Schattenblick →INFOPOOL →EUROPOOL → WIRTSCHAFT

AGRAR/1474: Bäuerliche Arbeit als ein Maßstab der Zahlungen (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 347 - September 2011
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Bäuerliche Arbeit als ein Maßstab der Zahlungen
Zum Vorschlag der EU-Kommission zur Staffelung der Direktzahlungen fordert die AbL deutliche Nachbesserungen

von Ulrich Jasper


Voraussichtlich am 12. Oktober will die EU-Kommission ihre Gesetzesvorschläge zur Reform der EU-Agrarpolitik vorlegen. Einige erste Vorentwürfe sind durchgesickert. Aus der Obergrenze wird demnach nun eine Staffelung mit Obergrenze, wobei die vollen Lohnkosten kürzungsmindernd anrechenbar sein sollen. Dazu hat die AbL bereits mit einem Papier reagiert, aus dem wir hier Teile wiedergeben (S. 12). Zu den von der Kommission angedachten Greening-Vorgaben sowie weiteren Vorschlägen nimmt zudem der AbL-Vorsitzende Graefe zu Baringdorf im Interview Stellung (S. 13). Man darf gespannt sein, was genau die Kommission schließlich vorlegen wird.

Im Rahmen der bevorstehenden Reform der EU-Agrarpolitik für die Jahre 2014 bis 2020 schlägt die EU-Kommission vor, die Direktzahlungen pro Betrieb und Jahr in der Höhe nicht mehr unbegrenzt zu zahlen. In einem durchgesickerten Vorentwurf von Mitarbeitern der Kommission wird vorgeschlagen, die Basisprämien oberhalb von 150.000 Euro pro Betrieb progressiv zu kürzen und bei 300.000 Euro eine Obergrenze einzuziehen (s.u.). Allerdings sollen die Betriebe ihre vollen Lohnkosten von der Kürzung ausnehmen können. Bei der betroffenen Basisprämie ist der Prämienanteil von 30 Prozent, der für die Honorierung von neuen "Greening"-Anforderungen vorgesehen ist, nicht enthalten; dieser Prämienanteil soll ungestaffelt bleiben.


Entwurf der Staffelung

Der Entwurf sieht folgende Kürzungen der Basisprämie vor:

- 20 Prozent zwischen 150.000 und 200.000 Euro,

- 40 Prozent zwischen 200.000 und 250.000 Euro,

- 70 Prozent zwischen 250.000 und 300.000 Euro,

- 100 Prozent über 300.000 Euro (Obergrenze).

Betroffene Betriebe können die Kürzung vermindern, indem sie tatsächliche Lohnkosten nachweisen. Anrechenbar sind sämtliche Ausgaben vom Vorjahr für Löhne und Gehälter und Ausgaben für Sozialversicherungen und Lohnsteuern. Diese Lohnkosten werden vom Ausgangsbetrag der Basisprämie abgezogen, bevor die Kürzungen ansetzen.


Forderungen der AbL

Der AbL-Bundesvorstand begrüßt in einem Papier, dass die EU-Kommission offenbar eine Staffelung der Direktzahlungen und die Berücksichtigung des Faktors Arbeit vorschlagen will. Ungeachtet der Ausgestaltung des konkreten Vorschlags sei das ein wichtiger Schritt. Die Kommission greife damit eine langjährige Forderung der AbL im Grundsatz auf. In der konkreten Ausgestaltung sieht die AbL aber im Vorschlag der Kommission erhebliche Schwächen und fordert deutliche Nachbesserungen:

1. Die Staffelung setzt bei zu hohen Basisprämien ein. In Deutschland bleiben damit 99 Prozent aller Betriebe von der Staffelung unberührt, so dass in diesem Bereich die Anreize zum Abbau von Arbeitsplätzen ungemindert bestehen bleiben. Der AbL-Bundesvorstand schlägt vor, die Staffelung deutlich unter 100.000 Euro beginnen zu lassen und die Obergrenze bei mindestens 150.000 Euro einzuziehen.

2. Die von der Staffelung betroffenen Betriebe können 100 Prozent ihrer Lohnkosten kürzungsmindernd anrechnen. Oberhalb der Obergrenze führt das dazu, dass bei diesen Betrieben die gesamten Lohnkosten voll aus den Direktzahlungen bezahlt werden. Um Kürzungen zu vermeiden, wird es hier lukrativ, Arbeitskräfte einzustellen, ohne wirkliche marktfähige Wertschöpfungsbereiche aufzubauen. So würde die Regelung zu einer fragwürdigen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für einige wenige Großbetriebe. Das lehnt die AbL ab. Der AbL-Bundesvorstand schlägt vor, dass die von der Kürzung betroffenen Betriebe maximal SO Prozent ihrer sozialversicherungspflichtigen Lohnkosten kürzungsmindernd in Ansatz bringen können. Die Betriebe sollen ein wirtschaftliches Interesse bekommen, Betriebs-Zweige zu stärken oder zu eröffnen, die Wertschöpfung für den Betrieb und somit für den ländlichen Raum generieren.

