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MEMORIAL/219: Warum 1945 in Italien die Revolution ausfiel (Gerhard Feldbauer)


Warum 1945 in Italien die Revolution ausfiel, obwohl eine klassische revolutionäre Situation bestand

Zwei Linien in der Führung der Kommunistischen Partei (IKP)
Palmiro Togliatti folgte Stalins Weisung, "die Frage der sozialistischen Revolution nicht aufzuwerfen"

Von Gerhard Feldbauer, 25. Mai 2020


Nach der Niederlage des Faschismus Ende April 1945 standen die Linken - Kommunisten, Sozialisten und Aktionisten [1] - vor der Entscheidung über die gesellschaftliche Perspektive. Dazu bestand eine klassische revolutionäre Situation, die bis zum Spätherbst anhielt: [2]

  • Der italienische Imperialismus war militärisch geschlagen, seine ökonomischen und politischen Positionen ernsthaft erschüttert. Er verfügte über keine ihm hörige Regierung mehr. Die großbourgeoisen Vertreter in der antifaschistischen Einheitsregierung befanden sich in der Minderheit und mussten lavieren.
  • Das von Kommunisten und Sozialisten 1934 geschlossene Aktionseinheitsabkommen war 1937 während des gemeinsamen Kampfes zur Verteidigung der Spanischen Republik mit einem klaren antiimperialistischem Bekenntnis und dem Ziel, Faschismus und Kapitalismus zu beseitigen und eine sozialistische Gesellschaft zu errichten, vertieft worden. Eine Demokratische Republik unter Führung der Arbeiterklasse sollte errichtet werden, in der die ökonomischen Grundlagen der Reaktion und des Faschismus durch "Nationalisierung des Monopolkapitals in der Industrie und im Bankwesen" und "die Vernichtung jeder Art von Feudalismus auf dem Lande" beseitigt werden sollten. [3]
  • Die Kommunalwahlen im März 1946 und die im Juni folgenden Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung zeigten, über welche Massenbasis IKP und ISP verfügten. Sie erreichten zusammen jeweils rund 40 Prozent der Stimmen. Beide Wahlen fanden bereits im restaurativen antikommunistischen Klima der zum Gegenangriff übergegangenen Konterrevolution statt. Unmittelbar nach Kriegsende dürfte ein noch größerer Anteil der Bevölkerung hinter den Arbeiterparteien gestanden haben.
  • Das Comitato di Liberazione Nazionale (CLN) wurde von IKP und ISP sowie der Aktionspartei dominiert. Auf dieser Grundlage besaßen die Linksparteien auch ein Übergewicht in der nationalen Einheitsregierung. [4] Im Juni 1945 zwangen sie den Ministerpräsidenten Ivanhoe Bonomi von den Liberalen zum Rücktritt. Die Democrazia Cristiana (DC) lehnte den von IKP und ISP vorgeschlagenen Sozialisten Pietro Nenni [5] ab und benannte stattdessen aus ihren Reihen Alcide De Gasperi [6], den ihrerseits die Linken nicht akzeptierten. Diese erreichten die Berufung des Aktionisten Ferruccio Parri. [7] Nach dessen Rücktritt im Dezember 1945 setzte die DC die Ernennung von De Gasperi durch.
  • In den meisten Städten und Gemeinden Norditaliens, die von den Partisanen befreit worden waren, übten im Frühjahr 1945 die mehrheitlich aus Kommunisten und Sozialisten bestehenden Komitees des CLNAI die Macht aus und leiteten antiimperialistische revolutionär-demokratische Umgestaltungen ein. Im Süden hatten Landarbeiter, Tagelöhner und Halbpächter das Land der durchweg zu den Faschisten gehörenden Latifundistas besetzt. Die IKP hatte in der Einheitsregierung ein Dekret durchgesetzt, das die Inbesitznahmen legalisierte.
  • Es standen weit über eine halbe Million Mann unter Waffen. In der gut organisierten 256.000 Kämpfer zählenden Partisanenarmee stellte die IKP mit ihren Garibaldi-Brigaden 155.000 Mann und hatte mit 42.000 von insgesamt 70.000 Gefallenen auch die meisten Opfer gebracht. Weitere 206.000 Partisanen, meist Kommunisten, waren in den örtlichen Gruppi di Azione Patriottica (GAP) organisiert. Ihnen hatten sich während des bewaffneten Aufstandes Zehntausende weitere Kämpfer angeschlossen. Alle Partisanenformationen bestanden zu 85 bis 90 Prozent aus Arbeitern und Bauern. [8] Sie bildeten den Kern einer kampfentschlossenen Basis.
Es ging um eine antiimperialistische revolutionär-demokratische Umgestaltung

Der Krieg des Faschismus hatte in der Wirtschaft und im Leben der Menschen unermessliche Schäden angerichtet. Etwa zehn Prozent der Industrieanlagen und fast zwei Drittel der Infrastruktur waren zerstört, davon 40 Prozent des Eisenbahnnetzes und 60 Prozent der Straßen und Brücken sowie fast alle Transportmittel. Neben einem Großteil der Wohnungen lagen 40 Prozent aller öffentlichen Gebäude in Trümmern. Die landwirtschaftliche Produktion war um ein Drittel gesunken. Etwa zwei Millionen Menschen waren arbeitslos: frühere Soldaten, aus der Gefangenschaft oder der Internierung Heimkehrende und aus der Rüstungsindustrie Entlassene. Die Landwirtschaft zählte 600.000 Unterbeschäftigte.

In dem auf der Tagesordnung stehenden revolutionärem Prozess stand die IKP vor der Aufgabe, zusammen mit der ISP und im Bündnis mit bürgerlichen Schichten eine antifaschistische, antiimperialistische revolutionär-demokratische Umgestaltung einzuleiten, um die politischen und sozialökonomischen Grundlagen des Faschismus zu beseitigen. Viele Gesichtspunkte sprachen dafür, dass die IKP über eine solche Umgestaltung als erster, antifaschistisch-demokratischer Etappe Grundlagen für eine spätere sozialistische Entwicklung hätte schaffen können. Dabei war von einem langfristigen Prozess auszugehen, in dessen Verlauf auch mit Stagnation und Rückschlägen gerechnet werden musste. Die angeführten Faktoren boten günstige Bedingungen, diesen Weg einzuschlagen.

