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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/331: Iran-Report Nr. 11 - November 2014


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 11 - November 2014
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand



Mit der Wahl Hassan Rohanis zum iranischen Präsidenten und dessen Amtsantritt am 3. August 2013 wurde in der iranischen Politik ein bedeutender Wandel eingeleitet. Besonders augenfällig ist dies im Kurswechsel der Atompolitik. Die Öffnung der iranischen Politik nach außen und die Ankündigung innenpolitischer Reformen werden im Land von den konservativen Kräften heftig bekämpft. Der Widerstand lässt Rohani und seiner Regierung wenig Spielraum.

Der Iran-Report wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus. Auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen, sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter.


INNENPOLITIK

• Keine Zulassung mehr für Universitäten mit Geschlechtertrennung
• Mögliches Misstrauensvotum gegen Minister für Lehre und Erziehung
• Parlament verbietet Werbung für Schwangerschaftsverhütung
• Jabbari hingerichtet
• Journalistin freigelassen
• Vizepräsidentin: "Niemand wurde wegen journalistischer Tätigkeit verhaftet"
• Frauen mit Säure attackiert
• Mottahari kritisiert Rohani
• Anschlag vereitelt
• Vier Polizisten bei Anschlag getötet
• Drei Jahre Berufsverbot für Nassrin Sotoudeh
• Geheimdienst legt Teile seiner Struktur offen
• Kurdendemonstration in Teheran
• Kani gestorben


KEINE ZULASSUNG MEHR FÜR UNIVERSITÄTEN MIT GESCHLECHTERTRENNUNG

Kamran Ebrinia, Leiter der Abteilung für private Schulen und Universitäten im Kulturministeriums, erklärte am 3. Oktober laut der Agentur "Mehr", es gebe mittlerweile im ganzen Land genug Universitäten mit Geschlechtertrennung. Daher werde das Ministerium ab sofort weitere Anträge ablehnen.

Ebrinia erwähnte nicht die Zahl der bereits existierenden Universitäten mit Geschlechtertrennung. Doch iranischen Medien zufolge gibt es bereits in Großteheran und in den Provinzen West-Aserbaidschan, Ost-Aserbaidschan, Semnan, Lorestan, Hamedan, Maschhad, Ghom und Chorasan Universitäten, die entweder nur Studentinnen oder nur Studenten aufnehmen.

Wie die Agentur berichtete, wurden in der Zeit der Regierung Ahmadinedschad die Zulassungen für die Universitäten mit Geschlechtertrennung erteilt. Allerdings sollte es in jeder Provinz nur eine solche Universität geben.


MÖGLICHES MISSTRAUENSVOTUM GEGEN MINISTER FÜR LEHRE UND ERZIEHUNG

Vierzig Parlamentsabgeordnete haben ein Misstrauensantrag gegen den Minister für Lehre und Erziehung Ali Asghar Rani eingereicht. Dies gab der Abgeordnete Farhad Baschiri laut iranischen Medien bekannt. Baschiri, der selbst nicht zu den Antragstellern gehört, sagte, die vierzig Abgeordneten hätten das Präsidium des Parlaments aufgefordert, den Antrag zu bestätigen, doch "das Präsidium versucht, die Antragsteller zum Verzicht auf den Antrag zu bewegen." Dies sei in solchen Fällen üblich.

Baschiri empfahl den Unterzeichnern, mit dem Minister ein Gespräch zu führen. Möglicherweise werde es gelingen, ihn von bestimmten Maßnahmen zu überzeugen. Dann werde der Antrag hinfällig.

Die Abgeordneten werfen dem Minister vor, Staatssekretäre und Abteilungsleiter, die den Reformern nahe stehen, neu eingestellt zu haben. Sie kritisieren ferner, dass der Minister sich nicht um schwebende Zeitverträge für Lehrer gekümmert und finanzielle Forderungen der pensionierten Angestellten ignoriert habe. Tatsächlich beklagen sich Lehrer mit Zeitverträgen seit Jahren über ihre prekäre Situation. Sie haben bereits mehrmals für ihre Forderungen demonstriert.

Einer der Antragsteller sagte, es sei besser, wenn der Staatspräsident selbst sich um seine Minister kümmern würde, deren Arbeit nicht zufrieden stellend sei. So könnten Misstrauensanträge des Parlaments vermieden werden.

Seit dem Amtsantritt von Präsident Rohani hat das Parlament einen Minister, den Wissenschaftsminister Resa Faradschi Dana, durch Misstrauensantrag zur Aufgabe seines Amtes gezwungen.


PARLAMENT VERBIETET WERBUNG FÜR SCHWANGERSCHAFTSVERHÜTUNG

Das islamische Parlament hat am 7. Oktober mit großer Mehrheit jede Art von Werbung für Schwangerschaftsverhütung verboten. 127 Abgeordnete stimmten für und 18 gegen das Gesetz. 12 Abgeordnete enthielten sich. Demnach werden künftig nur noch Beratungen für Frauen erlaubt, die physisch und psychisch gefährdet sind.

Das Gesetz wurde im Rahmen eines Plans zur "Steigerung der Geburtenrate und Verhinderung des Rückgangs der Bevölkerungszahl" verabschiedet. Der entsprechende Antrag wurde im März von 82 Abgeordneten gestellt. Diese gaben zur Begründung an, den Anweisungen des Revolutionsführers Ali Chamenei Folge zu leisten. Chamenei hatte bereits vor zwei Jahren die damals noch bestehenden Maßnahmen zur Reduzierung der Geburtenrate kritisiert. "Diese Politik der Geburtenkontrolle muss unbedingt geändert werden", sagte er damals. Bereits Ayatollah Chomeini habe erklärt, Iran solle eine Bevölkerungszahl von 150 bis 200 Millionen Menschen anstreben. "So muss es sein, wir müssen diese Zahl erreichen." Erst danach könne man an Geburtenkontrollen denken, sagte Chamenei.


JABBARI HINGERICHTET

Die 26-jährige Reyhaneh Djabbari wurde am 25. Oktober im Gefängnis von Redjaischahr der Stadt Karadj erhängt. Eigentlich sollte die Hinrichtung bereits am 30. September erfolgen. Doch offenbar veranlassten Proteste aus dem In- und Ausland Justizchef Sadegh Laridschani, die Vollstreckung zu vertagen. Die Todesstrafe kann nach dem Gerichtsurteil gemäß "Qessas" (Vergeltung nach dem Prinzip Auge um Auge, Zahn um Zahn) nur dann ausgesetzt werden, wenn entweder die Familie des Opfers auf eine Bestrafung verzichtet oder der Revolutionsführer den Verurteilten begnadigt.

Djabbari wurde mit 19 Jahren wegen Mordverdacht verhaftet. Die Informatik-Studentin war damals neben ihrem Studium als Dekorateurin tätig. Als sie eines Tages in einer Eisdiele ein Telefongespräch führte, wurde sie anschließend von einem Mann angesprochen, der offenbar aus dem Telefongespräch entnommen hatte, dass sie Dekorateurin war. Er sei Chirurg und sei gerade dabei, eine Praxis einzurichten, sagte er und fragte sie, ob sie bereit sei, die Gestaltung der Räume zu übernehmen.

Der Mann, Mortesa Sarbandi, war 47 Jahre alt, verheiratet und Vater von drei Kindern. Wenige Tage nach der Begegnung in der Eisdiele holte er die junge Studentin mit dem Auto ab, fuhr zunächst an einer Apotheke vorbei, wo er wie sich später herausstellte Kondome kaufte. Die Wohnung in die er sie schließlich brachte, war ziemlich leer. Nichts deutete auf eine Arzt-Praxis hin. Djabbari schöpfte Verdacht und wollte so rasch wie möglich aus der Wohnung verschwinden.

Der Mann ging jedoch direkt zur Tat über und versuchte die Frau zu vergewaltigen. Sie wehrte sich, nahm ein Messer und versetzte ihm einen Stich in die Schulter. Dann rannte sie aus dem Haus. Draußen rief sie ohne ihren Namen zu nennen den Notdienst an. Der Mann wurde abgeholt und ins Krankenhaus gebracht, aber die Hilfe kam zu spät, er verblutete.

Djabbari wurde festgenommen, sie gestand die Tat und sagte, sie habe in Notwehr gehandelt. Wie sich herausstellte, war der Mann Mitarbeiter des Geheimdienstes, was offenbar die Justiz zur Rücksichtnahme zwang. Ein Strafgericht verurteilte Djabbari 2009 wegen Mordes zum Tode. Im selben Jahr bestätigte der Oberste Gerichthof das Urteil.

Heftige Proteste im In- und Ausland verzögerten die Vollstreckung. Zahlreiche iranische Künstler, Schriftsteller und Filmemacher baten die Familie des Getöteten immer wieder darum, auf die Vollstreckung der Strafe zu verzichten.

Der Fall Djabbari erregte international Aufsehen. Er passt nicht in das Bild, das die Regierung Rohani im Ausland gerne von der islamischen Republik präsentieren möchte. Doch die Regierung hat auf die Justiz, die sich in der Hand der Konservativen befindet, keinen Einfluss. Im Gegenteil, seit Rohanis Wahl hat die Justiz sogar eine noch härtere Gangart eingeschlagen. Politische Beobachter vermuten, dass Djabbari den Rivalitäten zwischen den staatlichen Gewalten zum Opfer gefallen ist.


JOURNALISTIN FREIGELASSEN

Yeganeh Salehi, Journalistin und Ehefrau des Korrespondenten der Washington Post Jason Rezaian, wurde freigelassen. Die Washington Post berichtete am 6. Oktober, die Journalisten sei laut Mitteilung eines Familienmitglieds von Salehi gegen Kaution freigelassen worden. Ali Rezaian, der Bruder von Jason Rezaian, schrieb in einer Email an die Washington Post, Salehi habe vor ihrer Freilassung ihren Mann, der sich ebenfalls in Haft befindet, besucht. Sie habe berichtet, dass es ihm gut ginge. Dennoch sei sie besorgt, weil ihr Mann unter erhöhtem Blutdruck leide und auf ärztliche Betreuung angewiesen sei.

Salehi arbeitet als Korrespondentin für die in den Arabischen Emiraten erscheinende Tageszeitung "The National".

Das Ehepaar war Ende Juli festgenommen worden. Der Grund für die Festnahme ist bis dato unbekannt. Kein Vertreter der Justiz hat sich bislang detailliert zu dem Fall geäußert. Allein Ghlamhossein Esmaili, Leiter der Teheraner Justiz, sagte nach der Festnahme des Ehepaares, seine Behörde werde "nach Klärung bestimmter technischer Fragen, die Öffentlichkeit informieren". Iran werde nicht dulden, dass "unsere Feinde und deren Agenten" im Land aktiv seien.

