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MEMORIAL/156: Vor 80 Jahren wurde die Achse Berlin-Rom gebildet (Gerhard Feldbauer)


Vor 80 Jahren wurde die Achse Berlin-Rom gebildet

Sie beendete nur vorübergehend die Interessenkonflikte zwischen Hitler und Mussolini

von Gerhard Feldbauer, 22. Oktober 2016


Am 24. Oktober 1936 bildeten Hitler und Mussolini zum "gemeinsamen Kampf gegen den Bolschewismus" und zur Unterstützung der Franco-Faschisten in Spanien die "Achse Berlin-Rom". Mit dem Bündnis wurden die 1934 ausgebrochenen Interessengegensätze vorerst beigelegt. Vor seinem eigenen Machtantritt hatte Hitler in dem bereits im Oktober 1922 zum Diktator aufgestiegenen Mussolini sein "großes Vorbild" gesehen. "Das Braunhemd", so räumte er in seinen "Monologen im Führerhauptquartier" noch 1941 ein, "wäre vielleicht nicht entstanden ohne das Schwarzhemd". Er gestand ebenso, dass Mussolini einmal für ihn "eine ganz große Persönlichkeit" darstellte.

Hitlers Bewunderung für den "Duce" als Wegbereiter des Faschismus in Deutschland und anderen Ländern Europas ließ nach der eigenen Machtergreifung jedoch rasch nach. Die widerstreitenden Interessen zeigten sich als Erstes in der Österreichfrage. Nach einem "Anschluss" fürchtete Rom um das dann benachbarte deutschsprachige, früher österreichische, Südtirol, seine Kriegsbeute aus dem Ersten Weltkrieg. Das betraf auch den Balkan, den Italien als seine Einflusssphäre betrachtete. Als am 25. Juli 1934 die SS-Standarte in Wien nach der Ermordung von Bundeskanzler Engelbert Dollfuß mit einem Putsch das Signal zum Einmarsch geben wollte, schickte Mussolini vier Divisionen an die Brennergrenze. Hitler musste nachgeben und den Anschluss verschieben. Der "Duce" fürchtete Hitlers Rivalität auch in Afrika, wo Deutschland im Ersten Weltkrieg seine Kolonien verloren hatte und eine starke Fraktion ihre Rückgabe forderte. Mit der Annexion Äthiopiens wollte er eine Ausgangsbasis für ein großes italienisches Kolonialreich in Afrika schaffen und sich eine Vormachtstellung gegenüber Hitler sichern.

Deutsche Waffen für den Negus

Nach Bekanntwerden der italienischen Pläne zum Überfall auf Äthiopien versuchte Hitler zunächst, Mussolini die 1934 beim Versuch, in Österreich einzumarschieren, für Wien bezogene Position heimzuzahlen. Zur Stärkung des äthiopischen Widerstandes ließ er den Negus Negesti (König der Könige), Kaiser Haile Selassie, eine bestimmte Menge an Kriegsmaterial zukommen. Im Auftrag des Heereswaffenamtes gingen im Juli 1935 über anonyme Kanäle nach Addis Abeba 10.000 Mausergewehre, Maschinengewehre und Maschinenpistolen, 10 Millionen Patronen, Handgranaten sowie Medikamente. Ferner 30 Panzerabwehrkanonen Kaliber 3,7 cm mit Munition. Das Kriegsgerät stammte aus der Produktion von Rheinmetall-Borsig. Von den Waffen wurden die Firmenzeichen entfernt. In der Schweiz ließ das Heereswaffenamt 36 Örlikon-Kanonen kaufen und nach Äthiopien verschicken. Die Lieferungen umfassten einen Wert von drei Millionen Reichsmark. Später folgten noch kleinere Lieferungen als Geschenke. Offiziell wurde Italien versichert, dass "die Reichsregierung weder Waffenlieferungen an den Negus noch die Anwerbung deutscher Freiwilliger für Abessinien zulassen würde."[1]

Das Ende der Stresafront

Wichtig für Berlin war, dass die sogenannte "Stresafront", benannt nach dem norditalienischen Badeort Stresa am Lago Maggiore, ein Ende fand. Dort hatten die Regierungschefs Frankreichs und Großbritanniens vom 11. bis 14. April 1935 mit Mussolini geheime Bündnisverhandlungen geführt. Sie wollten die Konfrontation zwischen Berlin und Rom auszunutzen und Italien, den Verbündeten aus dem Ersten Weltkrieg, für eine Allianz gegen Deutschland gewinnen. In einem Geheimvertrag wurde dem "Duce" dafür "Carte blanche" für die Annexion Äthiopiens zugesichert. Mit der sogenannten Politik des "Appeasements" wurde die Öffentlichkeit über die Begünstigung der italienischen Aggressionsvorbereitung gegen Äthiopien "beschwichtigt". Am 25. November 1936 schloss Berlin mit Tokio den Antikominternpakt, dem Italien jedoch erst am 6. November 1937 beitrat. Hauptinhalt war die Koordinierung der Maßnahmen im Falle eines Krieges gegen die UdSSR. 1939 schlossen sich Horthy-Ungarn, der von Japan gebildete Marionettenstaat Mandschuko und Franco-Spanien an. 1941 die faschistischen Regierungen Bulgariens, Finnlands, Rumäniens und der besetzten Länder Dänemark, Kroatien und Slowakei.