Togliatti für den parlamentarischen Weg

Zu der Frage, wie eine antifaschistisch-demokratische Nachkriegsordnung zu gestalten war, gab es in der Führung der IKP keine einheitliche Meinung. Eine von Generalsekretär Palmiro Togliatti [9] angeführte Gruppe wollte das breite antifaschistische Bündnis mit den großbürgerlichen Kräften auch auf Regierungsebene weiterführen und setzte für antifaschistisch-demokratische Veränderungen auf den parlamentarischen Weg. Togliatti, der mit seiner hohen Autorität, die auch aus seiner führenden Rolle in der Komintern resultierte, diese Gruppe dominierte, setzte sich in der Nachkriegsphase in der Führung durch.

Für ein Bündnis mit der Democrazia Cristiana

Togliatti ging davon aus, dass es in der DC Kräfte gab, die antimonopolistischen Forderungen und der Enteignung des Großgrundbesitzes aufgeschlossen gegenüberstanden. In der DC formierte sich eine linke "Iniziativa Democratica", die für eine Erneuerung auf christlich-sozialer Grundlage eintrat. Ihr führender Vertreter wurde der spätere Ministerpräsident linker Zentrumsregierungen Aldo Moro. Zu ihr zählte auch der Chemieunternehmer Enrico Mattei, nach 1945 Präsident der staatlichen Energiegesellschaft ENI. Er hatte eine christdemokratische Partisanenbrigade kommandiert und gehörte zu den führenden katholischen Antifaschisten. [10] Auf diese Kreise und Beziehungen setzte Togliatti und versuchte, von dieser Kräftekonstellation ausgehend, die Zusammenarbeit mit der DC zu vertiefen und zu einer Übereinkunft ähnlich dem Aktionseinheitsabkommen mit den Sozialisten zu kommen. [11] Die Gruppierung um die "Iniziativa Democratica" konnte sich jedoch in der DC nicht durchsetzen. [12] Sie wich vor dem Druck des Vatikans, der ihre Haltung scharf kritisierte, zurück.

Hier sei zunächst an Gramscis Grundsatz erinnert, dass die IKP gegenüber den bürgerlichen Bündnispartnern des "Historischen Blocks" Zugeständnisse machen müsse, dass diese aber nicht "das Wesentliche", nämlich "die entscheidende Rolle" der "führenden Kraft", betreffen dürften, d. h. deren Orientierung auf die Beseitigung der kapitalistischen Gesellschaft und die Herstellung einer sozialistischen Ordnung. Eine entsprechende Klarstellung in dieser Deutlichkeit seitens der IKP fehlte bereits in der Resistenza und ebenso in ihrer unmittelbaren Nachkriegsstrategie.

Ihr "Aufruf an das italienische Volk" vom September 1943 konnte zunächst in dieser Hinsicht interpretiert werden. Es hieß darin: "Die Arbeiterklasse wird die Hauptkraft sein, die das italienische Volk zum Kampf führt, um für immer die Macht der imperialistischen Kräfte, die für den räuberischen Krieg und den Ruin der Nation verantwortlich sind, zu brechen. Deshalb darf die Demokratie, die wir meinen, den rechten Kräften nicht noch einmal erlauben, sich in ihr wieder breit zu machen." Es wurde betont, dass diese Demokratie "eine Volksdemokratie" sein müsse, die sich auf die Massen stützt und in der "die Arbeiterklasse ihre Avantgarde und sichere Führung" bildet. [13] Der Begriff der Volksdemokratie tauchte in den späteren Dokumenten der IKP aber nicht mehr auf. Offensichtlich um einen Vergleich mit der Entwicklung in den Ländern Osteuropas, wo die Volksdemokratie als eine Etappe des Übergangs zum Sozialismus gesehen wurde, zu vermeiden. [14]

Togliatti orientierte sich hier zweifelsohne an der Weisung Stalins, der nach dem faschistischen Überfall auf die UdSSR die Parteien der Komintern mit Blick auf die Schaffung einer Antihitlerkoalition angewiesen hatte: "Die Frage der sozialistischen Revolution ist nicht aufzuwerfen." [15]

Longo für eine klare sozialistische Orientierung

Eine zweite Gruppe mit Luigi Longo, in der Partisanenarmee einer der beiden Oberbefehlshaber (der andere war Sandro Pertini [16] von der ISP), und dem nach ihm für Militärfragen zuständigen Pietro Secchia an der Spitze, die vor allem die Partisanen repräsentierte, trat zwar ebenfalls für zunächst antifaschistisch-demokratische Veränderungen ein, forderte jedoch eine darüber hinausweisende klare sozialistische Orientierung, die durch revolutionäre Massenaktionen zu untersetzen sei. Diese Strömung wurde auch als radikaler oder linker Flügel bezeichnet. Sie hatte starke Positionen im Parteivorstand von Mailand, aber auch dem von Turin (Sitz der FIAT-Zentrale) und Genua.

Zu den strittigen Fragen äußerte sich Longo auf einem Kongress der Provinzorganisation von Rom im Oktober 1945. Zur Fortsetzung der "Politik der nationalen Einheit auch im Frieden" verwies er warnend auf "die Spaltungsversuche der konservativen und reaktionären Kräfte innerhalb und außerhalb Italiens", welche die "Errichtung einer fortgeschrittenen Demokratie zu stören und unmöglich zu machen" suchten. Das kam insbesondere in der Weigerung der Liberalen und der Christdemokraten zum Ausdruck, Vertreter der starken Massenorganisationen der IKP (Frauen, Jugend), aber auch der Einheitsgewerkschaft CGIL in die CLN-Organe aufzunehmen.