3. Einen Arbeitskraftbezug sieht die Kommission bisher nur in Verbindung mit der Obergrenze vor, so dass für den Großteil der Betriebe - und für Länder mit einer kleinstrukturierten Landwirtschaft - keine Möglichkeit vorgesehen ist, arbeitsintensive Betriebszweige positiv in Ansatz zu bringen. Weil aber auch unterhalb der Kürzungs- und Obergrenzen die Direktzahlungen arbeitsintensive Betriebszweige benachteiligen, ist es in den unteren Prämienbereichen notwendig, den Arbeitseinsatz zu berücksichtigen. Der AbL-Bundesvorstand schlägt vor, dass den Mitgliedsstaaten und den Bundesländern das Recht eingeräumt wird, eine weitergehende Regelung mit dem Ziel zu erlassen, dass unterhalb der vorgesehenen Staffel- und Obergrenzen bei den Direktzahlungen die betrieblichen Arbeitskräfte bzw. der Arbeitszeitbedarf berücksichtigt werden können. Die AbL betont, dass die bäuerliche Arbeit wesentlich die Qualität der Landwirtschaft bestimmt. Nicht der Flächenbesitz ist ein Wert, der über die Direktzahlungen honoriert werden sollte, sondern die mit bäuerlicher Arbeit verbundenen gesellschaftlichen Leistungen. Das gilt natürlich für alle Betriebe.


Es geht

Die Arbeitskraft zu einem bestimmenden Faktor zu installieren ist verwaltungstechnisch sehr wohl durchführbar. Das zeigt die Umstellung der Beitragsgestaltung zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung, die von den deutschen Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften derzeit vollzogen wird. Die Berufsgenossenschaften berechnen die Beiträge, die die Betriebe zahlen müssen, nicht mehr nach Flächenumfang, sondern nach einem Arbeitszeitbedarf, der für jeden einzelnen Betrieb nach kalkulatorischen Sätzen für verschiedene Produktionsverfahren ermittelt wird (s. bauernstimme 7-8/2011, S. 4). Diese Umgestaltung der Beiträge führt dazu, dass Betriebe mit arbeitsintensiven Betriebszweigen, insbesondere mit Tierhaltung, höhere Beiträge zahlen müssen, während vor allem reine Ackerbaubetriebe entlastet werden. "Das folgt dem Interesse der maßgeblichen Bauernverbände in den selbstverwalteten Berufsgenossenschaften, dass arbeitsintensive Betriebe höhere Beiträge einzahlen sollen", so die AbL. Der eigentlich selbstverständliche Schluss, dann auch die Direktzahlungen nach denselben Kriterien auszuzahlen, werde jedoch von diesen Bauernverbänden strikt abgelehnt. Das erscheine auf den ersten Blick widersprüchlich, folge aber wiederum deren Interessenlage, die Rationalisierung in der Landwirtschaft mit allen Mitteln voranzutreiben.

Die Kommission widerspreche mit ihrem Vorschlag, die Begünstigung der Rationalisierung bei großen Zahlungssummen zu begrenzen, im Ansatz dieser Interessenslage. "Es ist folgerichtig, dieses auch in unteren Prämienbereichen zu vollziehen", so die AbL. Sie fordert die EU deshalb auf, den Mitgliedsstaaten und Bundesländern die Möglichkeit ausdrücklich einzuräumen.


Ein Beispiel

Ein rationalisierter Ackerbaubetrieb mit 2.000 ha kommt bei einer zukünftigen Basisprämie (70 Prozent) von ca. 220 Euro/ha auf eine Basisprämie von 440.000 Euro. Bei nur 5 Arbeitskräften und einem Arbeitgeber-Brutto von durchschnittlich 40.000 Euro/AK/Jahr hat der Betrieb Lohnkosten von 200.000 Euro. Es verbleibt ein kürzungsrelevanter Betrag von 240.000 Euro. Die Kürzung bezieht sich nur auf die Beträge über 150.000 Euro, also werden zwischen 150.000 und 200.000 Euro 20 Prozent abgezogen (- 10.000) und von den hier 40.000 Euro über 200.000 Euro 40 Prozent (- 16.000). Der Betrieb hat also die Wahl, entweder 26.000 Euro Kürzung zu akzeptieren oder vorsorglich eine Teilzeitkraft mehr einzustellen.


*


Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 347 - September 2011, S. 12
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/49 22 20, Fax: 02381/49 22 21
E-Mail: redaktion@bauernstimme.de
Internet: www.bauernstimme.de

Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,00 Euro
Abonnementpreis: 36,00 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. November 2011