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MEMORIAL/181: Die Wahlen im April 1948 waren ein Höhepunkt der Gegenoffensive der USA in Italien (Gerhard Feldbauer)


Die Parlamentswahlen im April 1948 waren ein Höhepunkt der reaktionären Gegenoffensive der USA in Italien

Mit massivem Druck, darunter der Drohung einer militärischen Intervention, verhalfen sie der Democrazia Cristiana zu einem triumphalen Wahlsieg

von Gerhard Feldbauer, 14. April 2018


Im Frühjahr 1948 bestimmte eine antikommunistische Hysterie ohnegleichen die Kampagne zu den für den 18. April anberaumten Parlamentswahlen. 300 regionale und rund 18.000 lokale Bürgerkomitees der von den USA finanzierten klerikalen Azione Cattolica verkündeten von den Kanzeln und auf unzähligen Kundgebungen in hasserfüllten Losungen bei der Wahl gehe es um Christ oder Antichrist, Gläubige oder Gottlose, Rom oder Moskau. Den Startschuss zu dieser fanatischen Hetze hatte Erzbischof Flannally in Anwesenheit von Kardinal Spellmann am 22. Januar 1947 in der St. Patrick's Cathedral in New York während eines Besuchs von Ministerpräsident Alcide De Gasperi gegeben. "Das Mittelmeer ist ein christliches Meer, das nicht durch den atheistischen Kommunismus mit seiner tödlichen Faust rot gefärbt werden darf", hatte Flannally verkündet.[1] Italien befand sich auf dem Höhepunkt der von den USA nach der Niederlage des Faschismus eingeschlagenen Politik der Restauration der angeschlagenen Herrschaft des Kapitals und der Verhinderung einer antifaschistisch-demokratischen Umwälzung.

Die Italienische Kommunistische Partei (IKP) war aus der Resistenza, dem bewaffneten antifaschistischen Widerstand gegen Hitlerdeutschland und seine Mussolini-Vasallen, als eine politische einflussreiche Kraft hervorgegangen. Mit 2,2 Millionen Mitgliedern war sie zahlenmäßig die stärkste Partei. Mit der Sozialistischen Partei (ISP) war sie durch ein Aktionseinheitsabkommen verbunden und dominierte mit ihr die 1944 gebildete antifaschistische Einheitsregierung, deren Premier seit August 1945 der Vorsitzende der linken radikaldemokratischen Aktionspartei, Ferrucio Parri, war. Am 2. Juni 1946 hatten sie in einem Referendum entscheidend den Sturz der Monarchie bewirkt. Bei den gleichzeitig stattfindenden Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung erhielt die IKP 18,9 und die ISP 20,7 Prozent der Stimmen. Die Democrazia Cristiana (DC), nunmehr führende Partei der Großbourgeoisie, kam nur auf 35,2 Prozent. Die USA und die mit ihnen verbündete innere Reaktion befürchteten bei den Parlamentswahlen einen Sieg der Kommunisten und Sozialisten. Im Vorfeld des Kalten Krieges und der sich abzeichnenden Blockkonfrontation sahen sie ihre Pläne gefährdet, sich Italien als ihre Einflusssphäre und Südflanke der künftigen NATO zu sichern.

Zur Durchsetzung ihrer Ziele stützten die USA sich von Anfang an auch auf die faschistischen und andere reaktionäre Kräfte. Faenza/Fini schrieben "Während es das State Department und die amerikanischen Gewerkschaften waren, die direkt den 'demokratischen' Parteien von den Christdemokraten bis zu den Sozialdemokraten halfen (also sie finanzierten), wurden hauptsächlich die Militär- und Geheimdienste beauftragt, die Rechten zu unterstützen (also sie zu bewaffnen und zu besolden)". Im Juni 1945 löste die US-amerikanische Militärregierung das "Hohe Kommissariat zur Verfolgung von Regimeverbrechern" auf. Die meisten der aktiven Faschisten, die in der eingeleiteten - aber bald abgebrochenen - Phase der Entfaschisierung vor Gericht gestellt worden waren, wurden freigesprochen bzw. die Urteile aufgehoben oder die Betroffenen amnestiert. Im August 1945 konnten die Mussolini-Faschisten, deren Partei verboten worden war, eine Sammlungsbewegung L'Uomo Qualunque (Jedermann) bilden, aus der im Dezember 1946 das Movimento Sociale Italiano (MSI) entstand, das sich direkt als Nachfolger der Partei des "Duce" bezeichnete. Mit der Weigerung, in den Pariser Friedensvertrag mit Italien vom Februar 1947 die von der UdSSR geforderte Klausel aufzunehmen, nie wieder faschistische Organisationen zu erlauben und Kriegsverbrechen nicht ungesühnt zu lassen, legalisierten die USA diese Wiedergründung. Im Dezember 1945 hatte Washington den Sturz von Premier Parri inszeniert und Alcide De Gasperi (DC), der über das Image eines Antifaschisten verfügte, an die Spitze der Regierung verholfen, wo er den gewünschten antikommunistischen Kurs einschlug.