"Gegen die Reaktion marschieren"

Im deutlichen Gegensatz zu Togliatti forderte Longo, zur "Fortsetzung und Festigung der nationalen Einheit" genau zu präzisieren, "mit wem und gegen wen". "Wir wollen mit den Arbeitern, den Bauern, den Angestellten, Technikern, Freiberuflichen, Intellektuellen, mit den Rentnern, den Heimkehrern, den Jugendlichen, den Frauen marschieren, mit einem Wort, mit allen, die arbeiten, die leiden, mit denen, die ein weniger stiefmütterliches Italien und eine bessere Menschheit erhoffen." Longo forderte, gegen "alle faschistischen Überbleibsel" vorzugehen, gegen "die Magnaten der Industrie, der Finanz und des Großgrundbesitzes". Wir müssen "gegen die Reaktion marschieren, die sich um die Monarchie gesammelt hat". Zu der an der Parteibasis heftig diskutierten Frage, ob die IKP "auf den Sozialismus verzichtet" habe, sagte Longo "nicht im Traum", womit er eindeutig die Notwendigkeit einer klaren sozialistischen Perspektive betonte. In offensichtlicher Berücksichtigung, dass sich die revolutionäre Situation im Oktober 1945 ihrem Ende zuneigte, verwies er nunmehr darauf, dass dafür jetzt die nationalen und internationalen Voraussetzungen "nicht gegeben" seien und man von der eingetretenen "Realität der italienischen Verhältnisse ausgehen" müsse. [17]

Togliatti vermied es zwar generell, eine sozialistische Perspektive zu benennen, trat jedoch für eine antifaschistisch-demokratische Umwälzung ein, die das Eigentum des Großkapitals und der Großagrarier durch Nationalisierungen und eine Agrarreform beschneiden sollte. Der kommunistische Finanzminister Mauro Scoccimarro verlangte eine sofortige Währungsreform, eine progressive Besteuerung der Vermögen und eine außerordentliche Besteuerung der Kriegs- und Spekulationsgewinne. Die Lasten des Wiederaufbaus sollten so primär den besitzenden Klassen, die sich unter dem Faschismus größtenteils bereichert hatten, auferlegt werden. Vermögenszuwachs aus den Kriegsjahren sollte, soweit er nicht aus Erbschaften oder aus Gewinnen vorher bestehender Vermögen stammte, stark progressiv besteuert, Summen über 75 Mio Lire sollten vollständig konfisziert werden; ebenso alle Reichtümer, die auf Funktionen innerhalb des faschistischen Regimes oder im Dienste der Deutschen zurückzuführen waren. [18]

Aus Verbündeten im Befreiungskrieg gegen Hitlerdeutschland wurden Gegner

Unter dem Druck führender Kapitalkreise und des Königshauses lehnten die Rechtskräfte in der DC wie auch die Liberalen die Forderungen der Arbeiterparteien ab. Diese Kreise wie auch Monarchisten, die im nationalen Befreiungskrieg Verbündete gewesen waren, wurden in der neuen Etappe Gegner. Sie suchten von Anfang an die Unterstützung der US-amerikanischen Besatzungsmacht. DC und Liberale verlangten bereits Anfang Mai 1945 von der Besatzungsmacht als wichtigsten Schritt, um IKP und ISP zu bremsen, die Entwaffnung der Partisanenarmee. [19] Damit sollte vor allem den örtlichen und regionalen Befreiungskomitees, die in Norditalien die faktischen Machtorgane waren, ihre wichtigste Stütze genommen werden.

Ein Kongress der regionalen CLN des Nordens hatte gefordert, dass die Regierung sich bis zur Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung bei der Ausübung gesetzgeberischer Gewalt auf das Befreiungskomitee stützen müsse. Dabei konnten sich die Kommunisten und Sozialisten auf eine Entscheidung des CLN berufen, das festgelegt hatte, dass seine Verwaltungen "eine Vorform der Regierung von morgen" darstellten, unter der es "kein reaktionäres Regime und keine lahme Demokratie geben" dürfe, sondern dass das "politische, soziale und ökonomische System echt, effektiv und demokratisch sein" müsse. [20] Auf einem Kongress der regionalen Organe des CLN des Nordens hatte Pietro Secchia, neben Luigi Longo militärischer Leiter der IKP, die Einhaltung dieses Beschlusses eingefordert und betont, dass die entscheidenden legislativen Machtorgane bis zur Einberufung der Verfassunggebenden Versammlung das CLN und seine Organe sein müssten. [21] Die Tagung schloss sich dieser Forderung an. Die IKP-Führung unternahm aber nichts, um diesen Grundsatz zu wahren.

Auch wenn vermieden wurde, klar eine sozialistische Perspektive zu benennen, gab es dazwischen Erklärungen bzw. Beschlüsse, die einer solchen Orientierung entsprechen konnten. So beschloss das Zentralkomitee im Juli 1945, "eine Demokratische Republik der Arbeiter zu schaffen, durch eine Agrarreform die feudalen Überbleibsel auf dem Lande zu beseitigen, mit einer Industriereform die politische Vorherrschaft der Industrie- und Bankenmonopole zu eliminieren, den alten reaktionären, bürokratisch bestimmten Staat zu zerstören und einen neuen Staat des Volkes zu schaffen, in dem der Faschismus nie wieder auferstehen kann und das Volk Herr seines Schicksals sein wird." [22] Der 5. Parteitag im Januar 1946 bekräftigte, als Voraussetzung einer Industrie- und Agrarreform "jene Gruppen aus der Leitung des Wirtschaftslebens auszuschließen, die uns schon einmal, als sie den Faschismus aus der Wiege hoben, zum Ruin führten und noch heute unsere wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung hemmen." [23] In den Dokumenten ist schwer zu analysieren, ob solche Beschlüsse auf das Drängen des linken Flügels zurückgingen oder ob es sich darum handelte, ihn und die Parteibasis zu beschwichtigen. Wahrscheinlich spielte beides eine Rolle.