Während Rezaian sowohl die amerikanische wie auch die iranische Staatsbürgerschaft besitzt, hat Salehi nur die iranische Staatsbürgerschaft. Rezaian arbeitet seit 2012 für die Washington Post. Ein Sprecher der iranischen Justiz sagte im vergangenen Monat, aus Sicht der iranischen Justiz gelte bei Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft einzig und allein die iranische. Daher käme in solchen Fällen nur das Recht der Islamischen Republik zur Geltung.


VIZEPRÄSIDENTIN: "NIEMAND WURDE WEGEN JOURNALISTISCHER TÄTIGKEIT VERHAFTET"

Die für juristische Angelegenheiten zuständige Vizepräsidentin Elham Aminsadeh bestätigte in einem Interview mit der Agentur Tasnim Rohanis Äußerung aus einem Interview mit der CNN-Journalistin Christiane Amanpour, dass in Iran niemand wegen journalistischer Tätigkeit verhaftet worden sei.

Auf die Frage der Agentur, ob sie zu der Äußerung Rohanis und den Protesten dagegen Stellung nehmen wolle, sagte Aminsadeh: "Ich kann nur allgemein etwas dazu sagen, ohne auf Details einzugehen. Das heißt, es gibt keine Details, zu denen ich etwas sagen könnte. Ich kann nur sagen, dass kein einziger Journalist in Iran wegen seiner journalistischen Tätigkeit verhaftet worden ist."

Gegen die Äußerung Rohanis gab es zahlreiche Proteste, unter anderem von einer Gruppe iranischer Journalisten. "Ihre Äußerung erinnert an eine Methode, die sie selbst kritisiert haben: Verzerrung und Negierung der Wahrheit", schrieben die Journalisten an Rohani gerichtet.

Tatsache ist, dass sich zurzeit eine ganze Reihe von Journalisten im Gefängnis befindet. Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" bezeichnet Iran in ihrem Jahresbericht als "eines der fünf großen Gefängnisse für Journalisten in der Welt".


FRAUEN MIT SÄURE ATTACKIERT

Wie die Medien in Iran am 17. Oktober berichteten, wurden in der Stadt Isfahan einige Frauen auf der der Straße mit Säure attackiert. Kommentatoren vermuten, dass es sich um Frauen handelt, die die Kleidungsvorschriften nicht eingehalten hätten.

Die Nachrichtenagentur ISNA berichtete, dass am Abend des 15. Oktober zwei Motorradfahrer einer jungen Frau Säure ins Gesicht gespritzt hätten. Die Polizei bestätigte den Vorfall. Zeugenaussagen zufolge erlitt die Frau schwere Verbrennungen und wurde ins Krankenhaus gebracht. Es sei nicht die erste Attacke gewesen, berichtete die Agentur. Ähnliche Fälle hätten sich an den Vortagen ereignet.

Fazlollah Kafil, Stadtkommandant von Isfahan, äußerte die Vermutung, dass der Grund für die Attacken nicht eine Missachtung der Kleidungsvorschriften, sondern vielmehr persönliche Racheakte gewesen seien. Es seien nur zwei Fälle gewesen, die dazu noch zeitlich weit auseinander lägen.

Hossein Hosseinsadeh, Chef der Isfahaner Polizei, sagte, seine Behörde sei dabei, die Attacken aufzuklären.

Konservative drängen die Regierung seit Monaten, die Einhaltung der Kleidungsvorschriften für Frauen konsequenter zu überwachen. Sie kritisieren, dass die Behörden die Angelegenheit nicht ernst genug behandeln. Eine Extremistengruppe drohte, sollte die Regierung nicht härtere Maßnahmen ergreifen, werde sie selbst auf den Straßen "für die Erhaltung der Würde der Frauen" sorgen.

Am 19. Oktober erklärte Isfahans Staatsanwalt Hassan Rahimi in einem Interview mit der Nachrichtenagentur ISNA, es seien einige Spuren gefunden worden, die zu den Tätern führen könnten. Er hoffe, "in naher Zukunft" handfeste Ergebnisse der Ermittlungen bekannt geben zu können. Er lehnte es entschieden ab, dass die Attacken aufgrund einer Missachtung der Kleidungsvorschriften erfolgt seien. "Die Attacken richteten sich gegen die ganze Gesellschaft", sagte Rahimi. Selbst wenn es keine Kläger geben sollte, sei die Staatsanwaltschaft verpflichtet, dafür zu sorgen, dass das Verbrechen bestraft werde.

Auch der Chef der Isfahaner Polizei Abdolresa Aghakhani sagte, Grund für die Attacken sei nicht die Missachtung von Kleidungsvorschriften gewesen. Alle Indizien deuteten daraufhin, dass der oder die Täter persönliche Gründe gehabt hätten.

Der Freitagsprediger von Isfahan sagte in einem Interview mit ISNA: "Kein vernünftiger Mensch kann einem solchen Verbrechen zustimmen. Wenn jemand die Kleidungsvorschriften missachtet oder eine andere Straftat begeht, wird er dem Gesetz entsprechend bestraft. Dafür ist die Justiz zuständig."

Einem Bericht im Regionalprogramm von Isfahan zufolge, trauen sich viele Frauen nicht mehr ihre Wohnungen zu verlassen. Der Leiter des Unfallkrankenhauses Fereidun Abedini sagte, bisher seien vier Frauen mit Verbrennungen aufgenommen worden. Bei zwei Frauen seien die Verbrennungen schwer, bei den anderen leicht gewesen. Nasser Djurkesch, der Vater eines Opfers, sagte in einem Interview mit dem persischen Programm der BBC, seine Tochter Solheila sei auf einem Augen erblindet, das zweite Auge werde bei guter Behandlung 30 Prozent seiner Sehfähigkeit erhalten können.

Am 20. Oktober gab Vizeinnenminister Mortesa Mirbagheri die Festnahme von vier Personen bekannt, gegen die wegen der Säureattacken ermittelt werde. Er kündigte an, mit aller Härte gegen solche Verbrechen vorzugehen. Zurzeit bestehe in Isfahan kein Grund zur Sorge. Weitere Attacken werde es nicht geben. Auch Justizsprecher Mohseni Ejehi sagte auf einer Pressekonferenz am 20. Oktober in Teheran, solche "feigen, verbrecherischen und brutalen" Attacken müssten mit höchstmöglichen Strafen geahndet werden.

Am 22. Oktober gab es Massenprotestkundgebungen gegen die Säureattacken in Teheran und Isfahan. In Teheran versammelten sich die Demonstranten vor dem Parlament, in Isfahan zogen sie vor das Justizgebäude. In Isfahan versuchten Polizeieinheiten die Versammlung auseinander zu treiben. Einige Teilnehmer wurden festgenommen.


MOTTAHARI KRITISIERT ROHANI

Der Abgeordnete Ali Mottahari warf Präsident Rohani in einem Schreiben vor, seine Pflicht, sich für die Einhaltung der Verfassung einzusetzen, versäumt zu haben. Konkret kritisierte er, dass die beiden Kandidaten bei den Präsidentschaftswahlen von 2009, Mir Hossein Mussavi und Mehdi Karrubi, sich seit drei Jahren und acht Monaten in Hausarrest befinden. "Die damaligen Proteste gegen die Wiederwahl von Präsident Ahmadinedschad haben in Iran einen ähnlichen Stellenwert wie der Holocaust in Europa und den USA", schrieb Mottahari. Denn über beide Themen dürfe nur eine Meinung geäußert werden. Abweichende Meinungen sowie die Erforschung der Hintergründe seien nicht erlaubt.

In dem Schreiben an Rohani, das von der Internetseite Nameh News veröffentlicht wurde, erklärt Mottahari, Rohanis Regierung habe zwar im Bereich Außenpolitik und Wirtschaft Erfolge erzielt, sich jedoch in Bezug auf Kapitel 3 der Verfassung, welches die Rechte des Volkes betrifft, passiv und stets gleichgültig verhalten.

Mottahari, der bei den Präsidentschaftswahlen Rohani unterstützt hatte, hat oft kritisiert, dass Mussavi und Karrubi ohne Gerichtsverfahren und ohne Rechtsbeistand zum Hauarrest verdammt sind. Der Hausarrest sei weder rechtlich noch religiös oder moralisch akzeptabel, sagte er. Er kritisierte auch, dass eine Auseinandersetzung mit den damaligen Protesten und eine öffentliche Diskussion darüber praktisch verboten seien.

Mottahari forderte Rohani auf, sich in seiner Eigenschaft als Staatspräsident und Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrats für die Einhaltung der Verfassung einzusetzen und Mussavi, seine Frau Sahra Rahnaward und Karrubi freizulassen. Dies sei der einzig noch verbliebene Weg. Andernfalls werde er (Mottahari) im Parlament das Thema zur Sprache bringen, drohte der Abgeordnete.

Am 8. Oktober nahm Regierungssprecher Mohammad Bagher Nobakht zu dem Schreiben von Mottahari Stellung. Die Regierung sei im Bezug auf den Hausarrest der Politiker nicht passiv, sagte er auf einer Pressekonferenz in Teheran. Sie veröffentliche jedoch keine Berichte über ihre konkreten Aktivitäten in diesem Fall.

Rohani hatte vor seiner Wahl zum Präsidenten im Wahlkampf versprochen, er werde sich dafür einsetzen, dass der Hausarrest beendet und die politischen Gefangenen freigelassen werden.

Nobakht sagte, Mottahari sei ein "mutiger, gottesfürchtiger Abgeordneter mit einer klaren Sprache", doch er verfüge nicht über alle Informationen. "Manchmal werden Berichte zur Beruhigung der Gefühle veröffentlicht. Aber wir wollen Unruhen im Land vermeiden."


ANSCHLAG VEREITELT

Einem Bericht der Agentur ISNA vom 7. Oktober zufolge sagte Geheimdienstminister Mahmud Alawi vor dem Parlament, Sicherheitskräften sei es durch weitreichende Operationen gelungen, einen Anschlag auf ein schiitisches Heiligtum zu vereiteln. "Bedeutende Mengen Sprengstoff, die in einer heiligen Stadt des Landes eingesetzt werden sollten, wurden neutralisiert", sagte Alawi. Sicherheitskräfte hätten bei Razzien vor dem Al-Kuds-Tag am 25. Juli zwei Sprengstoffgürtel gefunden. Dabei seien 130 Mitglieder einer terroristischen Gruppe festgenommen worden. Wenn der Plan nicht entdeckt worden wäre, hätte es eine "große Katastrophe" gegeben.

Über die Zeit der Festnahme sowie die besagte Gruppe und deren Mitglieder machte der Minister jedoch keine genauen Angaben. Er bezeichnete die Gruppe lediglich als "Takfiris". So werden sunnitische Extremisten genannt, die die Schiiten als Abtrünnige vom Islam betrachten und sie bekämpfen. Auch die paramilitärische Organisation Al Forghan sei an der Planung beteiligt gewesen sei, sagte Alawi. Diese Gruppe ist in den Provinzen Sistan und Belutschistan an der Grenze zwischen Iran und Pakistan aktiv.