Am 22. März 1947 verkündete Präsident Truman die berüchtigte Doktrin der "Eindämmung des Kommunismus". Er erklärte die USA "zum mächtigsten Land der Welt" und proklamierte ihr "Recht" zur Einmischung in Staaten, die tatsächlich oder angeblich unter kommunistischem Einfluss stünden. Truman sagte der Regierung in Rom 250 Millionen Dollar zu. Der Order Washingtons folgend brachte De Gasperi mit seinem Rücktritt am 13. Mai 1947 die antifaschistische Einheitsregierung zu Fall und gab bekannt, dass er IKP und ISP nicht in eine neue Regierung aufnehmen werde. Schützenhilfe hatte Giuseppe Saragat geleistet, der mit seiner Fraktion die ISP verlassen und eine Sozialdemokratische Partei gegründet hatte. Am 31. Mai trat sie in die neue Regierung von De Gasperi ein und verschaffte ihm die notwendige Mehrheit.

Am 3. April unterzeichnete Truman das zunächst nach Außenminister George C. Marshall benannte European Recovery Programm, nach dem zwischen 1948 und 1952 über 15 Milliarden Dollar in 17 Staaten Westeuropas flossen. Italien bekam davon 11 Prozent. Für den Fall eines linken Wahlsieges kündigte Marshall den Entzug der "Wiederaufbauhilfe" an. Nach der Freigabe von US-Geheimdokumenten im November 1994 wurde bekannt, dass das Pentagon "für den Fall, dass die Kommunisten in Italien mit legalen Mitteln an die Macht kommen" sollten, eine sofortige Intervention geplant hatte, welche die Abtrennung Sardiniens und Siziliens und die Organisation eines Guerillakrieges einschloss. Die USA könnten "es den Kommunisten nicht gestatten, mit legalen Mitteln an die Macht zu kommen", weil die "psychologischen Erschütterungen gewaltig wären", hieß es. Als Alternative erwog man in Washington, "das Wahlergebnis zu fälschen".[2]

In ihrem Wahlprogramm traten Kommunisten und Sozialisten für eine Demokratisierung des Staatsapparates, antifaschistisch-demokratische Reformen der Eigentumsverhältnisse in Industrie und Landwirtschaft sowie bessere Arbeits- und Lebensbedingungen der arbeitenden Menschen und für eine Außenpolitik des Friedens und der Sicherung der Unabhängigkeit ein. Sie hatten keineswegs die Absicht, nach einem Wahlsieg eine "linke Regierung" zu bilden, sondern strebten nach der Neuauflage einer antifaschistischen Einheitsregierung. Sie erreichten auf einer gemeinsamen Volksfrontliste 31 Prozent.

Faschisten unter der Soutane

Was Erzbischof Flannally in New York verkündete, entsprach der Linie der von dem Faschistenfreund Pius XII. regierten Kurie. Die Bürgerkomitees der Azione Cattolica waren auf seine persönliche Weisung von deren Präsident, Professor Luigi Gedda, gebildet und dieser als Vorsitzender an ihre Spitze gestellt worden. Gedda hatte seit 1934 als Leiter der Jugendorganisation der Azione Cattolica jegliche oppositionelle Regungen gegen das faschistische Regime unterdrückt. 1938 hatte dieser Kleriker in der schwarzen Soutane öffentlich das Manifest Mussolinis "zur Verteidigung der Rasse" unterzeichnet. Die Komitees erhielten aus zahlreichen Bistümern große finanzielle Zuwendungen. Der Erzbischof von Dublin, Mc Quaid, überwies Gedda 19.930 Pfund Sterling "für den Kampf der italienischen Katholiken gegen den atheistischen Kommunismus". Die Komitees "trugen entscheidend" zu dem Wahlerfolgt der DC von 48,5 Prozent bei, schrieben die Historiker Roberto Faenza und Marco Fini in ihrem Buch "Gli Americani in Italia" (Feltrinelli, Milano 1976).

Die IKP erhielt mit der fanatischen antikommunistischen Hetzkampagne die Qittung dafür, dass sie der Aufnahme des von Mussolini 1929 mit dem Vatikan geschlossenen Konkordats in die Verfassung der Italienischen Republik zugestimmt hatte.


Anmerkungen:

[1] Marcella e Maurizio Ferrera: Cronache di Vita Italiana 1944-1958. Rom 1960, S. 141.

[2] Der Corriere della Sera veröffentlichte das vom 5. März 1948 datierte Dokument am 17. Sept. 1994.

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Quelle:
© 2018 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. April 2018

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