Vereinigung IKP-ISP scheiterte

Mit der ISP stimmte die IKP in diesen Fragen weitgehend überein. Es gab jedoch auch in der ISP einen radikalen Flügel, der darauf drängte, klare sozialistische Forderungen zu stellen. Am 28. September 1943 hatten beide Arbeiterparteien das Aktionseinheitsabkommen ein weiteres Mal erneuert und ein ständiges Komitee zur Koordinierung des gemeinsamen Kampfes gebildet. [24] Vor Beginn des bewaffneten Aufstandes im April 1945 schlug Togliatti Nenni eine Vereinigung beider Arbeiterparteien vor. Er betonte, der "Aufbau eines demokratischen und fortschrittlichen Italiens" erfordere, dass "die Arbeiterklasse all ihre Kräfte vereint", um den reaktionären und konservativen Kräften "den festen und untrennbaren Block der Arbeiterklasse" entgegenzustellen. [25] Es ist anzunehmen, dass Togliatti sich bei der Vereinigungsinitiative auch davon leiten ließ, seiner Konzeption eines parlamentarischen Weges größeren Rückhalt zu verschaffen. Andererseits war zu sehen, dass es sich bei der ISP um eine sozialdemokratisch-sozialistische Partei handelte, die sich nie mit ihren reformistischen Tendenzen auseinandergesetzt hatte. Es bleibt jedoch spekulativ, wie sich das auf die IKP ausgewirkt hätte, denn die Vereinigungsaktivitäten kamen nicht voran. Sie beschränkten sich auf die Bestätigung des Aktionseinheitsabkommens im Oktober 1946, in dem der Aufbau eines "antimonopolistischen Italien" und dazu das einheitliche Handeln auf Regierungs-, Parlaments- und kommunaler Ebene sowie die Stärkung der Einheit der Gewerkschaften und der Massenorganisationen vereinbart wurden. [26]

Saragats Sozialdemokratische Spalterpartei

Das Vereinigungsvorhaben scheiterte an der Ablehnung des rechten ISP-Flügels, der sich bereits unmittelbar nach Kriegsende zu formieren begann. Als dieser sich gegenüber den in der Partei vorherrschenden linken Kräften nicht durchsetzen konnte, spaltete er sich unter Giuseppe Saragat im Januar 1947 von der ISP ab und bildete die Italienische Sozialdemokratische Partei (ISDP). [27]

Die Krim-Konferenz der Alliierten

Togliatti berücksichtige in seiner Nachkriegsstrategie die Ziele, die Stalin verfolgte. Der UdSSR ging es, ausgehend von der Erklärung der Krim-Konferenz [28] "Einigkeit im Frieden wie im Krieg", vordergründig um die Erhaltung der Antihitlerkoalition in der Nachkriegsphase. [29] Dieses Ziel sollte/wollte Togliatti durch die Fortsetzung des im Befreiungskrieg gegen Hitlerdeutschland geschlossenen Bündnisses mit den großbürgerlichen Parteien, vor allem mit der Democrazia Cristiana, auch für antifaschistisch-demokratische Umgestaltungen innenpolitisch flankieren. Die seit April 1944 erreichten Ergebnisse meinte Togliatti durch den Verzicht auf zu revolutionäre Forderungen sichern zu können. Bei der weiteren Verfolgung dieses Regierungsbündnisses war es von Anfang an fraglich, ob mit den großbürgerlichen Parteien antifaschistisch-demokratische Umgestaltungen, die einen antiimperialistischen Inhalt erhalten mussten, möglich sein würden.

Das 1944 gebildete Regierungsbündnis war von der IKP gewissermaßen als jener Bloco histórico gesehen worden, der in Gramscis Bündnispolitik einen zentralen Stellenwert einnahm, allerdings mit dem Einschluss monarchistischer und großbürgerlicher Kreise in weit größeren Dimensionen, als sein theoretischer Begründer seinerzeit konzipiert hatte. Wenn Togliatti jedoch versuchte, nach dem Sieg über den Faschismus in der Bündnispolitik an 1944 anzuknüpfen, wurden entscheidende Aspekte der konkreten historischen Situation übersehen. In Salerno war eine Allianz entstanden, die sich in erster Linie gegen die deutschen Okkupanten richtete, für welche die Faschisten der Salò-Republik Mussolinis nur noch Erfüllungsgehilfen waren. Es war die Stoßrichtung gegen Hitlerdeutschland, welche die "Wende von Salerno" ermöglichte. Die IKP hatte den Charakter des Kabinetts zunächst auch ganz gezielt als "Governo Nazionale democratico di Guerra" (National-demokratische Kriegsregierung") hervorgehoben. [30] Diese Einheitsregierung, die mit dem Eintritt der antifaschistischen Oppositionsparteien begründet wurde, war eine konkrete Widerspiegelung der Antihitlerkoalition. Als das Ziel des Kampfes gegen Hitlerdeutschland mit dem Sieg über den Faschismus wegfiel, verlor das Bündnis seinen wesentlichen Inhalt und zerfiel. Nicht zuletzt auch, weil die Antihitlerkoalition im Frühjahr 1946 ebenfalls auseinanderbrach. [31]