Das Einvernehmen zwischen Hitler und Mussolini wurde mit der Annexion Österreichs am 12./13. März 1938 erneut getrübt. Da die deutschsprachige Bevölkerung Südtirols den Anschluss mehrheitlich begrüßte, musste der "Duce" am 21. Oktober 1939 einem Abkommen zustimmen, das allen Südtirolern die Aussiedlung gestattete. Nachdem sich 86 Prozent für Deutschland entschieden, verließen von den 300.000 "Reichs- bzw. Volksdeutschen" 80.000 bis 1940/41 Südtirol. Unter den Bedingungen des Krieges wurde die Aussiedlung dann abgebrochen.

Gegensätzliche Kriegsziele

Nachdem Italien am 7. April 1939 Albanien als Kolonie annektiert hatte, meinte Mussolini, seine Ansprüche auf dem Balkan dennoch am besten durch eine Vertiefung des Bündnisses mit Deutschland zu sichern. Am 22. Mai 1939 schlossen Berlin und Rom daraufhin einen "Stahlpakt" (patto d'acciao) genannten "Freundschafts- und Bündnisvertrag" zur gegenseitigen Unterstützung bei den danach beginnenden Aggressionen. Mussolini, der den Krieg hinauszögern wollte, schränkte zunächst ein, dass Italien auf militärische Konflikte in Europa vor 1943 nicht vorbereitet sei. Als die Wehrmacht nach dem Blitzsieg gegen Polen weitere Erfolge in Dänemark, den Niederlanden, Belgien und Norwegen erzielte, nach der Evakuierung der britisch-französischen Truppen am 4. Juni 1940 Dünkirchen einnahm und ihre Offensive in Frankreich fortsetzte, trat Mussolini jedoch mit der Kriegserklärung an Frankreich und Großbritannien am 10. Juni 1940 in den Krieg ein, um sich einen Anteil an der Beute zu sichern. Die italienischen Angriffe an der Alpenfront zeitigten jedoch kaum Erfolge. Bei den Waffenstillstandsverhandlungen mit Frankreich am 24. Juni 1940 in Rom konnte der "Duce" seine Ansprüche auf Korsika, Tunis und Djibouti nicht durchsetzen. Hitler billigte ihm nur einen kleinen Küstenstreifen an der Côte d'Azur zu. Das Scheitern italienischer Überfälle im Oktober 1940 und März 1941 auf Griechenland und der Feldzüge in Nord- und Ostafrika 1940/41, denen die Wehrmacht zu Hilfe kommen musste, verdeutlichten, dass der wirtschaftlich und militärisch schwächere römische Imperialismus dem raffinierteren, rücksichtsloseren und in Aggressionskriegen erfahreneren deutschen unterlegen war und zu dessen Juniorpartner degradiert wurde.

Am 27. September 1940 bildete Hitler mit Japan und Italien noch den Dreimächtepakt, auch Achse Berlin-Rom-Tokio genannt. Damit wurde der Antikominternpakt zum umfassenden militärischen Bündnis und auf den pazifischen Kriegsschauplatz ausgedehnt, den Japan eröffnen sollte. Der Pakt teilte die Welt in drei Einflusssphären auf: Europa dem "Dritten Reich", der Mittelmeerraum Italien und Ostasien Japan.

Trotz der Bündnisse verfolgten die Partner gegensätzliche Kriegsziele. Während Hitler zunächst die Eroberung von "Lebensraum im Osten" verfolgte, wollte Mussolini die Vorherrschaft im Mittelmeer und in Afrika ein Kolonialreich errichten. Am 1. Dezember 1942 äußerte er gegenüber Göring in Rom, dass "das Kapitel des Krieges gegen Russland, der keinen Zweck mehr hat, abgeschlossen werden müsse", um Kräfte für den Kampf gegen die Angloamerikaner im Westen und im Mittelmeer zu gewinnen. Dazu schlug er Hitler vor, wie Außenminister Ciano am 18./19. Dezember im Führerhauptquartier "Wolfsschanze" übermittelte, mit Russland zu einer Lösung der Art "neuer Brest-Litowsk-Friede" zu kommen. Hitler entgegnete, das strategische Hauptziel bleibe, "den bolschewistischen Koloss zu zerschlagen". Nach dem Sturz Mussolinis im Juli 1943 schied Rom aus der Achse mit Berlin aus.


Anmerkung:
[1] Manfred Funke: Sanktionen und Kanonen. Hitler, Mussolini und der internationale Abessinienkonflikt. Düsseldorf 1970.

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Quelle:
© 2016 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Oktober 2016

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