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MEMORIAL/103: Vor 165 Jahren - Friedrich Engels in den Kämpfen der Revolutionsarmee (Gerhard Feldbauer)


Vor 165 Jahren

Friedrich Engels in den Kämpfen der Badisch-Pfälzischen Revolutionsarmee

von Gerhard Feldbauer, 17. Mai 2014



"Zum Militär war er übrigens wie geschaffen: Helles Auge; rascher Überblick, rasches wägen auch der kleinsten Umstände, rascher Entschluss und unerschütterliche Kaltblütigkeit." So schätzte Wilhelm Liebknecht Friedrich Engels ein, der als Stabschef und Adjutant im Freikorps von Oberst August Willich, dem besten Truppenteil der Badisch-Pfälzischen Revolutionsarmee, diese Eigenschaften glänzend bewies ("Mohr und General. Erinnerungen an Marx und Engels", Berlin (DDR) 1964).


Letzte Chance der deutschen Revolution

Im Frühjahr 1849 hatte die im März des Vorjahres begonnene deutsche Revolution eine letzte Erfolgschance. Während Aufstände in Dresden, Breslau und im Rheinland Niederlagen erlitten, war die im Mai in Baden und der Pfalz ausgebrochene Erhebung zunächst erfolgreich. Fast die gesamte badische Armee und die pfälzischen Soldaten schlossen sich den Aufständischen an. Zum ersten Mal entstand eine Revolutionsarmee. Da die Volksmassen noch eindeutig zur Seite der Revolution neigten, bestand die Möglichkeit, den Erfolg über die Landesgrenzen zu tragen. Obwohl sich im Juni die günstigen internationalen Bedingungen durch die Niederlage der demokratischen Kräfte in Paris, den Stillstand der Revolution in Ungarn und die italienischen Rückschläge in Rom und Piemont verschlechterten, war die folgende Niederlage in Baden keineswegs unausweichlich. Um die Revolution voranzutreiben, hätte es vor allem der militärischen Offensive bedurft.


Appell an die Nationalversammlung

Nachdem am 19. Mai die letzte Ausgabe der "Neuen Rheinischen Zeitung", die Karl Marx als Chefredakteur leitete, erschienen war, brachen Marx und Engels nach Südwestdeutschland auf, um die Forderungen des radikaldemokratischen Flügels der Bewegung zu vertreten. In Frankfurt appellierten sie an die demokratischen Abgeordneten der Nationalversammlung, dass es für das Parlament nur einen Weg zur Verteidigung der Revolution und seiner eigenen Existenz geben konnte: die Revolutionsarmee nach Frankfurt zu rufen und an die Spitze des Aufstandes zu treten. Sie fanden kein Gehör. Sie reisten weiter durch Hessen, wo Preußen bereits ein Armeekorps zur Niederschlagung des Aufstandes zusammenzog, und führten in Mannheim, Karlsruhe und Ludwigshafen mit demselben Ziel Gespräche mit den Vertretern der kleinbürgerlichen Demokraten. Auch hier ergebnislos, denn diese befanden sich bereits im Schlepptau der liberalen Bourgeoisie, die zur Konterrevolution überlief.


Adjutant im Korps von Oberst Willich

Während Marx nach Paris reiste, um dort die Situation zu analysieren, begab sich Engels zur Revolutionsarmee. Er lehnte einen Posten in der provisorischen Regierung ebenso wie im Oberkommando der Revolutionsarmee ab und nahm den Vorschlag von Oberst Willich an, Adjutant in seinem Korps zu werden. Die militärischen Kenntnisse, die Engels sich vorausschauend als Einjährig-Freiwilliger in der preußischen Garnison in Berlin angeeignet hatte, kamen nun der revolutionären Sache zugute. Er hatte sich für die Artillerie entschieden, die als technische Waffengattung einen bürgerlichen Zuschnitt besaß und von den Offizieren vielseitige mathematische und naturwissenschaftliche Kenntnisse verlangte. Sein militärisches Wissen hatte Engels bereits während seiner Teilnahme am Aufstand in Elberfeld nutzbringend angewandt. Auf seinen Vorschlag hin hatte die Militärkommission den ehemaligen preußischen Artillerieoffizier Otto von Mirbach, der sich der Revolution angeschlossen hatte, zum Oberkommandanten der Stadt eingesetzt, dessen Adjutant er dann wurde.

Als Adjutant im Korps von Willich übernahm Engels gleichzeitig die Aufgaben des Stabschefs. Er kümmerte sich sofort um die Gefechtsausbildung. In Karlsruhe führte er eine Sturmübung durch, mit der auch den konterrevolutionären Ambitionen der schwankenden Kleinbürger ein Dämpfer versetzt wurde. Zusammen mit Engels kämpften in der Revolutionsarmee weitere Mitglieder des Bundes der Kommunisten, unter ihnen Wilhelm Liebknecht, der Chef der badischen Volkswehr, Johann Philipp Becker, Joseph Moll, der als Kanonier der Besanconer Arbeiterkompanie in der Schlacht an der Murg fiel, sowie die Setzer und Arbeiter der verbotenen "Neuen Rheinischen Zeitung". "Die entschiedensten Kommunisten waren die couragiertesten Soldaten", vermerkte Engels.