Die Ergebnisse von Jalta waren auch unter dem Gesichtspunkt zustande gekommen, dass die Antihitlerkoalition mit der Hilfe, die die UdSSR den USA und Großbritannien bei der Abwehr der Ardennenoffensive der Wehrmacht gegeben hatte, noch einmal eine Hochzeit erlebte. Diese Ende Dezember 1944/Anfang Januar 1945 von der Wehrmacht begonnene Offensive brachte die amerikanisch-britischen Truppen im Westen in eine kritische Lage. [32] Churchill räumte ein, "wie bedenklich die Lage ist" und dass "man die Initiative verloren hat". Am 6. Januar 1945 wandte er sich an Stalin persönlich und bat um eine Entlastungsoffensive im Osten. Dieser sagte am 9. Januar zu, die geplanten Angriffshandlungen der Roten Armee vorzuziehen und antwortete: "Zweifeln Sie nicht daran, dass wir alles nur Mögliche tun werden, um die ruhmreichen Truppen unserer Verbündeten zu unterstützen". Bereits am 12. Januar begannen 150 sowjetische Divisionen auf einer Frontbreite von der Ostsee bis zu den Karpaten ihre Offensive. Das Oberkommando der Wehrmacht musste zwei Panzerarmeen von der Westfront abziehen. Die Ardennenoffensive brach zusammen. Churchill telegrafierte an Stalin: "Im Namen der Regierung Ihrer Majestät und persönlich von ganzem Herzen sage ich Ihnen für den gewaltigen Angriff, den Sie an der Ostfront begonnen haben, unseren Dank und Glückwunsch." [33]

Ein weiterer Faktor, der für den Zusammenhalt der Antihitlerkoalition sprach, war, dass der Krieg gegen Japan noch nicht beendet war. Den westlichen Alliierten fehlten Landstreitkräfte in genügender Zahl, um Japan definitiv niederzuwerfen. Nachdrücklich forderten Roosevelt und Churchill deshalb den Kriegseintritt der UdSSR gegen Japan. Zum Sieg über Japan leistete die am 9. August eröffnete sowjetische Fernostoffensive, in deren Verlauf die rund eine Million starke Kwantung-Armee zerschlagen wurde, einen beträchtlichen Beitrag.

Der Atombombenabwurf auf Hiroshima bzw. Nagasaki

Der Abwurf der zwei Atombomben am 6. und 9. August 1945 auf Hiroshima bzw. Nagasaki durch die USA wirkte sich grundlegend auf die Entwicklung des internationalen Kräfteverhältnisses, so auch in Italien und die dort von den unterschiedlichen Kräften in der IKP verfolgte Politik aus. Er war das Vorspiel zur Eröffnung des Kalten Krieges gegen die UdSSR, den in einen "heißen" Krieg umzuwandeln, Washington und London jederzeit bereit waren. Für Churchill und die reaktionär eingestellte Umgebung Roosevelts war "Sowjetrußland zu einer tödlichen Gefahr" geworden. Seit Anfang 1945 führten diese Gruppen "nicht mehr den Kampf um einen dauerhaften Frieden, den man den Völkern versprochen hatte, sondern in erster Linie um die günstigen Ausgangspositionen für eine künftige Einkreisung der UdSSR". [34] In Italien verfolgten die angloamerikanischen Alliierten dieses Ziel mit rigorosen Maßnahmen zur Verhinderung einer durch Kommunisten, Sozialisten und Aktionisten initiierten antifaschistisch-demokratischen Umwälzung.

Die UdSSR war durch vier Jahre Krieg und ihre ungeheuren Verluste ausgeblutet und musste sich auf die Herstellung des militärischen Gleichgewichts (atomares Patt) konzentrieren. Sie wäre in dieser Situation nicht in der Lage gewesen, einer militärischen Auseinandersetzung der revolutionären Linken mit der Besatzungsmacht die Unterstützung zu geben, ohne die sie keinen erfolgversprechenden Kampf hätte führen können. Bereits im Mai griff die alliierte Militärregierung mit der Entwaffnung der Partisanen rigoros in die Gestaltung der Nachkriegsordnung ein.

Togliattis Hoffnung auf De Gasperi

Gegen die von Togliatti gewählte Priorität eines parlamentarischen Weges, kombiniert mit Massenmobilisierungen zur Durchsetzung revolutionär-demokratischer, wohlgemerkt noch nicht sozialistischer, Veränderungen wäre nichts einzuwenden gewesen. Um die Zusammenarbeit in der Regierung zu sichern, machte Togliatti jedoch Schritt um Schritt Zugeständnisse, von denen er hoffte, sie würden von den Partnern honoriert.

Hier hatte Togliatti große Hoffnungen auf De Gasperi gesetzt. Wie Domenico Losurdo [35] schrieb, hob dieser in seiner Haltung zur UdSSR zwar die Opfer an Menschenleben unter der Herrschaft Stalins hervor, äußerte sich aber dennoch grundsätzlich positiv über das "große ökonomische Unternehmen" der Kollektivierung der Landwirtschaft und der Industrialisierung, die sich angesichts der in "Mein Kampf aufgezeigten Bedrohung" als notwendig erwiesen habe. Zu den Moskauer Prozessen unterstrich De Gasperi unter Berufung auf "objektive amerikanische Informationen" die Glaubwürdigkeit der Anklage. Im Juli 1944 würdigte er die heroischen Taten der Roten Armee im Kampf gegen die Hitlerwehrmacht als "das unvergessliche historische, jahrhundertelange Verdienst der von Josef Stalin organisierten Heere". [36] Der italienische Schriftsteller und Journalist Giorgio Bocca schrieb, das Verhältnis zwischen Togliatti und De Gasperi während der Resistenza sei "besonders gut gewesen" und habe "auf gegenseitiger Wertschätzung beruht". [37]

Dafür sprach auch die Rede, die De Gasperi zum Ausschluss der Kommunisten und Sozialisten im Mai 1947 aus der Regierung hielt, in der er sich nachgerade bei ihnen dafür entschuldigte und zu verstehen gab, dass dieser Schritt unter dem Druck der USA als "vierter Partei" geschah. Er stellte fest: "Außer unseren Parteien gibt es in Italien eine vierte Partei, die ohne viele Wähler auskommt, jedoch in der Lage ist, jede Anstrengung, die wir unternehmen, zu lähmen und vergeblich zu machen, indem sie die Kreditsabotage und die Kapitalflucht organisiert, die Preissteigerungen und die Skandalkampagnen. Die Erfahrung hat mich davon überzeugt, dass man Italien heute nicht regieren kann, ohne in der einen oder anderen Form die Repräsentanten dieser vierten Partei, die über das Geld und die ökonomische Macht verfügt, in die Regierung einzubeziehen." [38] Bereits vor dieser Rede, die er am 31. Mai 1947 vor der Abgeordnetenkammer hielt, hatte er am 5. Mai Nenni und Togliatti empfangen und ihnen die Lage erläutert. [39] In der "Unità" veröffentlichte Togliatti am 20. Juli einen Beitrag, in dem er sich zu dem aus Washington ausgeübten Druck auf die italienische Politik äußerte und die antikommunistischen Angriffe des früheren US-amerikanischen Außenministers Sumner Welles scharf verurteilte.

