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MELDUNG/080: Literaturhinweis - Bürgerstiftungen in Deutschland, ein alter Hut (idw)


Universität Witten/Herdecke - 04.07.2017

Bürgerstiftungen in Deutschland - ein alter Hut

Dr. Klaus Neuhoff weist in seinem neuen Buch nach, dass die Nikolaikirchen insbesondere in den Hansestädten als die ersten Bürgerstiftungen gelten können


In seinem faktenreichen Buch "Nikolaikirchen als frühe Bürgerstiftungen" weist der Autor nach, dass die Tradition der Stiftung in Europa wesentlich älter ist als bisher gedacht und dass Bürgerstiftungen keineswegs in der Neuzeit in den USA entstanden sind. Neuhoff ist Leiter des Instituts Stiftung und Gemeinwohl der Privaten Universität Witten/Herdecke. "Wenn wir heute über Bürgerstiftungen reden, dann meinen wir damit einen in den USA seit Jahrzehnten aufblühenden Stiftungstyp, der als Gemeinschaftsaktion von Bürgern auch kleinere finanzielle Beiträge zum Gemeinwohl stiftungsfähig macht. Dabei gibt es solches kollektives bürgerliches Engagement stiftungshalber in Deutschland schon seit dem Mittelalter", erklärt Neuhoff eines der Ergebnisse aus seinem Buch.

Mit seinen Recherchen konnte Neuhoff belegen, dass die ersten Stiftungen in Deutschland in der Zeit Karls des Großen entstanden und damit deutlich älter sind, als das in der Fachliteratur bisher angenommen wurde. "Das waren sogenannte Anstaltsstiftungen (Abteien, Klöster, Stifte), die vom König, vom Kaiser oder den Fürsten eingerichtet wurden und die den Zweck hatten, das Andenken an das fürstliche Haus zu bewahren (sogenannte Memoria), damit aber auch die Macht zu sichern. Wenig später haben dann die hohe Geistlichkeit und die Kirche allgemein ähnliche Stiftungen errichtet", beschreibt Neuhoff die Ursprünge der Stiftungsbewegung in Europa und im Reich.

Mit dem Aufkommen des Fernhandels vom Mittelmeerraum in den Norden Europas, betrieben von reisenden Kaufleuten, die in Hansen oder Fahrensgenossenschaften organisiert waren, entstand dann in den aufblühenden Städten eine große Finanzkraft, die zu sogenannten Kaufmannskirchen führte (neben Stadtmauer, prächtigen Stadttoren und Rathaus). "Die Kaufleute stifteten oft Nikolaikirchen, die nach dem Heiligen Nikolaus von Myra benannt sind. Dieser war schon in der Ostkirche ein Schutzpatron der Seefahrer. So gibt es in vielen Hansestädten die eigentliche fürstliche oder geistliche Hauptkirche und dann eine weitere - ebenfalls prächtige - Nikolai- oder Marktkirche, die die Kaufleute meist durch Umlagen errichten ließen", beschreibt Neuhoff die Entstehung dieser ersten Bürgerstiftungen. "Dieses Bürgertum war es auch, das durch Privilegienerkämpfung oder - meistens - Privilegienabkauf bei den notorisch verschuldeten Herrschern der Zeit eine ziemlich weitgehende Unabhängigkeit der Städte von den Landes- oder Kirchenfürsten durchsetzte", ergänzt Neuhoff aus seinen Forschungen. "Sie formten damit das Vorbild für die Stadt von heute."


Klaus Neuhoff: Nikolaikirchen als frühe Bürgerstiftungen, Nomos, 2017, 328 S., ISBN 978-3-8487-3305-7 (87 Euro)

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution226

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Witten/Herdecke, Kay Gropp, 04.07.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juli 2017

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