Alawi nannte auch nicht den Ort des geplanten Anschlags. Als heilige Städte gelten in Iran Ghom im Zentraliran und Maschhad im Nordosten des Landes.

Alawi sagte, das Informationsministerium sei bereit, mit jedem Gespräche zu führen, solange es der Sicherheit des Landes dienen würde. Dies gelte auch für die Demokratische Partei des iranischen Kurdistan oder der Kumele. Die beiden Organisationen, die seit Jahrzehnten für die Autonomie der kurdischen Minderheit in Iran kämpfen, sind verboten. Solche Kontakte gehörten zu den "genuinen Aufgaben" seines Ministeriums, sagte Alawi zu den erstaunten Abgeordneten.


VIER POLIZISTEN BEI ANSCHLAG GETÖTET

Einem Bericht der Agentur IRNA vom 9. Oktober zufolge wurde ein Polizist bei einem Angriff auf eine Polizeistation in der Provinz Sinstan-Belutschistan getötet. Bereits am Vortag hatten die Medien berichtet, dass Bewaffnete außerhalb der Stadt Sarawan, die in derselben Provinz liegt, drei Polizisten getötet hätten. Die Polizisten waren einem Notruf außerhalb der Stadt gefolgt. Dabei entwendeten die Angreifer die Waffen der Polizisten und fuhren mit zwei Fahrzeugen davon.

Indes zitierte die Webseite "Edalat News" aus der Erklärung einer Terrorgruppe mit dem Namen "Dscheich al Adl", die die Verantwortung für das Attentat übernommen hat.


DREI JAHRE BERUFSVERBOT FÜR NASSRIN SOTOUDEH

Ein "Ordnungsgericht" für Anwälte hat Medienberichten zufolge die Anwältin und Menschenrechtsaktivistin Nassrin Sotoudeh die Berufserlaubnis für drei Jahre entzogen. Das Gericht besteht aus fünf Anwälten, die von der Anwaltskammer ernannt werden. Offenbar wurde durch die Staatsanwaltschaft auf das Gericht Druck ausgeübt.

Sotoudeh, die zu den wenigen Anwälten gehört, die den Mut aufbringen, Dissidenten zu verteidigen, hat bis lang an zahlreichen politischen Prozessen teilgenommen, insbesondere gegen Aktivisten der Proteste von 2009. Sie wurde 2010 verhaftet und unter dem Vorwurf der Verschwörung gegen die Staatssicherheit zu sechs Jahren Haft und zwölf Jahren Berufsverbot verurteilt. Gegen das Urteil, das international Empörung auslöste, protestierte sie durch mehrmaligen Hungerstreik. Im September 2013 wurde sie schließlich vorzeitig aus der Haft entlassen.

Nach Aussagen von Anwälten hat es weder vor noch nach der Revolution jemals ein solches Urteil durch das Ordnungsgericht gegeben. Dasselbe Gericht hatte vor zwei Monaten die Aufforderung der Staatsanwaltschaft, Sotoudeh die Arbeitserlaubnis zu entziehen, zurückgewiesen. Sotoudeh selbst sagte kürzlich in einem Interview mit der BBC, keine andere Instanz außer dem Ordnungsgericht für Anwälte sei befugt, einem Anwalt die Berufsausübung zu verbieten.

In der Vergangenheit hat es mehrere Berufsverbote für Anwälte gegeben. Diese seien alle "illegal", sagte Sotoudeh. Sie werde gegen das Urteil nichts unternehmen. "Die Anwaltskammer ist mein Zuhause und ich werde nicht Beschwerde gegen mein Zuhause einlegen."

Sotoudeh wurde 2012 vom Europaparlament mit dem Sacharowpreis für geistige Freiheit ausgezeichnet.


GEHEIMDIENST LEGT TEILE SEINER STRUKTUR OFFEN

Zum 30. Jahrestag seines Bestehens veröffentlichte der iranische Geheimdienst am 15. Oktober eine Publikation, in der zum ersten Mal öffentlich bekannt gegeben wurde, dass das zuständige Ministerium (Informationsministerium) über 16 verschiedene Behörden verfügt. Schon zu den Zeiten des Schahregimes war die Struktur des Geheimdienstes SAVAK undurchschaubar. Es wird vermutet, dass nach der Revolution die damalige Organisation noch weiter ausgebaut wurde. Über den Geheimdienst, der sich den neuen Namen VAVAK gegeben hat, sind unzählige Gerüchte im Umlauf, zum Teil auch solche, die vom Geheimdienst selbst gestreut werden, um Angst zu verbreiten.

Über die genauen Funktionen bzw. Aufgaben der 16 Behörden verrät die Publikation nichts. Bemerkenswert ist auch, dass neben dem offiziellen Geheimdienst noch weitere Geheimdienste existieren. Es ist zum Beispiel bekannt, dass die Revolutionsgarden über einen eigenen Geheimdienst verfügen. Auch der Revolutionsführer soll einen eigenen Geheimdienst für sich eingerichtet haben.


KURDENDEMONSTRATION IN TEHERAN

Eine Gruppe von Sympathisanten syrischer Kurden versammelte sich zu einer Kundgebung vor dem UN-Büro in Teheran. Die Teilnehmer forderten von den internationalen Organisationen, insbesondere von Menschenrechtsorganisationen, die Menschen in der umkämpften syrischen Stadt Kobane zu unterstützen. Ähnliche Demonstrationen fanden auch in einigen anderen Städten Irans, vor allem in der Provinz Kurdistan, statt.

Die Teilnehmer der Kundgebung in Teheran kritisierten das Verhalten der Türkei, die nicht bereit sei, die Kurden in Kobane zu verteidigen.


KANI GESTORBEN

Der Vorsitzende des Expertenrats Mohammad Resa Mahdawi Kani ist laut einer Meldung des Sekretariats des Rates am 21. Oktober an einem Herzversagen gestorben. Er lag bereits seit fünf Monaten im Koma. Er hatte am Todestag Ayatollah Chomeinis an der Gedenkveranstaltung teilgenommen. Nach der Feier bekam er eine Herzattacke und wurde ins Krankenhaus gebracht.

Der 82-jährige gehörte zu den engsten Weggefährten Ayatollah Chomeinis. Während der Revolution von 1979 zählte er zu den Mitgliedern des Revolutionsrats, der nach dem Sturz des Schah-Regimes die Geschicke des Landes in die Hand nahm. Später bekleidete Kani verschiedene Posten. Eine Zeitlang war er Ministerpräsident.

Vor drei Jahren, als der damalige Expertenratsvorsitzende Haschemi Rafsandschani wegen schweren Kontroversen mit dem damaligen Staatspräsidenten Mahmud Ahmadinedschad sein Amt niederlegte, übernahm Kani trotz seines hohen Alters und seines schlechten gesundheitlichen Zustands den Vorsitz. Der Expertenrat ist das höchste geistliche Gremium. Er hat die Aufgabe, den Revolutionsführer zu überwachen. Zudem ist der Rat für die Wahl eines neuen Revolutionsführers oder auch der Absetzung des amtierenden Revolutionsführers zuständig. Wer nun Kani nachfolgen wird ist ungewiss.

Kani, der zu den streng konservativen Geistlichen zählte, war auch Generalsekretär der einflussreichen Organisation "Kämpfende Geistlichkeit".

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KULTUR

• Rohani kritisiert Druck auf Universitäten
• Iran auf der Frankfurter Buchmesse
• Gesetzesvorlage zur Trennung von Frauen und Männern im Beruf


ROHANI KRITISIERT DRUCK AUF UNIVERSITÄTEN

Präsident Hassan Rohani hat vor einer Versammlung von Studenten in Teheran am 7. Oktober laut iranischen Medien die Politik der Konservativen kritisiert. Er kritisierte, dass sie versuchen würden, die Humanwissenschaften an den Universitäten zu "islamisieren", den wissenschaftlichen Austausch der Universitäten zu torpedieren, die Nutzung von modernen Kommunikationsmitteln zu erschweren und das Wissenschaftsministerium unter Druck zu setzen.

Die "Islamisierung der Humanwissenschaften bedeutet nicht, dass wir die neuen Erkenntnisse der Menschheit ignorieren", sagte Rohani. "Es kann sein, dass wir einen Teil der Humanwissenschaften kritisieren, der mit der islamischen Lehre nicht übereinstimmt. Aber Kritik bedeutet nicht, dass wir wissenschaftliche Erkenntnisse einfach ignorieren und sie beiseite legen."

Revolutionsführer Ali Chamenei hatte bereits vor fünf Jahren erklärt, mehrere Bereiche der Humanwissenschaften würden bei Studenten Zweifel an den islamischen Glaubensgrundsätzen wecken. Diese Äußerung veranlasste die damalige Regierung von Mahmud Ahmadinedschad zu einer weitreichenden "Überprüfung" der Humanwissenschaften. Diese Maßnahme rief an den Universitäten bei Studenten und Lehrkräften heftige Kritik hervor. Im Zuge der Überprüfung wurden zahlreiche Professoren entlassen und Studenten exmatrikuliert.

Nun kritisierte Rohani die "leichtfertigen" Suspendierungen. Solche "Repressionen" führten dazu, dass "fähige Menschen vertrieben" und "die Schmeichler und Ja-Sager" bestätigt würden. "Wir wollen nicht, dass aus den 80 Millionen Bewohnern unseres Landes 160 Millionen werden, indem jeder Bewohner zwei Gesichter bekommt, mit denen er je nach Situation auftritt. Wir müssen Geduld haben und zulassen, dass die Menschen ihre Meinung äußern."

Rohani wendete sich auch gegen die Kritiker des schnellen Internets. "Wir können unseren Kindern nicht verbieten, die Autobahn zu benutzen, nur weil die Autos dort schnell fahren. (...) Die heutige Welt ist eine Welt der Konkurrenz, wenn wir zurückbleiben, gefährden wir unsere nationale Unabhängigkeit und Stärke", sagte der Präsident.

Am 18. Oktober schrieb Revolutionsführer Ali Chamenei in einer Order an den Obersten Kulturrat, er sei mit den bislang durchgesetzten Reformen der Humanwissenschaften noch nicht zufrieden. Diese seien nicht in einem "zufrieden stellenden Ausmaß" durchgeführt worden. Die Korrekturen und Erneuerungen in der Lehre und Forschung müssten sehr viel gründlicher und "ernster" erfolgen. Ein Zögern in diesen Angelegenheiten und eine Vertagung gründlicher Reformen würden der islamischen Revolution enormen Schaden zufügen, schrieb Chamenei.


IRAN AUF DER FRANKFURTER BUCHMESSE

In diesem Jahr war Iran bei der Frankfurter Buchmesse im Vergleich zu den Vorjahren mit mehr Verlagen und mehr Büchern vertreten. Neben dem Hauptstand präsentierte sich das Land mit einem Stand für Kinder- und Jugendbücher sowie mit einem Stand für den digitalen Bereich.

