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BUCHTIP/251: Europa ist eine kulturelle Konstruktion (idw)


Friedrich-Schiller-Universität Jena - 14.05.2008

Europa ist eine kulturelle Konstruktion

Neuer Band über Europas Mitte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena präsentiert


Jena (14.05.08) Was ist Europa und wo endet es? Diese Fragen sind im Lauf der letzten Jahrhunderte immer wieder anders beantwortet worden. Selbst heute - im Zeitalter der Europäischen Union (EU) - gibt es keine eindeutigen Definitionen.

Dennoch lohnt es sich, immer wieder neu zu fragen und nach aktuellen Standpunkten zu suchen. Dieser Herausforderung stellte sich im Oktober 2006 die Tagung "Europas Mitte - Mitte Europas. Europa als kulturelle Konstruktion". Organisiert hatten sie die Volkskundlerinnen Prof. Dr. Christel Köhle-Hezinger und Dr. Kathrin Pöge-Alder von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Zu welchen Antworten die vertretenen Wissenschaftler aus ganz Europa gekommen sind, das zeigt die gleichnamige Publikation, die gerade erschienen ist. Erstmals ist der Band am Mittwoch (14.05.) vom Jenaer Universitäts-Rektor Prof. Dr. Klaus Dicke während der Tagung der Coimbra Group in Jena präsentiert worden.

Dieser Termin ist nicht zufällig gewählt, war doch die Arbeitsgruppe "Kultur, Künste und Geisteswissenschaften" (Task Force "Culture, Arts and Humanities") der Coimbra Group gemeinsam mit dem Collegium Europaeum Jenense wesentlicher Teil der Tagung. Die Wissenschaftler aus verschiedenen Fachgebieten konnten sich trotz unterschiedlicher Auffassungen, wie die Publikation deutlich macht, auf einen Punkt einigen: Europa mit seinen 'Mitten' und seinen Grenzen zeigt sich als kulturelle Konstruktion, die historisch wächst, funktionalisiert und instrumentalisiert und immer wieder neu definiert wird. "Mit diesem Blick auf Europa treten Konturen hervor, die für Stabilität sorgen, zeigen sich Fragen, die immer wieder gestellt werden, um eine jeweilige Antwort zu erhalten", erläutert Pöge-Alder. "Es zeigt sich Vertrautes und Fremdes." Damit bestätigt sich aus der Sicht der Geowissenschaften ein Befund der Tagung: West- und Mitteleuropa sind kein erdhistorischer Kern Europas. Die europäische Eigenständigkeit sowie ihre Bestimmung von Zentrum, Mitte und Peripherie sind historisch und kulturell begründet. Politische, wirtschaftliche sowie rechtliche Zuschreibungen kommen hinzu.

Die Referentinnen und Referenten stützen ihren geographischen Blick mit literarischen, philosophischen, kultur- und sprachwissenschaftlichen sowie historischen Verortungen. Der Band beschreibt sowohl Aspekte, wie die Mitte und die Peripherie in der kulturellen Konstruktion 'Europa', aber auch Mitteldeutschlands und Thüringens volkskundlich erforscht worden sind. Es geht weiterhin um Identitätsbeschreibung, aber auch die Angst vor Europa. Thematisiert werden Konflikte Südosteuropas bei der Ankunft in Europa sowie Wünsche und Gefühle Russisch sprechender Migranten in Deutschland.

Bereits diese Themenübersicht offenbart, dass der Band versucht, inhomogene Beiträge in der Art eines Kaleidoskops zu präsentieren. Auch die 'Mitte' ist unterschiedlich lokalisiert, motivierend und wertend dargestellt worden. Allen Beiträgen gemeinsam ist das Bestreben, einen Weg der Verständigung zu suchen, ohne die vielseitigen kulturellen Zeugnisse zu negieren. Bei der Lektüre zeigt sich, dass Erzählen und Zuhören Netzwerke zwischen Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund bauen und erhalten kann. Sprache und Sprechen werden zu einem konstituierenden Element von Europa.

Kathrin Pöge-Alder, Christel Köhle-Hezinger (Hg.):
Europas Mitte - Mitte Europas. Europa als kulturelle Konstruktion.
Kolloquium im Alten Schloss Dornburg des Lehrstuhls für Volkskunde der Friedrich-Schiller- Universität Jena, des Collegium Europaeum Jenese und der COIMBRA-Group Task Force "Culture, Arts and Humanities".
Jena 2008 (= Schriftenreihe des Collegium Europaeum Jenense, Band Nr. 36),
Preis 19,80 Euro, ISBN 978-3-933159-14-8

Weitere Informationen unter:
http://www.uni-jena.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution23


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Axel Burchardt, 14.05.2008
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Mai 2008