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DILJA/091: Srebrenica oder die Zerschlagung Jugoslawiens - Teil 8 (SB)


Das "Massaker von Srebrenica" - nachgelieferte Letztbegründung für die gewaltsame Zerschlagung Jugoslawiens und Präzedenzfall der humanitär bemäntelten Kriegführung westlicher Hegemonialmächte


Teil 8: 1994-1995 - Die USA brechen das UN-Embargo und schmuggeln Waffen nach Bosnien. Bosnische Muslime verstärken Angriffe auf serbische Dörfer aus der "UN-Schutzzone" Srebrenica heraus

Bereits im Jahre 1993, also weit vor den Ereignissen im Juli 1995 in der ostbosnischen Stadt Srebrenica, die als "Massaker" in die Geschichte des Bosnienkrieges eingehen sollten, wurde in der Bundesrepublik Deutschland über eine mögliche militärische Intervention im bosnischen Bürgerkrieg diskutiert. Die Vereinnahmung pazifistischer und antifaschistischer Positionen, die einst zum Gründungsmythos der Bundesrepublik Deutschland gehört hatten und einer weitverbreiteten Ablehnung jeglicher Form der Kriegführung geschuldet gewesen waren, in die militärische Interventionslogik der Gegenwart, konnte in dieser Zeit massiv vorangetrieben werden. So führten insbesondere viele sich selbst als "links" oder "alternativ" begreifende Aktivisten in Friedensbewegung und grünen Parteien eine Diskussion darüber, ob nicht aus humanitären Gründen, sprich zum Schutz bedrohter Menschen, ein militärisches Eingreifen geboten wäre.

Diese für die Rückkehr Deutschlands in die vorderste Riege kriegführender Staaten wesentliche Diskussion wurde im Zuge des Bosnienkrieges durch die Veröffentlichung eines Fotos angeheizt, das angeblich einen muslimischen Gefangenen im Lager Omarska zeigte und geeignet war, Assoziationen an KZ-Häftlinge wachzurufen. In der vom Niederländischen Institut für Kriegsdokumentation (NIOD) im April 2002 veröffentlichten und 3496 Seiten umfassenden Studie zu Srebrenica, die auf sechsjähriger Recherchearbeit und der Befragung von über 900 Zeugen beruht und bis heute als die umfassendste Untersuchung der Vorgänge in und um Srebrenica gelten kann, wurde allerdings festgestellt, daß besagtes Foto nicht aus dem Lager Omarska stammte, sondern von den bosnischen Muslimen zu Propagandazwecken plaziert worden war.

Und das mit Erfolg, denn nachdem das "gute Gewissen" der Bundesrepublik, die menschenrechtsbewegte Friedensbewegung, sich, wenn auch unter gut sichtbaren Gewissensqualen, zu einem Ja zu einer humanitär bemäntelten Militärinterventionspolitik durchzuringen begonnen hatte, gab es Jahre später, als es um den ersten Bombenkrieg mit deutscher Beteiligung ging, nämlich den NATO-Krieg von 1999 gegen die bereits dezimierte Bundesrepublik Jugoslawien, erst recht kein Halten mehr. Die Gewissensqualen einst pazifistischer grüner Friedensfreunde hatte jedoch schon 1993 eine klar antiserbische und antijugoslawische Stoßrichtung eingeschlagen, und so blieben die Drohungen, die General Sefer Halilovic, Kommandeur der Armee der bosnischen Muslime, im Januar 1993 ausgestoßen hatte, weitgehend unberücksichtigt. Bekanntlich wurden die bosnischen Muslime bereits in der Anfangsphase des Bosnienkonfliktes vom Westen und namentlich von der Bundesrepublik Deutschland unterstützt.

