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BUCHTIP/236: Den Holocaust beschreiben (idw)


Friedrich-Schiller-Universität Jena - 18.09.2007

Den Holocaust beschreiben

Buch des Friedenspreisträgers Saul Friedländer ist der zweite Band des "Jena Center Geschichte des 20. Jahrhunderts" der Universität Jena


Jena (18.09.07) In seinem neuen Buch "Den Holocaust beschreiben. Auf dem Weg zu einer integrierten Geschichte" thematisiert der renommierte Historiker und Friedenspreisträger Saul Friedländer wissenschaftliche Perspektiven sowie persönliche Motive seiner Arbeit. Der soeben im Wallstein-Verlag erschienene Band geht auf Friedländers Aufenthalt als erster Gastprofessor des "Jena Center Geschichte des 20. Jahrhunderts" der Friedrich-Schiller-Universität im Wintersemester 2006/07 zurück.

Mit seinem vielfach preisgekrönten zweibändigem Werk "Das Dritte Reich und die Juden" (1998/2006) hat sich Saul Friedländer der wohl schwierigsten und bis dahin ungelösten Aufgabe in der Historiographie über die "Endlösung" gestellt: den Holocaust zu beschreiben, ohne die Erfahrung der Opfer auszublenden. Den Verfolgten ihre Gesichter, ihre Individualität und Identität zurückzugeben, ihre Würde wiederherzustellen, indem ihre Überlegungen und Hoffnungen, ihre Gefühle, Enttäuschungen und Selbsttäuschungen ernst genommen werden. Von dieser Aufgabe handelt auch der nun vorliegende Band "Den Holocaust beschreiben". Im Mittelpunkt stehen Quellen, Methodik und Probleme der Forschung - und die großen Fragen: Welche Bedeutung hatten Hitlers Initiativen und seine Ideologie? Was wussten die Deutschen? Wie reagierten die Opfer?

Der im Buch dokumentierte Vortrag, den Saul Friedländer im Wintersemester 2006/07 in der Aula der Friedrich-Schiller-Universität hielt, sowie die weiteren Aufsätze und Gespräche verdeutlichen seine erkenntnistheoretische Position: Jenseits aller notwendigen historiographischen Professionalität kann es nicht darum gehen, das "anfängliche Gefühl der Fassungslosigkeit völlig zu beseitigen oder einzuhegen", das den Historiker wie jeden befällt, der sich dem Thema aussetzt - und sei er selbst ein Überlebender des Holocaust.

Saul Friedländer, 1932 als Kind deutschsprachiger Juden in Prag geboren, überlebte in Frankreich, wohin seine Eltern mit ihm 1939 vor den deutschen Besatzern geflohen waren. Als Paul-Henri Ferland war er in einem katholischen Internat versteckt, während sein Vater und seine Mutter - nach einem gescheiterten Fluchtversuch in die Schweiz - deportiert und ermordet wurden. Das lebensgeschichtliche Gespräch im dritten Abschnitt des neuen Bandes greift wichtige Fragen auf, die mit diesen Kindheitserfahrungen verbunden sind.

Friedländer studierte zunächst in Tel Aviv, Paris und Genf, wo er ab 1964 am Institut universitaire de hautes études internationales unterrichtete. Von 1976 an war er zugleich Professor für Geschichte an der Universität Tel Aviv. 1987 folgte er einem Ruf an die University of California in Los Angeles, wo er noch heute lehrt. Im Wintersemester 2006/07 war Saul Friedländer der erste Gastprofessor am "Jena Center Geschichte des 20. Jahrhunderts" der Jenaer Universität.

Zu seinen zahlreichen Ehrungen und akademischen Auszeichnungen gehören der Israel-Preis (1988) und die MacArthur Fellowship (1999). Der Stiftungsrat des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels hat Friedländer zum diesjährigen Träger des Friedenspreises gewählt. Die Verleihung findet am Sonntag, 14. Oktober 2007, in der Frankfurter Paulskirche statt.

Saul Friedländer:
Den Holocaust beschreiben.
Auf dem Weg zu einer integrierten Geschichte
(Jena Center Geschichte des 20. Jahrhunderts,
Vorträge und Kolloquien, Band 2)
Wallstein-Verlag Göttingen 2007,
15,00 EUR, ISBN-10: 3-8353-0185-3

Weitere Informationen unter:
http://www.jenacenter.uni-jena.de
http://www.uni-jena.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution23


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Dr. Ute Schönfelder, 18.09.2007
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. September 2007