Die Teilnahme Irans an der Buchmesse steht unter der Kontrolle des Ministeriums für Kultur und islamische Führung, das dabei eng mit dem "Institut für kulturelle Ausstellungen" und dem "Verband iranischer Verleger und Buchhändler" zusammenarbeitet. Iranischen Medien zufolge war Iran in diesem Jahr mit 1.297 Titeln und 250 Jugend- und Kinderbüchern auf der Messe vertreten. Doch die Nachfrage war dürftig. Den Messebesuchern ist die persische Sprache kaum bekannt. Jene, die an iranischen Ständen Halt machen, sind zumeist Iraner oder Studenten und Lehrkräfte der Iranistik.

Mahmud Amusgar, Vorsitzender des Verbands der Verleger und Buchhändler, gestand gegenüber der BBC ein, dass Iran bislang auf der Frankfurter Buchmesse wenig Erfolg zu verzeichnen habe. Er zeigte sich aber zuversichtlich, dass sich "ein Wandel" abzeichne. "Es gibt positive Anzeichen bei den Kontakten zu ausländischen Verlegern", sagte er. Aus der Sicht westlicher Besucher gelte Iran nach wie vor als ein Öl-Exportland. "Unser Land hat es bisher nicht geschafft, sich der Außenwelt als Exportland von Büchern zu präsentieren."

Amusgar kritisierte, dass weder die Verantwortlichen für Kultur noch die Verleger in Iran den internationalen Buchmärkten die gebührende Aufmerksamkeit schenken würden. Seiner Ansicht nach müssten die Verleger die international anerkannten Standards akzeptieren und sich mit großer Geduld um Kontakte bemühen.

Das iranische Verlagswesen ist zurzeit mit großen Problemen konfrontiert. Während die Produktionskosten enorm gestiegen sind, werden die Auflagen immer geringer. Dieses Missverhältnis führt bei vielen Verlagen zu einer ausweglosen Situation. Für die meisten Verlage ist es daher finanziell kaum möglich, mit einem eigenen Stand auf der Messe präsent zu sein.

Nur Verlage, die direkt oder indirekt mit der Regierung in Verbindung stehen und staatliche Unterstützung erhalten, können ihre Bücher im Ausland präsentieren. Das führt dazu, dass von wenigen Ausnahmen abgesehen, auf den Messen im Ausland nur "Staatsverlage" das Land präsentieren, nicht aber kritische oder regierungsunabhängige Verlage.

In diesem Jahr haben zwei Verlage, Naschr-e Tschekkeh und Sabk-e No, ihre Teilnahme an der Frankfurter Messe selbst finanziert. Beide Verlage veröffentlichen vorwiegend literarische Bücher.

Auch der "Verein der Verlegerinnen für Kunst und Kultur" war auf der Messe präsent. Dieser Verein wird von nahezu sechzig Verlegerinnen unterstützt. Ziel des Vereins ist laut eigenen Angaben die "Auseinandersetzung mit der Lage der Frauen und die Beseitigung von Problemen bei deren geistigem Austausch".

Die wohl bekannteste Verlegerin Irans, Schahla Lahidschi, sagte der Agentur IRNA, ihr Verlag "Roschangaran" werde an der Frankfurter Buchmesse nicht teilnehmen. "55 Bücher unseres Verlags liegen noch bei der Zensurbehörde. Wir haben keine Ahnung, was mit diesen Büchern geschehen wird. Die Behörde hat uns noch keine Antwort gegeben. Damit haben wir nichts Neues, was wir auf der Messe vorstellen könnten."

Einige Verlage, die nicht in der Lage waren ihre Bücher mit einem eigenen Stand zu präsentieren, haben sich dem Verband von Verlegern und Buchhändlern angeschlossen. So präsentierte der Verband rund 200 Bücher, die bei regierungsunabhängigen Verlagen erschienen sind.

Aktiv auf der Messe vertreten war auch die iranische Agentur Ghasal, die versucht ausländischen Verlagen literarische Werke anzubieten. Ferner war das neu gegründete "Netz iranischer Übersetzer" vor Ort. Die Organisation steht nach eigenen Angaben mit rund 500 Übersetzern in Kontakt, darunter auch Übersetzer für Spezialgebiete. Sie bietet ihre Dienste im Internet an (http://en.worldtranslators.net/).

Schließlich waren auf der Messe auch einige iranische Schriftsteller anwesend, die versuchten mit ausländischen Kollegen und Verlagen Kontakt aufzunehmen.


GESETZESVORLAGE ZUR TRENNUNG VON FRAUEN UND MÄNNERN IM BERUF

Eine Gruppe von Parlamentsabgeordneten hat eine Gesetzesvorlage vorgelegt, die vorsieht, dass Frauen nur dann in Arbeitsstätten tätige sein dürfen, wenn sie nicht mit Männern in Berührung kommen. Eine Missachtung dieser Vorschrift soll laut Gesetzentwurf mit einer einwöchigen Schließung des betroffenen Betriebs und bei Wiederholung mit einem Monat Schließung bestraft werden. Ausgenommen sind Krankenschwestern und Ärztinnen sowie Berufe wie Stewardessen bzw. Tätigkeiten mit Sondergenehmigungen.

Das Teheraner Rathaus hat bereits den Versuch unternommen, in der Verwaltung Frauen stärker von Männern zu trennen.

Die Gesetzesvorlage der Abgeordneten fordert weiterhin, dass die Missachtung von Kleidungsvorschriften sowie von Vorschriften im Fastenmonat Ramadan mit einer hohen Geldstrafe geahndet wird.

Sollte die Vorlage die Zustimmung der Mehrheit der Abgeordneten finden, wird künftig auch jeder, der eine Parabolantenne zum Empfang von Satelliten -Fernsehen installiert hat, mit einer hohen Geldsumme oder Gefängnis bestraft werden.

Bereits vor zwanzig Jahren hatte das islamische Parlament ein Gesetz verabschiedet, wonach das Innenministerium verpflichtet wurde, Parabolantennen durch die Polizei beschlagnahmen zu lassen. Doch das Gesetz ließ sich nicht durchsetzen. Sobald in einem Stadtbezirk Polizeikräfte auftauchten, wurden die Antennen versteckt und später wieder installiert.

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WIRTSCHAFT

• Atomkonflikt
• Pasdaran - ein Wirtschaftsgigant
• Rezession überwunden, aber vom Aufschwung weit entfernt
• 400 Millionen Dollar iranischen Guthabens freigegeben
• Tourismus-Boom


ATOMKONFLIKT

Wenige Wochen vor dem Ablauf der auf den 24. November festgesetzten Frist sind bei den Verhandlungen über das iranische Atomprogramm nach wie vor wichtige Fragen ungelöst. Verhandlungsteilnehmer zeigen sich skeptisch, ob in der verbleibenden Zeit noch eine Einigung erreicht werden kann. Manche sprechen von einer möglichen Verlängerung der Frist.

Präsident Hassan Rohani rief die Verhandlungsdelegationen zur Geduld auf. "Man kann nicht alle Differenzen der vergangenen zwölf Jahre auf einmal lösen", sagte er der Agentur ISNA zufolge am 1. Oktober. Bei den Verhandlungen im September in New York habe es keinen Durchbruch gegeben. Zwar seien alle Beteiligten bemüht, die Frist einzuhalten, doch eine Einigung ohne die Aufhebung aller Sanktionen gegen Iran hätte keinen Sinn.

Außenminister Mohammad Dschawad Sarif äußerte die Meinung, die dauerhafte Krise im Nahen Osten, die durch geopolitische Rivalitäten entstanden sei, habe eine Lösung der Probleme in Syrien und des Konflikts über das iranische Atomprogramm verhindert. Bei einem Treffen mit EU-Parlamentariern in Teheran am 6. Oktober betonte Sarif: "Die Verhandlungspartner Irans müssen die Realitäten über das iranische Atomprogramm akzeptieren. Die Zeiten haben sich geändert. Man kann nicht um zehn Jahre zurückgehen."

Am 7. Oktober trafen Vertreter der Internationalen Atombehörde (IAEA) unter der Leitung des Stellvertretenden Direktors der Behörde Tero Tapio Varjoranta zu zweitägigen Gesprächen in Teheran ein. "Die Verhandlungen waren offen, äußerst seriös und sehr konstruktiv", zitierte die Agentur Fars Resa Nadschafi, IAEA-Botschafter Irans, am 8. Oktober.

Zu der im November vergangenen Jahres getroffenen Vereinbarung zwischen Iran und der 5+1 Gruppe gehören Verhandlungen der IAEA mit Iran über technische Details, die parallel zu den politischen Verhandlungen geführt werden. Eine politische Einigung wäre demnach nur dann möglich, wenn die technischen Fragen geklärt worden sind.

Die IAEA erklärte nach der Rückkehr ihrer Delegation nach Wien am 9. Oktober, die Untersuchungen der Behörde hätten keine Fortschritte gebracht. Bei den offenen Fragen gehe es um Experimente zur Zündung hoch explosiver Materialien. Zudem gab die Behörde bekannt, dass einem amerikanischen Delegationsmitglied die Einreise nach Iran verweigert worden sei. Das bestätigte auch Botschafter Nadschafi. Die Person habe eine "bestimmte Nationalität", sagte er. Iran sei nicht verpflichtet, jedem Delegationsmitglied die Einreise zu gestatten. Offenbar war es schon das dritte Mal, dass dem Amerikaner die Einreise verweigert wurde.

Die ungelösten technischen Fragen sowie die wenig Erfolg versprechenden politischen Verhandlungen veranlassten Iran, eine mögliche Verschiebung der festgesetzten Frist ins Spiel zu bringen. Die Nachrichtenagentur Fars zitierte den iranischen Verhandlungsführer Abbas Araghtschi am 11. Oktober mit den Worten, eine Verschiebung der Frist müsse in Betracht gezogen werden. Das sei durchaus möglich. Auch Präsident Rohani sagte am 14. Oktober, er schließe eine Fortsetzung der Gespräche auch nach dem 24. November nicht aus. Bereits einen Tag zuvor hatte Rohani im iranischen Fernsehen gesagt, das Hauptproblem bei den Verhandlungen sei der "Zeitplan". Es herrsche zum Beispiel kein Konsens über die Frist für die gänzliche Aufhebung von Sanktionen, ebenso wenig darüber, wie lange Iran sein Atomprogramm einschränken müsse. Dennoch zeigte sich der Präsident zuversichtlich, dass es letztendlich zu einem Abkommen kommen werde. In "allgemeinen Fragen" sei bereits Einigung erzielt worden, sagte Rohani, vor allem über das Recht Irans, Uran anzureichern. "Doch über Details gibt es noch Meinungsunterschiede.

