Schattenblick →INFOPOOL →GEISTESWISSENSCHAFTEN → GESCHICHTE

BERICHT/206: Aktuelle Grabungsprojekte der Freiburger Archäologie (Freiburger Uni-Magazin)


Freiburger Uni-Magazin - 2/April 2009

Suche Sklave - biete Silber
Aktuelle Grabungsprojekte der Freiburger Archäologie in Polen, Italien und der Türkei

Von Stefanie Fehn


Viel reisen, oft wandern und hin und wieder ein bisschen buddeln: Die Archäologen haben mit so manchem Vorurteil zu kämpfen. Dabei stehen statt Erlebnisreisen regelmäßig Verwaltungsarbeiten und körperliche Fitness auf dem Programm. Als Belohnung für das "Schuften" tauchen des Öfteren unerwartete Funde auf, die die Archäologie der Freiburger Universität derzeit unter anderem an drei Grabungsstellen präsentiert.


*


Im polnischen Janów, in der Nähe von Elbing, forscht momentan Prof. Dr. Sebastian Brather von der Abteilung für Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie und Archäologie des Mittelalters der Universität Freiburg. Sein Team gräbt zusammen mit polnischen Wissenschaftlern einen Handelsplatz des 9. und 10. Jahrhunderts, der so genannten Wikingerzeit, aus. "Auf den Ort kam man durch eine Schriftquelle aus dem späten 9. Jahrhundert, in der von einem Ort namens Truso an der Weichselmündung die Rede ist," erklärt er. Aufgrund der Quelle suchte der Elbinger Archäologe Dr. Marek Jagodzinski 1982 auf Feldern am dortigen Drausensee nach Hinweisen auf diese Stätte. Gesucht - gefunden: Er spürte Münzen und Münzgewichte auf. Die Ausgrabung begann. Mittlerweile sind sich die Forscher sicher, dass die Händler im 11. Jahrhundert diesen Platz aufgegeben haben. Trotz der langen Zeit, die seitdem vergangen ist, konnte man der Form des Handelsplatzes durch geo-magnetische Untersuchungen näherkommen. Bei weiteren Grabungen kamen Webgewichte, Bernsteinschmuck und Glasperlen zutage. Auch Buntmetallschmuck, Eisengeräte und Kämme aus Geweih waren darunter. Interessant ist, dass dieselben Dinge auch an anderen Handelsplätzen produziert wurden. "Zudem zahlte man mit arabischen Silbermünzen, an denen wir Prägeort und Datierung ablesen können", sagt Brather. "Der Orient muss von der Ostsee etwas Wertvolles bezogen haben, wahrscheinlich Sklaven, und dies gegen jene Münzen." An den so genannten "Dirham" war für die nordeuropäischen Händler allerdings nur das Silber interessant. Die Münze selbst war als Zahlungsmittel wertlos. Spannend ist, dass die Archäologen in diesem Zusammenhang bereits mehr als 1.000 Münzen und Gewichte gefunden haben. "Es gab viel Silber dort, die Leute handelten frei nach dem Motto 'Hauptsache Silber'."


Vorburg, Turm und eine Küche freigelegt

Unter der Leitung von Holger Grönwald, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Ur- und Frühgeschichte, graben Freiburger Studierende in Zusammenarbeit mit dem Istituto per la Ricostruzione del Castello di Chucco-Zucco auf der Burg Cucagna im Nordosten Italiens. Die 2001 begonnene und seit 2007 von der Universität Freiburg durchgeführte Lehrgrabung im Friaul hat den Kernbestand der mittelalterlichen Burg mittlerweile archäologisch erschlossen und dessen Restaurierung ermöglicht. Die Burg, ab 1027 errichtet und bis Anfang des 16. Jh. bewohnt, wurde von Schwaben gegründet. Nicht allein deshalb ist sie unter architektonischen Aspekten Burgen nördlich der Alpen ähnlicher als denen in Mittelitalien. "Die Bedeutung solcher Burgen lag nicht allein bei Schutz- und Herrschaftsfunktionen, viel wichtiger waren wirtschaftliche Aspekte wie Wegezölle und Güterverwaltung", meint Holger Grönwald. Jüngst entdeckte das Grabungsteam im Außenbereich der Burg eine sehr große Vorburg, einen neuen Turm und eine Küche mit Backofen und Herd. "Alles in einem unerwarteten Ausmaß", erklärt der Ausgräber. "Die frühere Küche muss plötzlich aufgegeben worden sein, es lagen sogar noch die Backschaufeln griffbereit neben dem Herd." Diese Erkenntnisse konnten die Forscher nur gewinnen, indem sie körperliche Höchstleistungen erbrachten: Schutt und Steine beim täglichen Anstieg auf den Berg erforderten hohe Konzentration. Der Lohn für die Mühe sind neben den Entdeckungen außergewöhnliche Funde wie die so genannten Hentzen, Objekte "wie man sie eigentlich nur einmal im Leben findet!", sagt Holger Grönwald. Dabei handelt es sich um Blechpanzer ritterlicher Handschuhe, mit Messingnieten verziert und mit Herstellermarke versehen, die auf den Ursprungsort schließen lässt. Wegen der vielen überraschenden Funde organisiert das Forscherteam mit circa 28 Teilnehmern das Projekt neu. "Nun müssen wir vorarbeiten, um die weitere Finanzierung zu erstellen."


