen. Aus eigenen Kontakten weiß ich, daß viele SNP-Wähler, die der EU gegenüber mißtrauisch sind, dennoch beim Brexit-Referendum für den Verbleib votiert haben, um Schottland in Gegenposition zu England zu bringen und die Unabhängigkeitsdebatte wieder entfachen.

Ich war vor kurzem im Süden der nordirischen Grafschaft Armagh, die einst wegen der Nähe zur Grenze als IRA-Hochburg und brandgefährliches Pflaster für die britische Armee galt, und habe dort mit Sinn-Féin-Mitgliedern gesprochen. Sie sind zu hundert Prozent gegen die Errichtung von Grenz- und Zollkontrollen. Insgesamt vertritt Sinn Féin die Linie, daß beide Teilen Irlands weiterhin denselben Status in bezug auf die EU und die restliche Welt haben sollen und daß auf der ganzen Insel die Einheitlichkeit der gesetzlichen Regeln beibehalten wird. Auch wenn viele Sinn-Féin-Mitglieder besonders in der Republik von den Lobliedern einiger ihrer Abgeordneten auf die EU nicht gerade begeistert sind, so wissen sie, daß dies nur eine vorübergehende Erscheinung ist, die aus taktischen Erwägungen resultiert.

SB: Sie haben kurz vor Weihnachten mit einem eigenen Zeitungsartikel bei Tuairisc.ie etwas kritisch kommentiert, das von den meisten irischen Medien weitgehend ignoriert bzw. in seiner Bedeutung nicht angemessen gewürdigt wurde. Wenige Tage nach der Einigung zwischen London, Dublin und Brüssel über die Aufnahme der nächsten Runde der Brexit-Verhandlungen votierte das Dáils (Unterhaus) für eine Beteiligung der Republik Irland an Pesco, nach Meinung der meisten Experten die Vorstufe zu einer europäischen Armee. Sie vertraten die Ansicht, es handele sich hier um eine Gegenleistung: Im Gegenzug für die Unterstützung im Brexit-Streit mit Großbritannien habe Irland seine Neutralität opfern müssen. Sehen Sie die Entwicklung wirklich so drastisch?

EO'M: Nun, die zeitliche Nähe ist frappant und verbannt die Annahme, es könnte sich um reinen Zufall handeln, ins Reich der Illusion. Ich habe vor einigen Tagen einen Zeitungskommentar gelesen, in dem der ehemalige Minister Barry Andrews von der Oppositonspartei Fianna Fáil behauptete, daß Pesco die Neutralität Irlands in keiner Weise kompromittiere. Offenbar hat Andrews ein anderes Verständnis von Neutralität als die Staatsrechtler weltweit. Die Teilnahme an einer multinationalen Streitmacht mit Truppen sowie bei der Planung von Einsätzen außerhalb Europas gegen Gefahren, welche ehemalige Kolonialmächte wie Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und Portugal definieren, widerspricht der traditionellen militärischen Neutralität Irlands vollkommen. Auch wenn Regierung und Opposition im irischen Parlament es nicht wahrhaben wollen, tragen sie durch die Beteiligung an Pesco Irlands Neutralität zu Grabe. Wer das Gegenteil behauptet, macht sich meiner Meinung nach selbst und anderen etwas vor.

Was die EU-Staaten im Rahmen der NATO bzw. unter eigener Regie durch ihre Involvierung in den Kriegen in Afghanistan, in Syrien und im Irak tun, ist nichts als der blanke Imperialismus. Sie mögen alle erdenklichen Begründungen anführen wie Bekämpfung von Terrorismus oder Stärkung der Demokratie, aber das ändert nichts an den Tatsachen. Sie greifen nicht zum Wohle der Menschen militärisch in andere Staaten ein, sondern weil sie strategische und wirtschaftliche Ziele verfolgen.