Dass in Natans Uran angereichert wird und Fordo zu den Atomzentren des Landes gehört, stehe außer Debatte. Auch, dass wir den Schwerwasserreaktor in Arak benötigen. Diskutiert wird nur noch über die Besonderheiten dieses Reaktors", so Rohani.

Auch der russische Außenminister Sergej Lawrow sieht die Möglichkeit einer Verlängerung der Frist. Nach einem Gespräch mit US-Außenminister John Kerry in Paris am 15. Oktober sagte er, er sei sicher, dass im iranischen Atomkonflikt "ein Kompromiss möglich ist", aber er sei sich nicht sicher, ob dies bis zum 24. November erreicht werden könne.

Kerry sagte, zwar gebe es noch wichtige Differenzen, aber eine Einigung bis zum 24. November läge durchaus im Rahmen des Möglichen. Kerry traf sich am selben Tag mit Irans Außenminister Sarif und der EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton in Wien. Der Agentur IRNA zufolge dauerte das Dreiergespräch sieben Stunden. Es sei über den Umfang der Urananreicherung, einen Zeitplan für die Aufhebung der Sanktionen sowie über die Frist bis zu einem endgültigen Abkommen verhandelt worden. "Wir sind dabei, uns nach vorn zu bewegen", sagte Sarif nach dem Gespräch am 16. Oktober.

Die dpa zitierte am 16. Oktober einen Diplomaten, der über einen Kompromissvorschlag aus Washington berichtete. Demnach räume Washington Iran ein, größere Teile seiner atomaren Infrastruktur zu behalten, vorausgesetzt, Iran würde seine Kapazität zum Bau einer Atombombe weiter reduzieren. Mit anderen Worten, Iran soll erlaubt werden, mehr Zentrifugen zur Urananreicherung in Betrieb zu nehmen, wenn das Land bereit wäre seine Vorräte an fast atomwaffenfähigem Uran abzubauen.

Die Gespräche in Wien wurden unter Einbeziehung der gesamten 5+1-Gruppe bis zum 17. Oktober fortgesetzt. Im Anschluss daran sagte Sarif: "Wir haben auf allen Ebenen Fortschritte erzielt und anstatt uns nur auf Probleme zu konzentrieren mehr über Lösungen gesprochen." Zugleich betonte der Minister: "Uns stehen noch ernsthafte Gespräche über verschiedene Themen bevor."

Nach den Gesprächen in Wien erklärte Teheran überraschend, eine Verlängerung der Frist sei nicht geplant. "Alle sieben Parteien wollen eine Lösung bis Ende November, daher steht auch eine Verlängerung der Frist derzeit nicht zur Debatte", sagte Araghtschi der

Agentur ISNA zufolge am 19. Oktober. Vor Ablauf der Frist seien Gespräche auf

Expertenebene sowie ein trilaterales Treffen zwischen den USA, der EU und Iran auf Außenministerebene geplant. Auch werde es weitere Treffen der 5+1-Gruppe geben.

Der iranische Parlamentsabgeordnete Dschawad Karimi Ghoddussi sagte der Agentur "Mehr" zufolge am 21. Oktober unter Berufung auf eine Äußerung von Araghtschi im Ausschuss für nationale Sicherheit und Außenpolitik, die USA hätten bei den jüngsten Verhandlungen zugestimmt, dass Iran 4.000 Zentrifugen in Betrieb nimmt. Bislang hätte Washington die Zahl der Zentrifugen auf maximal 1.300 beschränken wollen, sagte der Abgeordnete. Iran besitzt zurzeit 19.000 Zentrifugen.

Am 23. Oktober erklärte die Sprecherin des Teheraner Außenministeriums Marsieh Afkham: "Wir unternehmen jetzt die letzten Schritte (im Atomkonflikt), die sind aber besonders schwer und hart." Sie forderte die Mitglieder der iranischen Verhandlungsdelegation auf, auf Berichte über den Inhalt der Verhandlungen zu verzichten.

In den letzten Tagen hatten die Medien unter Berufung auf Verhandlungsteilnehmer Details über den Inhalt der Gespräche veröffentlicht, die sie als mögliche Lösungen darstellten. Das Außenministerium dementierte die Meldungen.

Gefragt nach ihrer Meinung zu der Aussage Präsident Obamas, die Aufhebung der Sanktionen setze die Zustimmung des US-Kongresses voraus, sagte Afkham, dies seien innere Angelegenheiten der USA, die die USA selbst regeln müssten. "Für uns sind die Vereinbarungen mit der 5+1Gruppe entscheidend." Gemäß den Vereinbarungen in Genf gehe es um die gänzliche Aufhebung der Sanktionen und nicht um deren vorübergehende Aussetzung.

Indes erklärte US-Außenminister John Kerry, die Regierung habe keineswegs die Absicht, Entscheidungen am Kongress vorbei zu treffen. Er und der Präsident seien der Auffassung, dass "der Kongress in dieser Angelegenheit eine wichtige Rolle spielt. Diese Rolle werde er auch weiterhin innehaben". Allerdings besteht die Regierung darauf, dass die Entscheidung über eine vorübergehende Aussetzung von Sanktionen, die vom Finanzministerium verhängt worden sind, allein beim Präsidenten liege und nicht beim Kongress.

"Wir werden zunächst die Aussetzung der Sanktionen prüfen. Das kann der Präsident beschließen, weil dies der Weg ist, um die Verhandlungen weiterführen zu können", sagte Kerry. Das bedeute aber keineswegs, dass der Kongress außen vorgelassen werde. Er werde den Kongress über der Ablauf der Verhandlungen kontinuierlich informieren. Der Minister verzichtete in seinem Bericht auf Details, da die Verhandlungen nicht öffentlich gemacht werden sollen. Er fügte aber hinzu, beide Seiten hätten "höflich aber ernsthaft verhandelt". "Ich habe Hoffnungen, bin aber nicht optimistisch - ich hoffe, dass es uns gelingt, die bestehenden Gräben zu überbrücken", sagte Kerry.

Am 24. Oktober warf Wendy Sherman, Staatssekretärin für politische Beziehungen und Verhandlungsführerin der US-Delegation, laut AP mehreren Alliierten der USA, wie z.B. Israel und den arabischen Staaten am Persischen Golf, sowie einigen Kongressabgeordneten vor, sie würden auf einen Misserfolg der Atomgespräche hoffen. Andere hingegen befürchteten ein Scheitern der Verhandlungen.

Sherman warnte während einer Rede im Zentrum für internationale und strategische Studien, ein atomar ausgerüsteter Iran würde zu einer unakzeptablen Destabilisierung der Lage im Nahen und Mittleren Osten führen. Sie verteidigte die Vereinbarungen des vergangenen Jahres in Genf, die ihrer Ansicht nach das iranische Atomprogramm eingeschränkt und es transparenter gemacht hätten. Ein endgültiges Abkommen würde "alle Wege versperren, die zu einer atomaren Bewaffnung Irans führen könnten". Sie forderte Iran auf, überzeugend nachzuweisen, dass sein Atomprogramm ausschließlich friedlichen Zwecken diene und auch in Zukunft dienen werde. Sie betonte, dass die Verhandlungen über den Atomkonflikt in keinem direkten Zusammenhang mit anderen Konflikten stehen. Ihre Fortsetzung bedeute nicht, dass die USA ihre Position gegenüber Irans Rolle in der Region und Teherans Menschenrechtspolitik geändert hätten. Sie habe bei ihren Gesprächen mit Vertretern der iranischen Regierung immer wieder die Freilassung iranisch-amerikanischer Staatsbürger, die sich in iranischer Haft befänden, gefordert.


PASDARAN - EIN WIRTSCHAFTSGIGANT

Einem Bericht des persischen Programms der BBC vom 4. Oktober zufolge, genießen die Revolutionsgarden (Pasdaran) auch in der Ära Rohani besondere Privilegien, mit denen sie ihre überragende Stellung in der iranischen Wirtschaft weiterhin behaupten können.

Der Vorsitzende des Rats für Freiwirtschaftszonen Akbar Torkan, der Präsident Rohani nahe steht, teilte Ende September laut Medien mit, dass er in Begleitung des Kommandanten der Marineabteilung der Pasdaran Ali Fadawi auf die Insel Faru am Persischen Golf reisen werde, um dort Großprojekte zu besichtigen, die dort von den Pasdaran durchgeführt werden sollen. Die Regierung habe die Absicht, die Kapazitäten der Pasdaran zum Ausbau der Insel einzusetzen, sagte er. Fadawi äußerte die Hoffnung, dass es den Pasdaran in Kürze gelingen werde, neben dem Bau des Hafens Schahid Redschai auch den Hafen Oslawijeh und den Flughafen auf der Insel Groß-Tonb fertigzustellen.

Die Pasdaran, die nach der Gründung der Islamischen Republik als Volksmiliz gegründet wurden, entwickelten sich im iranisch-irakischen Krieg (1980-1988) in Konkurrenz zu den regulären Streitkräften zu einer wichtigen militärischen Kraft. Inzwischen verfügen sie über alle militärischen Gattungen und sind weitaus moderner ausgerüstet als die regulären Streitkräfte. Doch ihre Rolle blieb nicht auf das Militärische beschränkt. Auch politisch gewannen sie immer mehr an Einfluss. Zudem wurden sie bereits vor Jahrzehnten wirtschaftlich aktiv. Mittlerweile haben sie sich zu einem wirtschaftlichen Giganten entwickelt. Vor allem in der Regierungszeit des Präsidenten Ahmadinedschad (2005-2013) übernahmen die Pasdaran große staatliche Aufträge zur Durchführung von Infrastruktur-Projekten. Sie bauten Flughäfen, Häfen, Staudämme, Straßen, Autobahnen und dergleichen mehr. Auch in der Öl- und Chemie-Industrie und im Bankgeschäft spielen sie eine große Rolle.

Diese Konzentration von militärischer, wirtschaftlicher und politischer Macht ließ die Befürchtung aufkommen, dass die Pasdaran zu einem Staat im Staat werden. Man sprach schon von einer aufkommenden Militärdiktatur.

Mit dem Regierungswechsel im vergangenen Jahr hoffte man in Iran auf eine Einschränkung der Macht der Pasdaran. Manche Politiker forderten öffentlich, die Pasdaran sollte sich ihren militärischen Aufgaben widmen und sich aus der Politik heraushalten. Vor allem die Reformer verlangten, dass staatliche Großprojekte an die Privatwirtschaft vergeben werden sollten. Doch offenbar, bleibt die Rolle der Pasdaran auch nach dem Regierungswechsel unangetastet. Von Staatsaufträgen in der Ölindustrie in Höhe von mehreren Milliarden Dollar bis hin zu kleineren Aufträgen im Wert von einigen Millionen werden nach wie vor zahlreiche staatliche Aufträge an die Pasdaran vergeben.

