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AGRAR/1273: EU-Kommission will jetzt weniger staffeln (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 310 - April 2008
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

EU-Kommission will jetzt weniger staffeln
Weit geringere Staffelung der Direktzahlungen als noch im November vorgeschlagen. Kommission gibt Lobby der Großbetriebe nach.

Von Ulrich Jasper


Sowohl das Europäische Parlament als auch der EU-Rat der Agrarminister waren Mitte März gerade dabei, ihre Stellungnahme zu den ersten Vorschlägen der EU-Kommission zur Überarbeitung der EU-Agrarpolitik (Health Check) abzustimmen, da ließ die EU-Kommission schon neue Vorschläge durchsickern. Vor allem am Punkt Staffelung der Direktzahlungen weicht die Kommission darin erheblich von ihrem November-Papier ab.


Degression weg

Es fehlt nun eine gesonderte Staffelung (Degression) der Direktzahlungen. Im Papier vom November hieß es noch, dass Zahlungen oberhalb von 100.000 Euro um 10 %, oberhalb von 200.000 um 25 % und oberhalb von 300.000 Euro je Betrieb und Jahr um 45 % gekürzt werden sollten. Das Geld sollte voll im Mitgliedsland für spezifische landwirtschaftliche Programme den Betrieben zur Verfügung gestellt werden, und zwar ohne dass der Mitgliedstaat selbst auch Geld dazugeben muss - also ohne die bei der Modulation erforderliche nationale Kofinanzierung.

Diese Degression will die EU-Kommission nun doch nicht einführen. Damit gibt sie dem konzertierten Widerstand von deutscher Bundesregierung, ostdeutschen Landesregierungen und Deutschem Bauernverband (DBV) nach. Von der Degression wären laut Bundesministerium BMELV in Deutschland 5.700 Betriebe (1,5 % aller Betriebe) betroffen gewesen.

Die EU-Kommission hatte damals die Einführung der Staffelung u.a. damit begründet, dass "durch die Transparenzinitiative ... die Frage der Verteilung der Stützungszahlungen ... neue Bedeutung erlangt" habe und "erneut die Forderung nach einer Deckelung der Stützungszahlungen für die wenigen Großbetriebe laut wurde".


Nun gestaffelte Modulation

Diese Forderung will die EU-Kommission nun eben nicht mehr durch die Degression, sondern durch eine unterschiedlich starke Erhöhung der Modulation umsetzen. Im November-Vorschlag sollte die Modulation noch für alle Betriebe gleich angehoben werden: von heute 5 % (oberhalb des Freibetrages von 5.000 Euro/Betrieb) in vier Jahres-Schritten von je 2 %-Punkten auf 13 % im Jahr 2013. Nach dem neuen Vorschlag soll für Betriebe mit mehr als 100.000 Euro Direktzahlungen im Jahr die Modulation etwas stärker angehoben werden. Gleich im Jahr 2009 soll der Modulationssatz für Beträge oberhalb von 100.000 Euro um zusätzliche 3 % angehoben werden, oberhalb von 200.000 Euro um 6 % und oberhalb von 300.000 Euro je Betrieb und Jahr um 9 %. Damit beträgt die Staffelung nun nicht mehr 10, 25 bzw. 45 %, sondern 3, 6 und 9 %.

Während die 5.700 Betriebe mit mehr als 100.000 Euro Direktzahlung im Jahr in Deutschland bei der Degression laut BMELV 305 Mio. Euro hätten abgeben müssen, schrumpft dieser Betrag nun auf rund 65 Mio. Euro bei der verbliebenen kleinen Staffelung. Insgesamt würde sich in Deutschland die Modulationssumme durch die neuen Vorschläge gegenüber heute um rund 407 Mio. Euro auf rund 627 Mio. Euro erhöhen, bei einer gesamten EU-Zahlungssumme nach Deutschland von 5,6 Mrd. Euro (ergibt 11 %).

Das Geld, das durch die Anhebung der Modulation nun ganz im jeweiligen Mitgliedstaat verbleiben soll, will die EU-Kommission ausschließlich für Fördermaßnahmen in den vier Bereichen bereitstellen, die sie als die "neuen Herausforderungen" benennt: Klimaschutz, Wassermanagement, erneuerbare Energien und Biodiversität (Artenschutz).

Zudem will die EU-Kommission Mitgliedstaaten mehr Freiheiten geben, zusätzlich zur Modulation noch bis zu 10 % der Direktzahlungen einzubehalten, um damit besondere Fördermaßnahmen zu finanzieren. Dazu soll der Artikel 69 der heutigen EU-Verordnung verändert werden, damit Mittel aus einem Sektor (z. B. Ackerbau) in Zukunft auch in anderen Sektoren (z. B. Rinderhaltung) eingesetzt werden können. Dadurch will die EU-Kommission z. B. auch Begleitmaßnahmen eines Milchquoten-Ausstiegs finanzieren lassen. Ob diese Regelung angewendet wird, entscheidet aber allein der Mitgliedstaat.


Artikel 69

In Frankreich gibt es großen Druck vor allem der Rinderhalter in Bergregionen, diese Regelung anzuwenden. Sie begründen die Forderung auch damit, dass die stark gestiegenen Getreidepreise eine gewisse Kürzung in Ackerregionen rechtfertige, während die gestiegenen Preise für Ackerfrüchte bei den Tierhaltern zu höheren Futterkosten geführt hätten. In Deutschland lehnt der DBV die Anwendung dieser Regelung ebenso wie die Degression und die Erhöhung der Modulation kategorisch ab.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 310 - April 2008, S. 5
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Mai 2008