In Libyen haben die NATO-Mächte beispielsweise 2011 Proteste gegen Muammar Gaddhafi als Anlaß genutzt, das langjährige Regime zu stürzen. Das Ergebnis ist ein gescheiterter Staat am Mittelmeer, der seitdem ganz Nordafrika destabilisiert. In dem einst wohlhabendsten Land Afrikas herrschen heute Mord und Totschlag; marodierende Banden treiben ihr Unwesen; niemand ist sich seines Lebens sicher. An solchen Interventionen, auch nicht an den angeblichen Bemühungen der EU-Staaten, Nordafrika wieder zu stabilisieren, sollte sich Irland militärisch beteiligen. Denn die laufenden Interventionen - siehe Mali - tragen keineswegs zur Verbesserung der Lage für die einfachen Menschen bei, sondern verschlechtern sie. Mit der Durchsetzung von Menschenrechten hat das alles nichts zu tun. Macron, Schulz und ihresgleichen wollen innerhalb der EU Strukturen schaffen, die es den Europäern ermöglichen, auf Augenhöhe mit Amerikanern, Russen, Chinesen und anderen im weltweiten Kampf um Ressourcen konkurrieren zu können.

SB: Halten Sie die EU für reformierbar im progressiven Sinne oder sollte man sie gänzlich abschaffen?

EO'M: Theoretisch ist die EU reformierbar, aber praktisch ist jeder solche Ansatz vor vornherein zum Scheitern verurteilt. Um die EU grundsätzlich zu verändern, muß dies auf der Grundlage eines neuen Abkommens, das die bisherigen aushebelt, geschehen. Ich sehe keine Chance, daß Deutschland und Frankreich, die Hauptnutznießer der EU, einem solchen Vorhaben zustimmen würden. Und ohne die Unterstützung von Berlin und Paris wird es keinen Kurswechsel geben. Die gegenteilige Entwicklung läßt sich aktuell beobachten. Statt die EU zu reformieren, wollen Deutschland und Frankreich ihre Institutionen zu Lasten der Einzelstaaten weiter stärken. Die Deutschen preschen nicht so energisch wie Macron vor, weil sie natürlich befürchten, den größten Teil der entstehenden Kosten bezahlen zu müssen.

Das Feilschen zwischen Berlin und Paris sollte jedoch von der grundlegenden Übereinstimmung unter den politischen Eliten in Deutschland und Frankreich nicht ablenken, daß sie die Stärkung der EU weiter vorantreiben wollen. Wegen des Widerstands seitens der kleineren Staaten schlagen die europäischen Vordenker eine EU der zwei Geschwindigkeiten - mit Deutschland, Frankreich und den Benelux-Ländern als Kern und allen anderen Staaten an der Peripherie - vor. Dieses Modell könnte demnächst konkret zur Debatte stehen. Das wäre vielleicht für Irland die Chance, sich für ein Assoziierungsabkommen mit der EU nach Art Norwegens zu entscheiden. Dann könnte man umfassend mit der EU zusammenarbeiten und Handel treiben, ohne die Verantwortung für wichtige Elemente der staatlichen Hoheit an die europäischen Institutionen zu übertragen.

SB: Was wird Ihrer Einschätzung nach am Ende der Verhandlungen herauskommen, ein harter oder ein sanfter Brexit?

EO'M: Schwer zu sagen. Der Handel mit Großbritannien ist für deutsche Unternehmen enorm wichtig, für französische nicht so sehr. Großbritannien ist Deutschlands drittgrößter Handelspartner weltweit. Deshalb wollen die deutschen Industrieverbände keine Handelshemmnisse, keine Zollgebühren, keine Warenkontrollen et cetera. Doch bei der EU-Kommission möchte man den Briten keinen leichten Ausstieg aus der Europäischen Union ermöglichen, weil dies einen Nachahmereffekt haben könnte. Deshalb wird sich die Kommission gegen einen sanften Brexit sperren, obwohl er für Irland natürlich am günstigsten wäre. Meiner Meinung nach wäre langfristig der sanfte Brexit der bessere Weg - nicht nur für Großbritannien und Irland, sondern sogar für die EU. Denn auf diese Weise könnten die Länder Europas jeweils in dem Umfang zusammenarbeiten, der für sie am geeignetsten wäre.

SB: Danke sehr, Eoin O'Murchú, für dieses Interview.


Außenansicht der Kneipe Quinlan's - Foto: © 2018 by Schattenblick

Quinlan's Black Lion Pub im Herzen von Clondalkin
Foto: © 2018 by Schattenblick

3. Februar 2018


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