Allein ein Auftrag im Bereich der Gas- und Ölindustrie beläuft sich auf einen Wert von 25 Milliarden Dollar. General Abolghasem Mosaffari Schams, ehemaliger Kommandeur des Militärstützpunkts Chatam al Anbia, sagte, der Wert der Projekte, die allein dieser Pasdaran-Stützpunkt übernommen habe, entspreche ca. sieben Prozent des gesamten Staatsetats für den Ausbau der Infrastruktur des Landes. Hamid Mussavi, ein Abteilungsleiter des Stützpunkts, sagte, der militärisch-wirtschaftliche Stützpunkt habe bislang rund 4.560 Projekte durchgeführt. Insgesamt sei der Stützpunkt mit der Ausführung von rund 13.000 Projekten beauftragt worden. Der Kommandant des Stützpunkts General Ebadollah Abdollahi berichtete über mehr als 130.000 Mitarbeiter und rund 5.000 Zuliefererfirmen, die direkt mit dem Stützpunkt zusammenarbeiteten.

Trotz diesen gigantischen Aktivitäten behaupten die Pasdaran, dass sie kein Konkurrent der Privatwirtschaft seien. Gleichwohl seien allein die Pasdaran in der Lage, Großprojekte durchzuführen, behaupten vor allem jene, die von der gegenwärtigen Situation profitieren. Kritiker werfen ihnen hingegen vor, die Wirtschaft des Landes monopolisiert zu haben.

Präsident Rohani forderte kurz nach seiner Amtsübernahme im vergangenen Jahr auf einer Versammlung der Pasdaran, sie (die Pasdaran) sollten "die Ärmel hochkrempeln" und einen Teil der Lasten der Regierung tragen. Auch er vertrat die Ansicht, dass die Pasdaran kein Rivale der Privatwirtschaft seien. Dennoch warf General Mohammad Ali Dschafari der Regierung wenige Monate später vor, die wirtschaftlichen Kapazitäten der Pasdaran nicht ausreichend zu nutzen.


REZESSION ÜBERWUNDEN, ABER VOM AUFSCHWUNG WEIT ENTFERNT

Bei einer gemeinsamen Sitzung von Regierung und Parlament am 8. Oktober sagte Präsident Rohani: "Wir haben die Rezession überwunden, aber vom Aufschwung sind wir noch weit entfernt."

Rohani zeigte sich mit den Erfolgen seiner Regierung in der Wirtschaft und bei den Atomverhandlungen zufrieden. "Ich hoffe, dass wir mit Hilfe des Parlaments in anderthalb Jahren eine einstellige Inflationsrate und ein kontinuierliches Wachstum von über sechs Prozent erreichen werden", sagte der Präsident.

Die Inflationsrate lag im Sommer vergangenen Jahres noch bei über 40 Prozent. Den Berichten zufolge ist sie im September auf 21,1 Prozent gesunken.

Auch Parlamentspräsident Ali Laridschani, der an der Sitzung teilgenommen hatte, äußerte sich zufrieden über die wirtschaftliche Entwicklung. Er sehe deutliche Zeichen für einen beginnenden Aufschwung, sagte er. Dies zeige, dass die Regierung auf dem richtigen Weg sei. "Hinter uns liegen Zeiten, in denen die Inflationsrate nahezu täglich anstieg und das Wachstum bei fünf Prozent minus lag. Diese Zeiten haben viel Unheil über das Land gebracht", sagte Laridschani.

Sowohl Rohani als auch Laridschani betonten die Notwendigkeit einer Lösung des Atomkonflikts. Rohani sagte, bei wichtigen nationalen Fragen, müsse zwischen dem Parlament und der Regierung Einigkeit herrschen, damit auch die Verhandlungsdelegation selbstbewusst und entschlossen auftreten kann.

Die Gegenseite bei den Atomverhandlungen (Gruppe 5+1) verlange nicht die Stilllegung des Schwerwasserreaktors in Arak, auch die Fortsetzung des iranischen Atomprogramms stehe nicht zu Debatte, ebenso wenig wie die Fortsetzung der Aktivitäten in der Atomanlage Fordo. Schließlich hätten sich die in Bezug auf vermeintliche Militärbasen aufgestellten Behauptungen als unhaltbar erwiesen. Kontroverse Meinungen gäbe es nur noch in einzelnen Fragen, sagte Rohani.

Auch Laridschani erklärte, bei dem Atomkonflikt handele es sich um eine nationale Angelegenheit. Daher müssten alle staatlichen Instanzen "mit einer Stimme sprechen". Ohne diesen Zusammenhalt sei eine Lösung des Konflikts nicht möglich. Laridschani fuhr fort: "Die Menschen in unserem Land stellen bei der Regierung vernünftiges Handeln fest. Daher sind sie zuversichtlich, dass auch der Atomkonflikt gelöst wird." Das diplomatische Vorgehen der Regierung in der Region und international sei "korrekt". Laridschani bedankte sich bei dem Präsidenten und dem Außenminister für die "richtige und vernünftige" Außenpolitik.


400 MILLIONEN DOLLAR IRANISCHEN GUTHABENS FREIGEGEBEN

Die iranische Zentralbank gab am 21. Oktober laut IRNA bekannt, dass nach einer Einigung mit der 5+1 Gruppe 400 Millionen Dollar iranischen Guthabens freigegeben worden seien. Die Freigabe erfolgte aus den Schulden Indiens an Iran durch die Zentralbank der Arabischen Emirate.

Bei der Summe handelt es sich um die dritte Rate von insgesamt 2,8 Milliarden Dollar, die mit der im Juli vereinbarten Verlängerung der Atomverhandlungen bis zum 24. November diesen Jahres freigegeben werden sollen. Mit der dritten Rate sind nun seit der Verlängerung des Abkommens insgesamt bereits 1,4 Milliarden Dollar freigegeben worden. Das eingefrorene Guthaben Irans wird auf ca. 100 Milliarden Dollar geschätzt.

Nach dem Abkommen von Genf, das im Januar diesen Jahres in Kraft trat, wurden bis zum Ablauf der sechsmonatigen Frist bereits 4,2 Milliarden Dollar des iranischen Guthabens im Ausland freigegeben.


TOURISMUS-BOOM

Seit Rohanis Amtsantritt floriert der Tourismus in Iran zunehmend. Nach Angaben von Vizepräsident Masud Soltanifar nahm die Anzahl der Touristen im vergangenen Jahre (von März 2013 bis März 2014) um 30 Prozent zu. Die rund 4,5 Millionen Touristen, die Iran in diesem Zeitraum besucht haben, hätten umgerechnet 4,7 Milliarden Euro Devisen ins Land gebracht, sagte Soltanifar am 18. Oktober im iranischen Fernsehen. Die Zahl der Touristen aus Europa habe sogar um 200 Prozent zugenommen. Unter den Besuchern seien besonders viele Deutsche.

Der Vizepräsident führte den Boom auf die Wahl von Präsident Rohani zurück. Seit dessen Amtsantritt seien die Einreisebestimmungen gelockert worden. Die Botschaften seien angewiesen worden, Visa innerhalb einer Woche auszustellen.

Iran ist mit seinen historischen Bauten, seiner vielfältigen Landschaft und der weit verbreiteten Gastfreundschaft für Touristen sehr reizvoll. In den vergangenen Jahren wurden viele Hotels und Restaurants für Touristen gebaut. Soltanifar kündigte an, dass die Regierung den Bau von weiteren hochwertigen Hotels fördern wolle.

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AUSSENPOLITIK

• Irans Rolle in den Konflikten der Region
• Hisbollah begrüßt Irans Engagement in Libanon
• Netanjahu zeigt sich besorgt über iranisches Atomprogramm
• Iran besorgt über Spionage der IAEA
• Pakistanischer Botschafter einbestellt
• Beziehungen zu Großbritannien: "keine Eile"
• Mehr Vertrauen zwischen Iran und dem Westen gefordert
• UNO verurteilt Hinrichtungen in Iran
• Freiburg nimmt Partnerschaft mit Isfahan wieder auf


IRANS ROLLE IN DEN KONFLIKTEN DER REGION

Über Irans Rolle in der Region herrscht im Westen bislang keine Einigkeit. Unter den westlichen Staaten ist es zwar unumstritten, dass Iran als wichtige Regionalmacht über großen Einfluss im Irak, in Syrien und im Libanon verfügt. Folglich wäre es naheliegend, das Land in die multilateral koordinierten Aktivitäten zur Lösung des Konflikts in Syrien und dem Irak mit einzubeziehen. Aus Sicht der westlichen Staaten und insbesondere den USA gibt es jedoch ernsthafte Vorbehalte gegen eine engere Zusammenarbeit mit der Islamischen Republik. Hintergrund dieser Haltung ist u.a. der Widerstand der engen Verbündeten des Westens in der Region, wie Israel und Saudi-Arabien, die jede Aufwertung Irans als Gefährdung ihrer eigenen Interessen betrachten. Zum anderen sind für diese Haltung jene Kräfte in den USA verantwortlich, die Iran gerne soweit wie möglich international isolieren würden.

Doch je mehr militärische Erfolge der sogenannte Islamische Staat (IS) erzielt, desto stärker wird spürbar, dass eine Lösung des Konflikts ohne Beteiligung der Islamischen Republik kaum noch möglich ist.

Um aus diesem Dilemma herauszukommen, schlug der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier zum Kampf gegen IS eine Kooperation mit regionalen Mächten wie Saudi-Arabien, Iran und der Türkei vor. Er wolle die betreffenden Länder davon überzeugen, "dass es notwendig ist, gemeinsam gegen den IS vorzugehen", sagte Steinmeier dem Berliner Tagesspiegel am 12. Oktober. Die genannten Staaten sollten "alte Feindschaften" überwinden. Der Minister kündigte an, dass er seinen Vorschlag bei seinem Besuch in der saudische Stadt Dschidda den Verantwortlichen unterbreiten werde. Steinmeier forderte auch die Türkei auf, sich "mit allem Nachdruck" an dem Kampf gegen den IS zu beteiligen.

Ein wichtiger Konfliktpunkt zwischen Iran und Saudi-Arabien sind ihre unterschiedlichen Interessen in Syrien. Während Saudi-Arabien auf einen Sturz des Assad-Regimes hin arbeitet, gewährt der Iran dem syrischen Präsidenten volle Unterstützung. Dieser Konflikt wurde bei Steinmeiers Besuch in Saudi-Arabien erneut deutlich. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem saudischen Außenminister Saud al-Faisal am 13. Oktober forderte Faisal Teheran zum Abzug seiner Kämpfer aus Syrien auf. "Die iranischen Streitkräfte in Syrien sind Besatzungskräfte", sagte er. "Wenn Iran Teil der Lösung sein will, muss es seine Streitkräfte aus Syrien abziehen."