Allem Anschein nach hatte man den bosnischen Muslimen im Zuge dessen Zusagen gemacht, die dann wohl nicht im vereinbarten Ausmaß oder zur vereinbarten Zeit eingehalten wurden. General Halilovic soll im Januar 1993 mit folgenden Worten den europäischen Staaten gedroht haben, um ihre volle Unterstützung einzufordern bzw. zu erzwingen: "Wenn Europa seine Haltung nicht ändert, werden wir Maßnahmen ergreifen und terroristische Aktionen auf europäischem Territorium entfesseln. Viele europäische Hauptstädte werden in Flammen aufgehen." Eine solche Drohung wurde zu keinem Zeitpunkt von den bosnischen Serben oder den Regierungen Serbiens oder Jugoslawiens ausgestoßen, dennoch schlug die öffentliche Meinung keineswegs um. Die bosnischen Serben blieben die alleinigen Bösewichter ganz so, als könnten sich ihre muslimischen Kontrahenten eines Persilscheins sicher sein, weil sie im Interesse und deshalb mit Rückendeckung der westlichen Führungsstaaten die Destabilisierung, ethnische Zergliederung und spätere Zerstörung Jugoslawiens betrieben haben.

Doch nicht nur solche Drohungen eines bosnisch-muslimischen Generals, auch die von dessen Armee in den Jahren 1992 und 1993 verübten Verbrechen blieben von den westlichen Staaten und den von ihnen dominierten Institutionen der Vereinten Nationen unberücksichtigt. So wurde eine UN-Expertenkommission zur Untersuchung der Ereignisse in und um Srebrenica in den Jahren 1992/93 einberufen unter dem Vorsitz von Professor Cherif Bassiouni aus Chicago. Dieser hatte aus seinen religiösen bzw. politischen Auffassungen keinen Hehl gemacht und bei anderen Gelegenheiten deutlich gemacht, daß die Scharia eine "flexible Rechtsordnung" sei. Prof. Bassiouni hatte klargestellt, "keinen Widerspruch zwischen dem Konzept des Dschihad und der UN-Charta" feststellen zu können und bot somit die beste Gewähr, in einem religiös überlagerten politischen Konflikt wie dem zwischen den verschiedenen Volksgruppen in Bosnien-Herzegowina für die in diesem Fall von den NATO-Staaten eindeutig bevorzugte muslimische Seite Partei zu ergreifen.

Am 27. Mai 1994 legte die von Prof. Bassiouni geleitete Expertenkommission dem UN-Generalsekretär ihren Abschlußbericht vor, der keinerlei Informationen über die von den muslimischen Truppen verübten Verbrechen in Srebrenica enthielt, was de facto für deren Kommandeur Naser Oric einer nachträglichen Legitimierung, wenn nicht gar Aufforderung zu weiteren, gegen die bosnischen Serben gerichteten Taten gleichkam. Nachdem Srebrenica am 16. April 1993 zur UN-Schutzzone erklärt worden war, hätten Angriffe auf diese Stadt wie auch alle anderen, zu Schutzzonen erklärten Gebiete auf der Basis der ergangenen UN-Resolutionen für eine Intervention der NATO genutzt werden können. Von dieser Möglichkeit machte der Westen allerdings nur höchst selektiv Gebrauch. In mindestens einem Fall hat ein Kommandeur der in Sarajewo stationierten UN-Truppen (UNPROFOR) Strafmaßnahmen wegen Verstößen gegen die Schutzbestimmungen angefordert, die von muslimischer oder kroatischer Seite begangen wurden. Dies wurde abgelehnt. In Srebrenica "reagierten" die Verantwortlichen in UN und NATO erst, als die bosnische Serbenarmee auf die aus der "Schutzzone" Srebrenica heraus erfolgten Angriffe eine Gegenoffensive startete. Francis Briquemont, General der UN-Truppen, beschrieb diese Schieflage 1994 folgendermaßen (*):

Die bosnische Armee greift die Serben von einer Sicherheitszone aus an, die Serben schlagen zurück, hauptsächlich an der Frontlinie, und die bosnische Präsidentschaft beschuldigt UNPROFOR, sie nicht gegen die serbische Aggression zu schützen, und ruft nach Luftschlägen gegen die serbischen Feuerstellungen.