Einer der grössten Prachtbrunnen Kleinasiens

Prof. Dr. Ralf von den Hoff ist Direktor der Klassischen Archäologie an der Universität Freiburg. Seit 2008 leitet er eine Grabung des Deutschen Archäologischen Instituts in Aizanoi. "Aizanoi ist der antike Name für Çavarhisar, was soviel heißt wie Burg der Çavdaren, ein lokaler Turkmenenstamm des Mittelalters", erklärt von den Hoff. Die ursprünglich griechisch-römische Stadt liegt in Zentralanatolien, circa 50 Kilometer südwestlich der Provinzstadt Küthaya. Die Grabungen laufen bereits seit 1970, damals war ein Erdbeben Anlass, die Bewohner umzusiedeln und archäologische Untersuchungen zu starten. Den zentralen Punkt der Grabung bilden die Stadtanlage und der antike Tempel: "Er ist der am besten erhaltene der Türkei", sagt der Wissenschaftler. Eine wesentliche Aufgabe der Archäologen vor Ort ist das Restaurieren und die Denkmalpflege. Mittlerweile können Touristen den Tempel und eine 1995 restaurierte Säulenstraße wie ein Museum besichtigen. "Als Grabungsleiter hat man oft mehr mit Finanzierungs- und Infrastrukturfragen als mit der Wissenschaft an sich zu tun", meint von den Hoff. Abgesehen von dem Tempel besteht die Stadt aus sehr vielen antiken Gebäuden.

Lange Zeit lebten die Griechen in dieser Gegend. Ein Ziel der Grabung ist herauszufinden, wie diese sich an die Umwelt anpassten und wie der Kulturkontakt verlief. "Das ist deshalb so interessant, da hierzu für diese Region fast keine Texte existieren", sagt von den Hoff. Bei dem Projekt gilt sein Interesse besonders der Zeit des Hellenismus, von 330 bis zum 1. Jahrhundert v. Chr. Dabei hat das Forscherteam herausgefunden, dass die Bewohner Aizanois bis ins 2. Jahrhundert v. Chr. enge Kontakte nach Pergamon pflegten.


Kulturkontakt mit Griechen

Zudem ist das Grabungsteam, das unter anderem aus Freiburger Archäologie-Studierende besteht, auf eine große Brunnenanlage aus dem frühen 1. Jhd. n. Chr. gestoßen. "Dabei handelt es sich um einen der größten Prachtbrunnen in Kleinasien!", erläutert von den Hoff. Der Brunnen zeigt, dass die Bewohner bereits damals eine funktionierende Wasserversorgung besaßen. Von den Hoffs Projekt ist vorerst auf zehn Jahre angelegt. "Die Grabungsziele, beispielsweise die zu untersuchende Zeitspanne, ändern sich mit neuen Fragestellungen, daher gibt nur ein solch langfristiges Projekt intensiver Forschung ausreichend Raum", erläutert Prof. von den Hoff. Wie es dann weitergeht, entscheiden die Finanzierung, die Forschungsfrage und natürlich die historisch bedeutsamen Funde und Befunde, die nur selten "Schatzfunde" sind.


*


Quelle:
Freiburger Uni-Magazin Nr. 2/April 2009, Seite 13-14
Herausgeber: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg,
der Rektor, Prof. Dr. Hans-Jochen Schiewer
Redaktion: Eva Opitz (verantwortlich)
Kommunikation und Presse
Fahnenbergplatz, 79098 Freiburg,
Tel.: 0761/203-4301, Fax: 0761/203-4278
E-Mail: eva.opitz@pr.uni-freiburg.de

Freiburger Uni-Magazin erscheint sechsmal jährlich.
Jahresabonnement 13,00 Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juni 2009