Immer in vorderster Linie

In mehreren Gefechten und in der Schlacht bei Rastatt stand Engels immer in vorderster Linie und führte dabei auch das Kommando über Einheiten. In ihren "Memoiren einer Frau aus dem Badisch-Pfälzischen Feldzug" (Neuauflage unter dem Titel "Mutterland", München 1982) schrieb die Revolutionsteilnehmerin Franziska Anneke, Engels habe in einem Gefecht bei Rinntal als Kommandeur eines Seitendetachements mehrere Stunden zeitweise im dichtesten Feuer gestanden. "Sein Eifer und sein Mut wurden von seinen Kampfgenossen ungemein lobend hervorgehoben." Franziskas Mann, Fritz Anneke, kommandierte als Oberst die pfälzische Artillerie. Die tapfere Frau selbst war bei ihm Ordonanzoffizier und Kurierreiterin.

Nachdem die konterrevolutionäre Bourgeoisie eine Offensive der Revolutionstruppen verhindert hatte, stellten diese sich in mutigen Gefechten der in Baden einfallenden 60.000 Mann starken preußischen Interventionsarmee entgegen. Nach erfolgreichen Kämpfen traten die Hauptkräfte am Neckar entlang nach Süden den Rückzug an, den Becker mit seiner Volkswehrdivision deckte. Willichs Korps bildete die Nachhut der gesamten Revolutionsarmee bis Rastatt und zur Murg. Als militärischer Führer bewies Engels hier auch die Fähigkeit, in schwierigen Situationen nicht die Übersicht zu verlieren, von Panik ergriffene Soldaten aufzuhalten, zu ordnen und wieder ins Gefecht zu führen.


Erbitterte Schlacht bei Rastatt an der Murg

An der Murg stellten sich am 28. und 29. Juni 1849 unterhalb der Festung Rastatt dann noch 13.000 Mann 40.000 Preußen zur letzten erbitterten Schlacht. Gestützt auf die weitreichende Festungsartillerie konnten sie diese lange Zeit trotz der zahlenmäßigen Unterlegenheit für sich entscheiden. Einen Brennpunkt bildete Bischweier, wo das erste Armeekorps der Preußen angriff. Engels, der sich sofort in die vorderste Linie begab, schilderte einige Wochen später in "Die deutsche Reichsverfassungskampagne" (Marx-Engels Werke, DDR-Ausgabe, Bd. 7) die Ereignisse: "Unsere Tirailleure wurden von einem heftigen Feuer empfangen. Es waren preußische Schützen, die ihnen gegenüberstanden, und unsere Arbeiter hatten den Spitzkugelbüchsen (Vorderladern) nur Musketen gegenüberzustellen. Sie gingen aber, unterstützt von dem rechten Flügel unserer Schützen, der zu ihnen stieß, so entschlossen vor, dass die kurze Entfernung sehr bald, namentlich auf dem rechten Flügel, die schlechte Qualität der Waffe ausglich und die Preußen geworfen wurden." Trotz ihrer kolossalen Überlegenheit wagten die Preußen "keinen ernstlichen Frontalangriff, sondern schlugen uns durch feigen Verrat, indem sie das neutrale, uns verschlossene württembergische Gebiet verletzten". Durch dieses von der Regierung in Stuttgart zugelassene Manöver konnten die Preußen den rechten Flügel General Ludwik Mieroslawskis (polnischer Befehlshaber der Revolutionsarmee) zerschlagen. Während sich ein Teil der Truppen nach der Niederlage in die Festung Rastatt begab, zogen sich etwa 7.000 Mann nach Süden zurück. Mit einer Nachhut des Freikorps Willich deckte Engels den Rückzug, der am 12. Juli bei Lottstetten mit dem Übertritt in die Schweiz endete.


General von der Gröben kannte keine Gnade

Um die Zivilbevölkerung nicht den Verlusten des Artilleriebeschusses auszusetzen, kapitulierte Rastatt am 23. Juli 1849. Obwohl die Revolutionstruppen gefangene preußische Soldaten und Offiziere human behandelt und noch vor der Kapitulation ohne Gegenleistung freigelassen hatten, ließ der preußische Befehlshaber, General Graf von der Gröben, keine Gnade walten und den Festungskommandanten Oberst Tiedemann und 27 seiner Offziere umgehend standrechtlich erschießen.


Experten meinten, Engels anonyme Militärschriften stammten von hohen Militärs

Militärwissenschaftliche Studien bildeten nach 1848/49 einen festen Bestandteil der Forschungen von Engels. Unter Freunden wurde er in London "General" genannt. "Und wenn es bei seinen Lebzeiten noch einmal zu einer Revolution im alten romantischen Stil gekommen wäre, hätten wir in Engels unseren Carnot und Moltke gehabt, den Organisator der Armeen und Siege und den Schlachtenlenker", schrieb Wilhelm Liebknecht und fuhr fort: "Er hat ja später auch verschiedene sehr tüchtige Militärschriften verfasst und sich - allerdings inkognito - die Anerkennung von Fachmilitärs ersten Ranges erworben, die keine Ahnung davon hatten, dass der namenlose Broschürenschreiber einen der anrüchigsten Rebellennamen trug und ein plebejischer Fabrikantensohn aus Barmen war." So wurden zum Beispiel die Analysen, die Engels in der "Neuen Rheinischen Zeitung" über den revolutionären Krieg in Ungarn veröffentlichte und die sich als richtig erwiesen, einem hohen Militär in der ungarischen Armee zugeschrieben.

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Quelle:
© 2014 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Mai 2014