Doch nicht nur Briquemont, auch der britische UN-General Rose, der 1994 Kommandeur der UN-Truppen in Bosnien gewesen war, stellte in seinem Buch "Fighting for Peace" die Vorgänge im Bosnienkrieg in einem gänzlich anderen Licht dar. Über den bosnischen Vizepräsidenten Ganic schrieb General Rose, daß dieser als Leiter der bosnischen Armee für die Implementierung einer Strategie der Regierung Izetbegovic verantwortlich gewesen sei, die darin bestand, die USA bzw. die NATO zu einem Kriegsbeitritt auf ihrer Seite zu bewegen. General Rose vertrat die Auffassung, daß Ganic sich dabei weder für den Frieden noch für die Leiden der betroffenen Menschen interessiert hätte. Gegenüber den Medien lancierte Ganic Rose zufolge das Konzept eines "Opferstaates" und propagierte die Errichtung eines islamischen Großstaates, in dem die in Bosnien, dem zur Republik Serbien gehörenden Sandschak, der serbischen Provinz Kosovo und in Albanien lebenden Muslime gemeinsam leben würden.

Später sollte sich herausstellen, daß die NATO-Staaten die Interventionsermächtigungen des Weltsicherheitsrates nicht nur einseitig zur Bombardierung serbischer Stellungen, wie nach den "Massakern von Srebrenica" im August 1995 geschehen, nutzten, sondern daß aus ihrem Kreise das gegen das Bürgerkriegsjugoslawien verhängte Waffenembargo ebenso einseitig zugunsten der bosnischen Muslime unterlaufen wurde. Und wiederum ist es dem Niederländischen Institut für Kriegsdokumentation (NIOD) zu verdanken, hier für einige Aufklärung gesorgt zu haben. Einer der Autoren der niederländischen Studie, Cees Wiebes, brachte den Teil der Studie, an dem er selbst mitgewirkt hatte, als eigenständiges Buch (*) heraus, in dem die Ergebnisse über die Verwicklung westlicher Geheimdienste in den Bosnienkrieg dargestellt wurden. Diese Arbeit kann als fundiert und sachkompetent eingestuft werden. Der Autor hatte Zugang zu Geheimakten westlicher Geheimdienste und konnte ungefähr einhundert Geheimdienstagenten, wenn auch unter Wahrung ihrer Anonymität, befragen. Ihm standen hochrangige Verantwortungsträger Rede und Antwort, so etwa der damalige Chef der CIA, James Woolsey.

In dem Buch wie auch der niederländischen Studie werden die geheimen Operationen aufgedeckt, durch die das gegen alle Bürgerkriegsparteien verhängte UN-Waffenembargo zugunsten der bosnischen Muslime unterlaufen wurde. Berichtet wird von einer geheimen Allianz zwischen dem Pentagon und islamistischen Kämpfern, die heutzutage als Top-Terroristen zu den angeblich meistgesuchtesten Feinden der USA gehören und die Letztbegründung liefern für den nimmerendenden US-Antiterror-Krieg. So wurden radikal-islamistische Kämpfer aus dem Nahen und Mittleren Osten nach Bosnien gebracht, damit sie die bosnisch-muslimische Armee unterstützen. Desweiteren fädelten die USA geheime Waffenlieferungen nach Bosnien ein. Demnach wurden mit finanzieller Unterstützung Saudi-Arabiens Waffen vom Iran (!) und der Türkei gekauft und dann in nächtlichen Flügen in die bosnische Stadt Tuzla gebracht. Zunächst sollen diese Transporte durch Maschinen der Iran Air durchgeführt worden sein, später benutzten die USA jedoch eigene, schwarzgestrichene Hercules-C-130-Transportflugzeuge.

