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MEMORIAL/149: Juli 1976 - Bettino Craxi putschte sich an die Spitze der Sozialistischen Partei Italiens (Gerhard Feldbauer)


Vor 40 Jahren half die faschistische Putschloge P2 in der sogenannten Midas-Verschwörung Bettino Craxi, sich an die Spitze der PSI zu putschen

Von Gerhard Feldbauer, 13. Juli 2016


Die Sozialistische Partei Italiens (PSI) hat zum Sieg über den Mussolini-Faschismus und im Kampf für eine antifaschistisch-demokratische Entwicklung nach 1945 in der Aktionseinheit mit den Kommunisten (PCI) einen herausragenden Beitrag geleistet. Auf der Suche nach den Ursachen ihres Untergangs im Korruptionssumpf 1992 stößt man auf ihren langjährigen Vorsitzenden Bettino Craxi, ein Werkzeug der von der CIA Anfang der 1970er Jahre in Italien gebildeten faschistischen Putschloge Propaganda due (P2). Vor 40 Jahren, am 13. Juli 1976, half sie Craxi, der seit 1972 stellvertretender PSI-Sekretär war, in der sogenannten Midas-Verschwörung den linken und mit der PCI zusammenarbeitenden Partei-Chef Francesco De Martino zu stürzen und sich selbst an die Parteispitze zu putschen. Die Bezeichnung der Verschwörung war dem Namen des luxuriösen Hotels in Rom entnommen, in dem die Tagung stattfand. Im November desselben Jahres wurde Craxi auch noch Vice der Sozialistischen Internationale, in der er bald zu den engen Freunden Willy Brandts gehörte. De Martino hatte als Nachfolger Pietro Nennis seit 1963 die PSI auf einem zwar gemäßigten, aber doch linken Kurs gehalten und die von dem linksliberalen DC-Führer Aldo Moro angestrebte Einbeziehung der PCI in die Regierung unterstützt. Damit war unter Craxi Schluss. Er brachte die Partei binnen kurzem auf eine stramm rechte, wenn auch zunächst noch demagogisch links getarnte antikommunistische Linie.

Craxi wurde von der P2 an die Spitze gehievt, um die PSI gegen die PCI, die im Juni 1976 bei den Parlamentswahlen mit 34 Prozent Wählerstimmen zweitstärkste Partei geworden und bereit war gegen die faschistische Gefahr ein Regierungsbündnis mit der Democrazia Cristiana (DC) zu schließen, in Stellung zu bringen. Nach dem Vorbild des aus der PSI hervorgegangenen Mussolini wollte die P2 Craxi als einen neuen "Duce" in Reserve halten. Doch das wurde noch nicht einmal nach der Aufdeckung der Loge 1981 bekannt, sondern erst im Ergebnis der Enthüllungen über die Korruptionsfälle Anfang der 90er Jahre, die Craxi dann eine lebenslängliche Gefängnisstrafe einbrachten und seine Partei in den Untergang führten. Wie die Publizisten Giovanni Ruggeri und Mario Guarino in ihrem Buch "Silvio Berlusconi. Inchiesa sul Signor TV" (Mailand 1994) nachwiesen, gehörte Craxi zusammen mit Logenchef Licio Gelli und dem faschistoiden Mediendiktator Berlusconi zu ihrem sogenannten "Dreigestirn". Der Einfluss der Loge auf die Sozialistische Partei sei "für die Führerschaft Craxis von grundlegender Bedeutung" gewesen. Das habe sich "besonders an den riesigen Geldsummen" gezeigt, die der P2-Bankier Robert Calvi der Partei zukommen ließ, aber auch "an der Existenz der Schweizer Nummernkonten, auf denen die durch Korruption erwirtschafteten Gelder" gelagert wurden.

Im August 1983 kam die große Stunde Craxis, er übernahm die Geschäfte des Regierungschefs. Den Weg ebnete ihm Logenbruder Berlusconi, der sein Emporkommen zu einem der Großen des Kapitals (später überhaupt des größten Italienischen) und vor allem im Medienbereich, der P2 verdankte. Dieses Imperium mit seinem kaum vorstellbaren Masseneinfluss stand der PSI in der Kampagne zu den Parlamentswahlen 1983 mit dem Slogan "Craxi for President" zur Verfügung. Craxi hatte kaum die Amtsgeschäfte übernommen, als er sich bei Berlusconi revanchierte, indem er Forderungen nach einer gesetzlichen Beschränkung von dessen Fernsehmonopol abschmetterte und es per Regierungsdekret absicherte. Damit wurde die Grundlage für den Aufstieg Berlusconis zum Medientycoon gelegt. Private Anbieter mit einem nationalen Programm erhielten in dem dann 1988 verabschiedeten Gesetz 25 Prozent der Sendefrequenzen, die nur Berlusconi mit seinem Monopol von drei landesweiten Sendern nutzen konnte. Gleichzeitig wurde ihm zugestanden Live- und Nachrichtensendungen auszustrahlen und die Beschränkung aufgehoben, neben dem Fernsehmonopol landesweite Print-Medien zu unterhalten.

Die bis 1987 währende Regierungszeit Craxis kennzeichnete eine unternehmerfreundliche Politik, die noch nicht einmal die Christdemokraten gewagt hatten. Geschickt nutzte der PSI-Chef die zunehmende Sozialdemokratisierung der PCI, um den Einfluss der Gewerkschaften zurückzudrängen. Ihre Einheitspolitik kam faktisch zum Erliegen, sie wurden auf Sozialpaktlinie gebracht. Die Massenkämpfe der Arbeiter ebbten ab. Höhepunkt war die drastische Reduzierung der Scala mobile (der gleitenden Lohnscala), die nach bereits vorher erfolgter prozentualer Kürzung nur noch für ein halbes Jahr gewährt wurde. Die Gewerkschaften nahmen die Liquidierung dieser herausragenden sozialen Errungenschaft zu einem Rudiment ohne Widerstand hin. Die PCI organisierte ein Referendum, bei dem sich im Juni 1985 jedoch eine Mehrheit von 54,3 Prozent für das Dekret aussprach.

In den 1992 einsetzenden Korruptionsprozessen wurde Craxi in insgesamt 41 Fällen angeklagt, darunter in einem wegen der Kassierung von 200 Millionen DM an Schmiergeldern. Auf ein Schweizer Nummernkonto hatte er selbst 600 Millionen DM überwiesen. Bis 1996 wurde er zu insgesamt 26 Jahren Gefängnis verurteilt. Er floh nach Tunesien, wo er immense Summen seiner Bestechungsgelder in die Wirtschaft investiert haben soll, wofür die Behörden seine Auslieferung nach Italien verweigerten. Im Januar 2000 verstarb er in dem mondänen Badeort Hammamat. Vom "Spiegel" (52/1999) nach seiner Haltung zur Korruption befragt, hinterließ er das Bekenntnis: "Alle haben das getan, alle haben davon gewusst".

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Quelle:
© 2016 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juli 2016

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