So stimmte Togliatti auch der Entwaffnung und Auflösung aller Partisanenverbände zu, ebenso der Amtsenthebung der örtlichen Befreiungskomitees als Regierungsorgane. Das bedeutete, dass die eingeleiteten revolutionär-demokratischen Prozesse gestoppt und generell rückgängig gemacht wurden. Es fehlte eine Mobilisierung der Basis der Partei und der Linken überhaupt, um den parlamentarischen Weg mit revolutionären Massenaktionen zu begleiten und der äußeren und inneren Reaktion zu begegnen. Die gemachten Zugeständnisse wurden im Gegenteil in ihrer vollen Tragweite verschwiegen oder verharmlost. Bereits im Mai/Juni 1945 wurde diese Haltung von der Basis als Zurückweichen kritisiert, was Finanzminister Mauro Scoccimarro in der "Rinascita", der theoretischen Zeitschrift der IKP, Nr. 5/6-1945 zurückwies.

Schwerwiegende Zugeständnisse

Die Zugeständnisse gingen so weit, dass Togliatti im Juni 1945 als Justizminister der Forderung nach Auflösung des "Hohen Kommissariats zur Verfolgung der Regimeverbrecher" und einer folgenden sogenannten Amnestie der "nationalen Versöhnung" hinnahm. Mit dem Amnestiegesetz fanden die, wenn auch begrenzten Säuberungen im öffentlichen Dienst, ein überstürztes Ende. Von etwa 20.000 bis 30.000 von ordentlichen Gerichten durchgeführten oder eingeleiteten Verfahren wurden die meisten eingestellt, über 11.000 bereits ergangene Urteile aufgehoben oder Begnadigungen gewährt. Zu den Freigelassenen gehörte beispielsweise der Chef der berüchtigten 10. Torpedoboot-Flotille, Fürst Valerio Borghese, der wegen wenigstens 800fachen Mordes als Kriegsverbrecher verurteilt worden war. Gegenüber kleinen Parteigängern des Mussoliniregimes mochte eine "nationale Versöhnung" gerechtfertigt sein, sofern sie sich keiner Verbrechen schuldig gemacht hatten. Wenn aber an den von der IKP in Rom und anderen Städten dazu veranstalteten Kundgebungen höchste Amtsträger des Faschismus wie der ehemalige Minister der Salò-Republik Ezio Maria Gray teilnahmen, verunsicherte das nicht nur die Basis der IKP, sondern die zur Resistenza stehenden Kräfte insgesamt. Denn Gray blieb wie viele Faschisten der ersten Garnitur unbelehrbar und trat sofort nach deren Gründung der faschistischen Sozialbewegung MSI im Dezember 1946 bei.

Dabei hatte der diesbezügliche Erlass festgelegt, dass Faschisten, die "wichtige öffentliche, politische oder militärische Führungsfunktionen" innegehabt hatten, von der Amnestie auszuschließen waren. Nach den Prozessakten jener Jahre, schrieb der kommunistische Jurist und Verfolgte des Faschismus Alberto Malagugini, "hat jedoch kein Faschist je wichtige politische oder öffentliche Funktionen ausgeübt, selbst die Minister der Sozialen Republik nicht." [40]

Wiedererstehen des Faschismus unterschätzt

Togliattis Zustimmung zur Auflösung des Hohen Kommissariats und zur Versöhnungsamnestie begünstigte im August 1945 die Bildung der faschistischen Sammlungs-Bewegung Uomo Qualunque (Jedermann) und die aus ihr im Dezember 1946 hervorgehende Wiedergründung der Mussolinipartei in Gestalt der Sozialbewegung MSI (Movimento Sociale Italiano).

Beschämend war Togliattis Haltung in Mailand, wo er am 17. Mai 1945 eintraf und "von einer Stadt in roten Farben empfangen (wurde), in der bewaffnete Partisanen noch immer die Fabriken und Kasernen besetzt" hielten. Am nächsten Tag wollte Togliatti vor den Einwohnern sprechen, wozu er beim US-Kommando um eine Redeerlaubnis ersuchte, die ihm verweigert wurde. Er zeigte sich nur am Fenster des Parteisitzes und winkte der riesigen Menge zu, die sich auf dem Platz versammelt hatte. Er sagte nur einen Satz: "Wir verstehen uns ohnehin, auch ohne zu sprechen." [41] Im Gegensatz zu Togliatti hielt Pietro Nenni sich nicht an dieses Verbot und hielt vor Arbeitern in Vercelli eine Rede. Er wurde kurzzeitig verhaftet, nach energischen Protesten jedoch wieder freigelassen. [42]

IKP ohne Programm

Am 19. Mai sprach Togliatti dann in einer geschlossenen Versammlung des Mailänder Partei-Sekretariats. Er erklärte, dass die Aufgabe der nationalen Befreiung im Wesentlichen, aber noch nicht vollständig erfüllt sei, weil das Land noch nicht seine volle Unabhängigkeit erlangt habe. Es sei eine neue Etappe des Kampfes angebrochen, deren Aufgaben ein Kongress der Partei festlegen werde. Folgt man diesen Ausführungen, dann muss man davon ausgehen, dass die Partei kein Programm über die nach dem Sieg über den Faschismus in Angriff zu nehmenden revolutionär-demokratischen Aufgaben besaß. Der angesprochene 5. Parteitag fand erst vom 29. Dezember 1945 bis zum 5. Januar 1946 statt, als die Würfel zu den anstehenden brennenden Fragen längst gefallen waren. Er forderte, "jene Gruppen aus der Leitung des Wirtschaftslebens auszuschließen, die uns schon einmal, als sie den Faschismus aus der Wiege hoben, zum Ruin führten und noch heute unsere wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung hemmen." [43] Die sozialistische Perspektive wurde lediglich in Diskussionsbeiträgen benannt.