Steinmeier sagte laut AFP vom 13. Oktober, Teheran müsse einsehen, dass der IS und ähnliche "terroristische Gruppen letztendlich auch eine Bedrohung für Iran darstellen, nicht nur für die sunnitischen Staaten".

Iran wies den Vorwurf Saudi-Arabiens entschieden zurück. Vizeaußenminister Hossein Amir Abdollahian warf Saudi-Arabien zugleich vor, in Bahrain militärisch präsent zu sein. Die Islamische Republik sei in der Region das Land, das sich im Kampf gegen den Terrorismus am meisten engagiere, sagte Abdollahian. Und er fügte hinzu: "Teheran unterstützt im Rahmen internationaler Vereinbarungen die Regierungen und die Völker im Irak und in Syrien bei ihrem Kampf gegen den Terrorismus."

Am 6. Oktober zeigte das iranische Fernsehen überraschend eine Aufnahme des Al-Kuds-Kommandeurs Kassem Soleimani mit kurdischen Peschmerga an der Front im Kampf gegen die IS-Miliz. Der legendäre General soll in Syrien, in Libanon sowie nun im Kampf gegen den IS erstaunliche Erfolge erzielt haben. Al-Kuds ist die Einheit der iranischen Revolutionsgarden (Pasdaran), die für Auslandseinsätze zuständig ist. Zuletzt soll Soleimani bei der Verteidigung der kurdischen Stadt Erbil eine Schlüsselrolle gespielt haben.

Iran scheint inzwischen voll im syrischen Bürgerkrieg sowie im Irak und Syrien im Kampf gegen den IS verwickelt zu sein. Zwar wird offiziell die Entsendung von Truppen in den Irak oder nach Syrien ausgeschlossen. Die Pasdaran seien nur als Berater tätig, heißt es. Es ist aber auch die Rede von "Freiwilligen", die sich zur Verteidigung schiitischer Heiligtümer an die Front gegen den IS begeben. Es wird auch nicht verhehlt, dass Teheran den Kurden massenhaft Waffen geliefert hat.

Iran warnt den Westen sowie die Staaten am Persischen Golf davor, das syrische Regime zu schwächen. Außenminister Mohammad Dschawad Sarif sagte am 6. Oktober beim Treffen mit einer Delegation der Europäischen Union in Teheran, Iran habe schon zu Beginn der Unruhen in Syrien vorausschauend vor radikalen Rebellen gewarnt und deshalb das Regime in Damaskus unterstützt. Nun müsse der Westen aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und sich beim Kampf gegen den IS nicht auf kurzfristige Strategien verlassen. Das wäre ein "gefährliches Spiel", sagte Sarif.

In einem Interview mit der BBC am 15. Oktober sagte der ehemalige UN-Beauftragte für Syrien Lakhdar Brahimi, es sei unbedingt notwendig, Iran im Kampf gegen den IS in Syrien und im Irak einzubeziehen. Iran habe im Irak einen weitaus größeren Einfluss als die USA.

Die Grünen in Deutschland forderten Außenminister Steinmeier auf, nach Iran zu reisen. "Es wird immer wieder gesagt, dass man Saudi-Arabien und Iran zusammenführen muss, um die Terrormiliz Isis zu bekämpfen. Da kann man nicht nur nach Riad fahren, sondern muss auch nach Teheran", sagte der außenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktionen der Grünen Omid Nouripour am 16. Oktober laut dpa.

Am 20. Oktober begab sich der irakische Ministerpräsident Haidar al-Abadi nach Teheran. Hauptgesprächsthema mit der iranischen Führung war der Kampf gegen den IS. Beim Treffen mit Haidar al-Abadi erklärte Ali Chamenei: "Wir stehen bei Ihnen und werden Ihre Regierung wie die vorherige Regierung entschlossen verteidigen." Iran betrachte Iraks Sicherheit genauso wie die eigene Sicherheit. Er sei davon überzeugt, dass Irak in der Lage sei, die Terroristen ohne ausländische Bodentruppen zu besiegen. Chamenei warnte vor einer externen Einmischung. "Der Status quo ist doch das Resultat der verantwortungslosen Politik ausländischer Mächte und einiger Regionalstaaten in Syrien", sagte er. Der IS sei eine Folge dieser Politik. "Daher sollte die Bekämpfung des IS auch durch die Staaten der Region und nicht durch Ausländer erfolgen, betonte der Revolutionsführer.

Auch Präsident Rohani sicherte dem Gast aus dem Irak seine volle Unterstützung zu. "So wie wir von Anfang an den Irak gegen diese Terroristen unterstützt haben, werden wir auch bis zum Ende dabei sein", sagte er. Al-Abadi sagte, "die Entwicklung Iraks und seiner Nachbarn sei nur gemeinsam möglich, denn unsere Völker sind verschiedenen Bedrohungen ausgesetzt." Laut IRNA bezeichnete er die Hilfe Irans im Kampf gegen den IS bei einem Treffen mit Parlamentspräsident Ali Laridschani als "einmalig". Iran habe besonders am Anfang des Konflikts eine "entscheidende Rolle gespielt", sagte al-Abadi. Tatsächlich gehörte Iran zu den ersten Ländern, die die Kurden im Nordirak mit Waffen unterstützt haben.

Die USA begrüßten die Bereitschaft Irans, die irakischen Nachbarn zu unterstützen. Eine Sprecherin des Außenministeriums sagte am 22. Oktober in Washington, das Bestreben Irans zu einem gemeinsamen Kampf gegen den IS könne zum Erfolg führen. Iran und Irak seien Nachbarn mit langjährigen Beziehungen. Washington habe Iran nahe gelegt, der irakischen Regierung klar zu machen, dass sie eine Regierung für das gesamt Volk sein müsse. "Das ist der Schlüssel zur Lösung der Probleme. Und das sagen wir schon seit Monaten."

Am 24. Oktober appellierte Iran an seine Nachbarstaaten, im Kampf gegen den IS politische Differenzen beizulegen. "Der Ernst der derzeitige Lage sollte in der Zwischenzeit allen Protagonisten in der Region bewusst sein", sagte Vizeaußenminister Amir Abdollahian der Nachrichtenagentur Fars. Teheran würde, um den Kampf gegen den IS effektiver führen zu können, auch eine Zusammenarbeit mit Ländern wie Ägypten, der Türkei und Saudi-Arabien begrüßen.


HISBOLLAH BEGRÜßT IRANS ENGAGEMENT IN LIBANON

Die Hisbollah hat Irans Vorschlag, die libanesischen Streitkräfte aufzurüsten, begrüßt, meldete die Agentur IRNA am 4. Oktober. Dem Bericht zufolge sagte der Chef der Exekutive der Hisbollah Haschem Seifaddin, die Hilfe komme rechtzeitig. Der Libanon müsse Iran für dieses "Geschenk" dankbar sein.

Iran habe der libanesischen Regierung eine Liste der Waffen übergeben, die Iran den Streitkräften des Landes zur Verfügung stellen möchte, berichtete IRNA. Libanons Verteidigungsminister Samir Maghbal werde seinerseits Iran eine Liste aller benötigten Waffen vorlegen, hieß es. Er werde in Kürze nach Iran reisen.

Iran will nach Angaben der Regierung, die libanesischen Streitkräfte durch die Lieferung von Waffen und Ausrüstung im "Kampf gegen den Terrorismus" stärken. Ali Schamkhani, Vorsitzender des nationalen Sicherheitsrats, hatte bereits eine Woche zuvor den Libanon besucht und bei Gesprächen mit hochrangigen Politikern die Bereitschaft Irans bekundet, den Libanon militärisch zu aufzurüsten. "Die Übergabe der benötigten Waffen werde nicht lange dauern", sagte er.

Iran hat bei der Gründung und Bewaffnung der libanesischen Hisbollah eine entscheidende Rolle gespielt. Die libanesischen Streitkräfte erhielten bislang aus Ländern wie den USA, Frankreich und Saudi-Arabien militärische Unterstützung. Diese Länder haben zwar weitere Hilfen versprochen, doch scheinen diese nicht ausreichend zu sein. Der Libanon besitzt offenbar immer noch nicht die Waffen, die er benötigt. Der syrische Bürgerkrieg hat hunderttausende Menschen zur Flucht in dem Libanon gezwungen. Die Hisbollah hat sich in dem Bürgerkrieg auf Seiten des Assad-Regimes engagiert, was auch zu militärischen Auseinandersetzungen auf libanesischem Gebiet geführt hat. Milizen des sogenannten Islamischen Staates haben vor zwei Monaten das Gebiet Arsal im Libanon besetzt und zahlreiche Soldaten in Geiselhaft genommen. Einige der Gefangenen haben sie bereits geköpft.

Am 18. Oktober wurde der libanesische Verteidigungsminister Samir Moghbel von seinem iranischen Amtskollegen Hossein Dehghan in Teheran empfangen. "Der Libanon befindet sich zurzeit im Ausnahmezustand. Daher sind die Hilfen aus Iran für uns sehr wertvoll", sagte Moghbel laut IRNA.

Dehghan erwiderte: "Die Islamische Republik ist bereit, mit dem Ziel der Stärkung der nationalen Sicherheit des Libanon dem Land neben der Ausrüstung der libanesischen Streitkräfte die eigene Erfahrung in der Bekämpfung terroristischer Gruppen zur Verfügung zu stellen."

Auch der Sekretär des nationalen Sicherheitsrats Ali Schamchani sagte bei dem Treffen mit Moghbel sowohl den libanesischen Streitkräften als auch der Hisbollah im Kampf gegen "Terroristen" Irans Unterstützung zu. Moghbel traf auch Präsident Rohani.


NETANJAHU ZEIGT SICH BESORGT ÜBER IRANISCHES ATOMPROGRAMM

Bei einem Treffen mit dem US-Präsidenten Barack Obama am 1. Oktober zeigte sich der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu besorgt über das iranische Atomprogramm. Es war das ersten Treffen zwischen den beiden Politikern nach dem Scheitern der Kerry-Initiative für neue Friedensgespräche zwischen Israel und Palästina.

Obama hatte Netanjahu vor dem Treffen erneut aufgefordert, den Konflikt mit den Palästinensern zu lösen. Der "Status quo" sei nicht hinnehmbar, sagte er. Das israelische Volk habe ein Recht auf Sicherheit, gleichzeitig müsse aber auch "die Tragödie getöteter palästinensischer Kinder" beendet werden.

Netanjahu hob bei dem Treffen hingegen die "iranische Gefahr" hervor. Er warnte vor Zugeständnissen bei den Atomverhandlungen mit Iran. "Iran strebt einen Deal an, der die harten Sanktionen aufheben ... und es an der Schwelle zur Atommacht belassen würde", sagte er. Er hoffe "inbrünstig", dass Obama einen solchen Deal nicht akzeptieren werde.