Kroatien beteiligte sich als Transitland, das gleich 20 bis 30 Prozent der Provision einbehielt. Desweiteren sollen große Mengen illegaler Waffen aus Deutschland, Belgien und Argentinien nach Kroatien geliefert worden sein. Auf amerikanischer Seite soll dieses Komplott nicht durch die CIA, sondern den Geheimdienst des Pentagon durchgeführt worden sein. Als eine weitere Umsetzung der Eskalationsstrategie, die auf die Herbeiführung einer NATO-Intervention auf seiten der bosnisch-muslimischen Armee abzielte, stellte sich die von den Vereinten Nationen den USA übertragene Aufgabe heraus, die Überwachung des Waffen-Embargos durch ihre Luftaufklärung zu gewährleisten. Da die USA ebensowenig wie die übrigen NATO-Staaten in diesem Konflikt eine neutrale Position eingenommen hatten, hätte kaum augenfälliger der Bock zum Gärtner gemacht werden können. Diejenigen, die das Waffenembargo aufs massivste verletzten, waren genau dieselben, die die Einhaltung des Waffenembargos zu beaufsichtigen hatten.

Im Frühjahr 1995 erreichten, vom Geheimdienst des Pentagon organisiert, zwei Wochen zuvor eingeflogene Waffen die bosnischen Muslime in Srebrenica. Die von der bosnisch-serbischen Armee belagerte Stadt hätte laut UN-Resolution demilitarisiert sein sollen, doch mit Hilfe der eingeschmuggelten Waffen konnten die muslimischen Kämpfer ihre Angriffe intensivieren. Wie in Cees Wiebes Buch berichtet, soll ein norwegischer UN-Soldat Augenzeuge dieses Waffenschmuggels geworden sein (***):

Er wurde von drei amerikanischen Offizieren zur Seite genommen. Sie brachten ihn auf den Balkon des fünften Stockes eines Hotels in Zagreb und machten ihm klar, daß die Sache ziemlich beschissen für ihn ausgehen könnte, wenn er bei seiner Aussage bliebe und weiter darüber spreche.

Wiebes entlastete in seinen Buch den früheren jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic, der vom Westen für die den bosnischen Serben zugeordneten Greueltaten, die in den Bosnienkriegen begangen wurden, verantwortlich gemacht wurde. Der niederländische Experte stellte fest, daß es keine Hinweise auf eine politische oder militärische Verbindung zwischen Belgrad und dem bosnisch-serbischen Generalstab gegeben habe. Damit hätte der zentrale Anklagepunkt gegen Milosevic, nämlich verantwortlich zu sein für den Völkermord in Bosnien, schon als widerlegt angesehen werden können, woran das Den Haager Tribunal und seine im Sinne der USA bzw. der NATO-Staaten agierenden Ankläger selbstverständlich kein Interesse haben konnten.

Die Ermittlungen der niederländischen Experten stießen allerdings auch auf gewisse Grenzen. So verweigerte ausgerechnet Richard Holbrooke, der Sonderbeauftragte des US-Präsidenten für Bosnien, Wiebes das Gespräch. Angesichts der Fragen, die dieser in Hinsicht auf die Verwicklung höchster US-Regierungskreise in den Waffenschmuggel an die bosnischen Muslime gestellt hätte, wird Holbrooke gute Gründe für sein Schweigen gehabt haben.

(*) zitiert aus: Srebrenica und die Politik der Kriegsverbrechen,
eine Analyse von George Bogdanich, vom 17. Juni 2005,
www.free-slobo.de/notes/050617gb.pdf

(**) Cees Wiebes, Intelligence and the War in Bosnia 1992-1995,
Lit Verlag, Münster - Hamburg - London 2003, 463 Seiten, 34,90 Euro

(***) zitiert aus: "Waffen für Srebrenica", von Jürgen Elsässer, junge Welt, 10. Juli 2004

(Fortsetzung folgt)

17. September 2008