Fehler eingeräumt

Togliatti räumte im Oktober 1946 auf einer Organisationskonferenz in Florenz Versäumnisse ein. Es habe "keine Mobilisierung der Partei" gegeben" und es hätte bei der schwierigen Arbeit in der Regierung sicher weniger Kompromisse gegeben, wenn "von der Basis" her Druck ausgeübt worden wäre. Die nach dem Sieg der Resistenza vorhandene günstige Ausgangssituation sei "im Grunde genommen nicht genutzt" worden. Dabei verschwieg Togliattii, dass von Longo und der Basis mehrfach die Mobilisierung der Massen angemahnt worden war. Der Bericht wurde nur parteiintern behandelt und nicht publik gemacht. Erst 1972 wurde er in der theoretischen Zeitschrift der Partei "Rinascita" veröffentlicht. Pietro Secchia und Filippo Frassati sprachen in ihrer "Geschichte der Resistenza" von einer "fehlenden Revolution" und dem "Kontrast zwischen den Idealen der Resistenza und den verfolgten demokratischen Zielen".


Anmerkungen:

[1] Partito d'Azione, kleinbürgerliche radikal-demokratische Partei.

[2] Das Thema ist, wie im Weiteren angeführte Quellen ausweisen, bis heute unter Historikern umstritten.

[3] Palmiro Togliatti: Il Partito Comunista Italiano, Rom 1961, S. 81.

[4] Im April 1944 mit dem Eintritt der CLN-Parteien in die nach dem Sturz Mussolinis vom König Vittorio Emanuele III. unter Marschall Pietro Badoglio gebildete Regierung, die mit der Kriegserklärung an Hitlerdeutschland der Antihitlerkoalition beigetreten war. Ausgenommen waren die Republikaner, die das als unvereinbar mit ihrer antimonarchistischen Position erklärten, aber im CLN verblieben.

[5] Pietro Nenni, 1891-1980. Unterzeichnete als Generalsekretär 1934 gegen die Linie der Sozialistischen Internationale mit Luigi Longo das Aktionseinheitsabkommen. In Spanien Politkommissar der XII. Internationalen Garibaldi-Brigade. Von 1945 bis zum Ausschluss von ISP und IKP aus der Regierung Vizepremier. 1963 bis 1968 unter Aldo Moro Vizepremier der Mitte-Links-Regierung. Ab 1970 Senator auf Lebenszeit.

[6] Alcide De Gasperi, 1891-1954. Nahm als Christdemokrat aktiv am antifaschistischen Widerstand teil, wurde zu mehrjähriger Kerkerhaft verurteilt, nach deren Verbüßung weiter aktiv im Widerstand. An der Spitze oppositioneller Katholiken der 1926 aufgelösten Volkspartei leitete er nach dem Sturz Mussolinis 1943 deren Wiedergründung in Gestalt der Democrazia Cristiana. Auf Geheiß der USA verjagte er 1947 Kommunisten und Sozialisten aus der Regierung, setzte die kapitalistische Restauration und den Beitritt zur NATO durch. Nach Wahlniederlage der DC 1953 Rücktritt.

[7] Ferruccio Parri, 1890-1981. Mitbegründer und Führer der Aktionspartei, Teilnehmer der Resistenza, Vorsitzender des Nationalen Befreiungskomitees von Oberitalien (CLNAI). Ministerpräsident der antifaschistischen Einheitsregierung von Juni bis Dezember 1945. Er war ein mit Kommunisten und Sozialisten eng verbundener kleinbürgerlicher radikaler Demokrat.

[8] Luigi Longo: Viva L'Italia libera, Berlin/DDR 1963, S. 285.

[9] Palmiro Togliatti, 1893-1964. Mitbegründer der IKP, seit Gramscis Verhaftung 1926 Generalsekretär, nach Gramscis Tod 1937 im Amt bestätigt. An der Seite Georgi Dimitroffs seit 1934 zweiter Mann an der Spitze der Kommunistischen Internationale (Komintern). Erarbeitete auf der Grundlage der von Gramsci ausgearbeiteten nationalen Strategie die Konzeption des Eintritts der IKP zusammen mit den antifaschistischen Oppositionsparteien in die Regierung von Marschall Badoglio ("Wende von Salerno" im April 1944). Von 1944 bis 1947 Justizminister. Bei einem faschistischen Attentat im Juli 1948 schwer verletzt. Trat nach dem XX. Parteitag der KPdSU unter Chruschtschow für eine kritische Auseinandersetzung mit der "bürokratischen Degeneration der sowjetischen Gesellschaft" und gegen den Führungsanspruch der KPdSU aus. In einem für Chruschtschow bestimmten Memorandum legte er unmittelbar vor seinem Tod Gedanken zur "Einheit der kommunistischen Bewegung (...) in der Vielfalt" dar.

[10] Mattei und Moro fielen als Exponenten einer Regierungszusammenarbeit mit den Kommunisten 1962 bzw. 1978 von der CIA inszenierten Mordanschlägen zum Opfer.

[11] Leo Valiani: u. a.: Azionisti, Cattolici e Comunisti nella Resistenza, Mailand 1974, S. 428 ff.

[12] In seiner Schrift "Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky" hatte Lenin in bezug auf die Nutzung des bürgerlichen Parlamentarismus für die Verteidigung der Interessen der Werktätigen gewarnt, dessen "historische Beschränktheit und Bedingtheit" nicht zu vergessen. Werke, Bd. 28, Berlin/DDR 1959, S. 244.

[13] Per la Libertà e L'Indipendenza d'Italia, Rom 1945, S. 193.