IRAN BESORGT ÜBER SPIONAGE DER IAEA

Resa Nadschafi, Irans Botschafter bei der Internationalen Atombehörde (IAEA) sagte laut IRNA vom 3. Oktober, er sei besorgt, dass als geheim eingestufte Informationen über das iranische Atomprogramm bei der IAEA an die Presse weitergeleitet worden seien. "Es ist bedauerlich, dass als geheim eingestufte Information nicht mit der erforderlichen Sorgfalt geschützt worden sind. Das hat dazu geführt, dass Informationen über ein Treffen mit den Verantwortlichen der IAEA von einer Zeitung im Westen veröffentlicht wurden." Das bestätige abermals Irans Verdacht, dass in der Atombehörde spioniert werde. Um welche Zeitung und welche Informationen es sich handelte, sagte Nadschafi nicht.

Nadschafi forderte den Chef der Atombehörde, Amano auf, dafür zu sorgen, dass Informationen sorgfältig geschützt werden.


PAKISTANISCHER BOTSCHAFTER EINBESTELLT

Nach gewaltsamen Auseinandersetzungen an der pakistanisch-iranischen Grenze, bei denen es Tote und Verletzten gab, hat das Teheraner Außenministerium den pakistanischen Botschafter einbestellt. Dabei brachte der zuständige Leiter der Abteilung für Mittelasien sein "tiefstes Bedauern" über die Vorgänge zum Ausdruck. Er sagte, die iranische Regierung sei besorgt und verwundert, dass "Terroristen", die aus dem Territorium Pakistans stammen, in der Grenzregion Anschläge verübten. Er forderte mit Nachdruck, dass die Täter "ernsthaft" verfolgt würden und Wiederholungen solcher Vorkommnisse vermieden werden sollten.

Am 19. Oktober berichtete der hochrangige Militärkommandeur Abdollah Araghi im staatlichen Fernsehen, die Regierung habe ausreichend Beweise, dass Terroristen aus Pakistan weitere Anschläge in Iran planen. Die Informationen darüber stammten aus "diplomatischen Kanälen", sagte er. Der Regierung sowie den Sicherheitsdiensten seien Dokumente und Informationen über Pläne für eine Unterwanderung durch terroristische Elemente zugeleitet worden.

Zwei Tage zuvor hatte ein Sprecher der pakistanischen Grenztruppen einer Meldung der dpa zufolge berichtet, iranische Truppen hätten das Feuer auf eine Patrouille eröffnet und dabei ein Mitglied des paramilitärischen Grenzschutzes getötet. Zudem seien drei Soldaten verletzt worden.


BEZIEHUNGEN ZU GROßBRITANNIEN: "KEINE EILE"

Die Sprecherin des Außenministeriums Marsieh Afkham sagte der Agentur "Mehr" am 8. Oktober, "die Aktivitäten zur Eröffnung der iranischen und britischen Botschaften in London und Teheran gehen ihren normalen Gang." Iran habe keine Eile, die Beziehung zu Großbritannien zu normalisieren. Die Eröffnung der Botschaften sei ein Prozess der "Schritt für Schritt" vorbereitet werden müsse. Diese mehr oder weniger abweisende Stellungnahme weist darauf hin, dass Iran die Kritik des britischen Premiers im September noch nicht verdaut zu haben scheint.

Afkham verurteilte die Äußerungen David Camerons auf der UN-Vollversammlung: "Solche Äußerungen sind inakzeptabel, sie haben die Atmosphäre beeinträchtigt", sagte sie. Cameron hatte Iran auf der diesjährigen UN-Vollversammlung im September in New York vorgeworfen, den Terrorismus zu unterstützen. Zudem kritisierte er den Umgang der iranischen Regierung mit der eigenen Bevölkerung.


MEHR VERTRAUEN ZWISCHEN IRAN UND DEM WESTEN GEFORDERT

Einem Bericht der dpa vom 15. Oktober zufolge hat Irans Parlamentspräsident Ali Laridschani auf einer Pressekonferenz in Genf für mehr Vertrauen zwischen Iran und dem Westen geworben. Gegenseitiges Vertrauen würde sowohl die Lösung des Atomkonflikts erleichtern als auch eine Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der islamischen Extremisten ermöglichen, sagte Laridschani. "Es gibt keine natürliche, direkte Verbindung zwischen Atomgesprächen und der Situation in der Region. Aber sie können verbunden werden, weil es hier Vertrauen aufzubauen gilt."

Laridschani war zur Teilnahme an der Generalversammlung der Interparlamentarischen Union nach Genf gekommen. Am gleichen Tag gab es auch ein Treffen zwischen US-Außenminister John Kerry und seinem iranischen Amtskollegen Mohammad Dschawad Sarif in Genf. Die Beiden Minister hatten sich im Rahmen der laufenden Atomgespräche getroffen.

Die noch bestehenden Differenzen im Atomkonflikt bezeichnete Laridschani als "trivial". "Wir sollten nicht über triviale Angelegenheiten feilschen", sagte er.


UNO VERURTEILT HINRICHTUNGEN IN IRAN

Dem Berichte des UNO-Menschenrechtsbeauftragten für Iran zufolge wurden vom 1. Juli 2013 bis Juni 2014 mindestens 852 Personen hingerichtet. Der UN-Sonderbeauftragte für Menschenrechte in Iran Ahmad Shahid erklärte in seinem 6. Bericht vor der UN-Vollversammlung am 7. Oktober, im ersten Halbjahr 2014 seien 411 Personen hingerichtet worden. Darunter seien acht Personen gewesen, die zur Tatzeit jünger als 18 Jahren waren.

Dem Bericht zufolge habe die Anzahl der Hinrichtungen in den letzten zehn Jahren ständig zugenommen. Während sie im Jahr 2004 noch bei 99 lag, steigerte sie sich 2013 auf 687. Die Zahlen seien alarmierend, sagte Shahid und forderte Iran auf, die Hinrichtungen zu beenden.

Der Bericht weist darauf hin, dass Iran vor vier Jahren 13 Vorschläge einer Arbeitsgruppe der UN-Menschenrechtskommission zur Gewährung von Rede- und Meinungsfreiheit akzeptiert habe, darunter die UN-Konvention zur Presse- und Meinungsfreiheit, insbesondere für Oppositionelle und politische und religiöse Minderheiten. Trotzdem werde die Meinungsfreiheit in Iran nach wie vor erheblich eingeschränkt. Das gelte auch für das Recht auf Information, heißt es in Shahids Bericht. So seien derzeit 35 Journalisten im Gefängnis und zahlreiche ihrer Kollegen seien Verhören und ständigen Kontrollen ausgesetzt.

Der Bericht erwähnt auch den sogenannten Sturm der Sicherheitskräfte auf Gefängniszellen im Eviner Gefängnis im März, bei dem die Gefangenen schwer misshandelt wurden. Unter den Gefangenen seien auch Journalisten gewesen.

Weiterhin berichtete Shahid über Folterungen, erzwungene Geständnisse, über den enormen Druck auf Verteidiger von Dissidenten sowie die Missachtung der Rechte von Frauen, Menschenrechtsaktivisten und Minderheiten.

Zugleich begrüßte Shahid das neuerliche Bemühen iranischer Politiker, mit der UNO und der Staatengemeinschaft einen Dialog zu führen.

Die Sprecherin des Teheraner Außenministeriums Marsieh Afkham lehnte Shahids Bericht ab. "Dieser Bericht ist einseitig und realitätsfern. Er ist ohne Rücksicht auf die Aufgaben des UN-Menschenrechtsbeauftragten verfasst worden und ist daher juristisch ohne Relevanz", sagte sie.

Auch der Menschenrechtsbeauftragte der iranischen Justiz Mohammad Laridschani kritisierte iranischen Medien zufolge in einem Schreiben an die UNO den Bericht. Für die Ernennung eines Sonderbeauftragten für Menschenrechte in Iran gäbe es keine juristische Begründung, schrieb er.

Es gäbe in der Region Staaten, in denen Menschen bloß wegen einer Stimmabgabe getötet würden und in denen keinerlei Bezug zur Demokratie existiere. Aber da ihre Regierungen den USA dienten und mit ihnen befreundet seien, würden sie nicht als Problemstaaten eingestuft, sagte Laridschani auf einer Pressekonferenz am 9. Oktober in Teheran.

Zu dem Bericht selbst sagte Laridschani: "Shahid muss erklären, nach welchen Kriterien er seine Auswahl trifft." Personen, die in Iran als Terroristen verhaftet oder bestraft worden seien, tauchten in Shahids Bericht als Verteidiger der Menschenrechte auf. Zudem sei aus dem Bericht nicht ersichtlich, auf wessen Informationen Shahid sich stütze. Es werde zum Beispiel über eine Frau berichtet, die angeblich ausgepeitscht und gefoltert worden sei. "Es wird aber nicht gesagt, wer diese Frau ist und in welchem Gefängnis sie sich aufgehalten hat."

Laridschani fuhr fort: "Nach unseren Gesetzen sind Folterungen verboten. Werden Misshandlungen festgestellt, werden die Täter bestraft." Es bestehe kein Zweifel darüber, dass Shahid mit seinem Bericht die Absicht gehabt habe, die Islamische Republik zu denunzieren. Auf die Frage nach dem Umgang mit den Anhängern der Bahai-Religion sagte Laridschani der Agentur ISNA zufolge, die Bahais würden gemäß den vereinbarten Bürgerrechten behandelt. "Das sind Wohlhabende. Sie besitzen Fabriken oder sind im Finanzbereich tätig. Solange sie die Gesetze der Islamischen Republik beachten, stehen sie unter dem Schutz des Staates." Die iranische Verfassung habe die offiziell anerkannten Religionen festgelegt. Die Bahais gehörten nicht dazu. Aber sie würden als Bürger akzeptiert. Wenn jemand eine Strafe begehe, spiele es keine Rolle, ob er Schiit oder Sunnit sei.

Selbstverständlich erwähnte Laridschani nicht die unerträglichen Repressionen die seit Jahrzehnten gegen die Mitglieder der Bahai-Gemeinde im Allgemeinen und gegen deren Repräsentanten im Besonderen verübt werden.


FREIBURG NIMMT PARTNERSCHAFT MIT ISFAHAN WIEDER AUF

Neun Jahre lang lag die Partnerschaft zwischen Freiburg und Isfahan - die einzige deutsch-iranische Städtepartnerschaft - auf Eis. Nun haben die beiden Städte beschlossen, die Verbindung wieder aufzunehmen. Am 16. Oktober reiste eine deutsche Delegation von Freiburg nach Isfahan. Die letzte geplante Reise einer Freiburger Delegation wurde 2005 vom Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne) abgesagt, weil der damalige iranische Staatspräsident umstrittene Äußerungen zum Holocaust gemacht hatte. Aus demselben Grund beschloss die Stadt, die Partnerschaft mit Isfahan bis auf weiteres ruhen zu lassen.

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Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung
Autor: Bahman Nirumand
Redaktion: Bernd Asbach
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13. Jahrgang

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. November 2014