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MELDUNG/102: Universität Würzburg - Forschung an Zauberern und Bürokraten (idw)


Julius-Maximilians-Universität Würzburg - 20.09.2011

Forschung an Zauberern und Bürokraten


Daniel Schwemer ist neuer Professor für Altorientalistik an der Universität Würzburg. Schwarze Magie bildet einen Schwerpunkt seiner Forschung. Schwemer arbeitet unter anderem mit in Keilschrift verfassten Texten, in denen es um die Diagnose und Therapie von durch Schadenzauber verursachten Leiden geht.

Schwarze Magie oder sogenannter Schadenzauber gilt in vielen Gesellschaften als Auslöser von Krankheiten. Zauberer und Hexen sollen für die Leiden ihrer vermeintlichen Opfer verantwortlich sein. Der Glauben an Schwarze Magie findet sich heute vor allem in Afrika und der Karibik; er war im Alten Orient jedoch überall selbstverständlich.

Woran man erkennt, ob eine Behexung vorliegt, und mit welchen Mitteln der Patient geheilt werden kann: Darüber gibt es zahlreiche schriftliche Zeugnisse aus dieser Zeit. Mit solchen Texten beschäftigt sich Daniel Schwemer. Schwemer ist seit dem 1. September Professor für Altorientalistik an der Universität Würzburg. Sein Interesse gilt Texten, die vor 2- bis 4000 Jahren in Mesopotamien, in etwa das heutige Gebiet des Iraks, in Keilschrift geschrieben wurden.


Mesopotamische Beschwörungskunst

"Vor allem zahlreiche Ritualvorschriften, Beschwörungen und Heilmittelvorschriften informieren über Anschauungen und Praxis der mesopotamischen Heilkunde und Beschwörungskunst", sagt Schwemer. Diese Texte stammen vor allem aus Tontafelsammlungen des 1. und 2. Jahrtausends vor Christi Geburt aus dem Gebiet Babyloniens und Assyriens. Geschrieben sind sie in Keilschrift, verfasst in akkadischer, zum Teil auch sumerischer Sprache.

Im Rahmen des Forschungsprojekts "Corpus of Mesopotamian Anti-witchcraft Rituals" will Schwemer eine umfassende kritische Edition einschließlich Übersetzung und Kommentar dieser Textgruppe erarbeiten. Diese wird "für die Religions-, Medizin-, Sozial- und Geistesgeschichte des Alten Orients von zentraler Bedeutung" sein, so der Altorientalist. Die Leitung des Projekts hat Schwemer gemeinsam mit Professor Tzvi Abusch von der Brandeis University, Waltham/ Massachusetts (USA).


Die Texte der Hethiter

Mit Texten der Hethiter befasst sich Schwemer in seinem zweiten Forschungsschwerpunkt. Die Hethiter, die die älteste uns bezeugte indogermanische Sprache sprachen, wanderten im 3. Jahrtausend vor Christus nach Anatolien ein. Dort entstand das Hethiterreich, zu dem bis etwa 1200 vor Christi Geburt weite Teile Anatoliens und zeitweise auch die nördliche Hälfte des heutigen Syriens gehörten.

"Ich werde ein Großprojekt zur Edition und umfassenden Erschließung der größten hethitischen Textgruppe vorbereiten", sagt Schwemer. Dabei handelt es sich um Ritualvorschriften und Verwaltungstexte, die von der hethitischen Bürokratie in großer Zahl erstellt wurden. Sie sollten die korrekte, den Göttern gefällige Durchführung des Kults in den Heiligtümern des Landes sicherstellen.

"Die Texte geben wertvolle Auskunft über die Organisation des hethitischen Staates und seiner Verwaltung, über hethitische Kulttopographie, Tempelkult und Kultkalender und über die hethitische Königs- und Herrschaftsideologie", sagt Schwemer. Die Textgruppe biete ein frühes Beispiel dafür, wie eine Verwaltung ein konsequentes Qualitätssicherungsmanagement einführt, um bestimmte als "best practice" definierte Standards durchzusetzen.


Zur Person

Daniel Schwemer (geboren 1970) hat von 1991 bis 1996 an den Universitäten Würzburg, Tübingen und Heidelberg Altorientalistik und Theologie studiert. Mit einer Arbeit über die Wettergottgestalten Mesopotamiens und Nordsyriens im Zeitalter der Keilschriftkulturen wurde er im Jahr 2000 an der Uni Würzburg promoviert. Ebenfalls in Würzburg legte er 2005 seine Habilitation vor: Schadenzauber in Mesopotamien. Quellen und Studien.

Nach Stationen als Wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Altorientalistik der Uni Würzburg und einer Vertretungsprofessur an der Universität Heidelberg wechselte Schwemer Ende 2005 an die School of Oriental & African Studies, London. Dort ist er auch weiterhin Research Associate.

Die Alfried-Krupp-von-Bohlen-und-Halbach-Stiftung fördert die Professur für drei Jahre.

Schwemers Rückkehr nach Würzburg hat die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung im Rahmen ihres Programms "Rückkehr deutscher Wissenschaftler aus dem Ausland" mit einer Summe von 100.000 Euro gefördert. Die Mittel werden vor allem der Bibliothek und den am Lehrstuhl betriebenen Forschungsprojekten zugutekommen. Sie sollen aber auch in Hinsicht auf die geplante strategische Neuausrichtung der Würzburger Altorientalistik mit einer stärkeren Integration der Vorderasiatischen Archäologie in Forschung und Lehre eingesetzt werden. Diese Neuausrichtung werde zu einer noch besseren Verzahnung zwischen den Disziplinen des Instituts für Altertumswissenschaften beitragen, so Schwemer.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution99


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Gunnar Bartsch, 20.09.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. September 2011