[14] Luigi Longo: Sulla Via dell'Insurrezioine nazionale, Rom 1971, S. 262.

[15] Georgi Dimitroff: Tagebücher 1933-1943, Berlin 2000, S. 393.

[16] Alessandro (Sandro) Pertini, 1896-1988. Führender Sozialist, aktiver Antifaschist, 1929 verhaftet, zu Kerker und Verbannung verurteilt, nach Sturz Mussolinis 19434 befreit. Danach führender Vertreter des CLN, mit Longo einer der beiden Stellvertretenden Befehlshaber der Partisanenarmee, 1968-1976 Staatspräsident.

[17] Luigi Longo: Per la Democrazia e la Costituente. Ohne Jahresangabe, Gramsci-Institut Rom.

[18] Ricostruire, Resoconto del Congesso economico del PCI, Rom 1948, S. 94 ff.

[19] Marcella e Maurizio Ferrera: Cronache di Vita italiana 1944-1958, Rom 1960, S. 71.

[20] La Politica dei Comunisti dal V. al VI. Congresso, S. 91.

[21] Pietro Secchia: Gli Organi del Potere popolare, in: Longo: Sulla Via dell'Insurrezione nazionale, S. 225.

[22] Il Comunismo italiano nella seconda Guerra mondiale, Rom 1963, S. 340.

[23] Palmiro Togliatti: La Via italiana al Socialismo, Rom 1972, S. 252.

[24] "La nostra Lotta" (Zeitschrift der IKP), Nr. 5, Dez. 1943.

[25] Hier fand wahrscheinlich auch die von der KPdSU ausgehende Orientierung für die Kommunistischen und Arbeiterparteien in den Ländern des späteren Ostblocks einen Niederschlag, wo sich, so beispielsweise in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands im April 1946, KPD und SPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) vereinigten.

[26] La Politica dei Comunisti, dal V. al VI. Cngresso, ohne Jahresangabe, Gramsci-Institut, Rom, S. 135 ff.

[27] Italienische Sozialdemokratische Partei (Partito Socialista Democratico Italiano). Nannte sich bis 1952 Partito Socialista dei Lavoratori Italiani.

[28] Auch Konferenz von Jalta, Treffen der Regierungschefs der UdSSR, der USA und Großbritanniens vom 4. bis 11. Februar 1945 über die Grundsätze der Nachkriegsordnung, darunter Deutschlands, sowie die Bildung der "Vereinten Nationen". Zu Europa legte sie fest, "die letzten Spuren des Nationalsozialismus und Faschismus zu beseitigen und demokratische Einrichtungen nach freier Wahl zu schaffen". Siehe A. A. Gromyko: Geschichte der sowjetischen Außenpolitik 1917-1945. Berlin/DDR 1969, S. 519 ff.

[29] Stalin ging es, wie generell von westlicher Seite unterstellt, nicht um weltweite revolutionäre Ziele, sondern um die Sicherung des erreichten Einflussbereiches auf der Grundlage der Fortsetzung einer einvernehmlichen Zusammenarbeit mit den westlichen Alliierten. Siehe Falin, bes. S. 261 ff.

[30] "La nostra Lotta", Nr. 10, Juni 1944.

[31] Falin, passim.

[32] Nach Angaben der britischen und US-amerikanischen Aufklärung wollte die Wehrmacht die erste amerikanische Armee vernichten, auf Antwerpen vorrücken, drei alliierte Armeen abschneiden und den Anglo-Amerikanern eine Niederlage ähnlich wie 1940 bei Dünkirchen bereiten. Politisch-strategisches Ziel war, die westlichen Alliierten separaten Kapitulationsverhandlungen gefügig zu machen, während der Krieg gegen die UdSSR weitergehen sollte.

[33] Briefwechsel Stalins mit Churchill, Attlee, Roosevelt und Truman 1941-1945. Berlin/DDR 1961, S. 369.

[34] Falin, S. 460.

[35] Bedeutender kommunistischer Philosoph. Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität von Urbino, Präsident der Internationalen Gesellschaft Hegel-Marx für dialektisches Denken, Mitglied der Leibitz-Sozietät. Zusammen mit dem 2011 verstorbenen Hans Heinz Holz Herausgeber der philosophischen Halbjahresschrift "Topos". 2018 verstorben.

[36] "Scheitern", "Verrat", "Lernprozess", in: Zur Hypothek des kommunistischen Erbes. Pankower Vorträge, Heft 47, Berlin 2003, S. 41 f. Zu De Gasperi siehe auch Ennio Di Nolfo: "Von Mussolini zu De Gasperi", bes. S. 193 ff.

[37] Giorgio Bocca, Palmiro Togliatti. Rom/Bari 1973, S. 445 ff.

[38] Sophie G. Alf: Leitfaden Italien. Vom antifaschistischem Kampf zum Historischen Kompromiß. Berlin 1977, S. 84 f.

[39] I Giorni della toria d'Italia. Dal Risorgimento a oggi Novara 1997, S. 528 f.

[40] Italia. 1945-1975. Fascismo. Antifascismo. Resistenza. Rinovamento. Mailand 1975, S. 427.

[41] Giorgio Bocca: Palmiro Togliatti, Rom/Bari 1973, S. 384 f.

[42] Enzo Piscitelli: Da Parri a De Gasperi. Storia del Dopoguerara 1945-1948, Mailand 1975, S. 47.

[43] Togliatti, Ausgewählte Reden und Aufsätze, S. 252.

[44] Togliatti: Rede auf der Organisationskonferenz in Florenz, 5. bis 6. Oktober 1946, "Rinascita", Nr. 33/1972.

[45] Frassati war Kommandant einer Garibaldi-Brigade, später leitender Mitarbeiter des Gramsci-Instituts und Professor für Militärgeschichte der Resistenza an der Universität von Pisa.

[46] Pietro Secchia/Filippo Frassati: Storia della Resistenza, Rom 1965, Bd. I, S. XIV.

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Quelle:
© 2020 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juni 2020

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