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GUTE-NACHT/2370: Teddy auf dem Ortsschild (SB)


Ende der Walz - Heimkehr eines Tippelbruders

An jedem Ortseingang und -ausgang steht ein Schild mit dem Namen des Ortes, den man gleich betritt oder gerade verläßt. Die Schilder tragen den Namen des Ortes in schwarzer Schrift auf gelbem Grund. Außerdem umgibt ein schwarzer Rand das Schild. Auf der einen Seite läd das Schild in den Ort ein, auf der anderen Seite zeigt ein roter Querbalken, der den Ortsnamen quasi durchstreicht, daß hier der Ort seine Grenze hat.

Auf seiner Wanderung begegnet Teddy vielen Schildern dieser Art. Aber noch nie hat er jemanden auf einem solchen Schild sitzen sehen, außer vielleicht mal einen Vogel. Doch heute sitzt da oben ein Mann in schwarzer Kleidung. Nein, es ist kein verirrter Schornsteinfeger. Der Mann oben auf dem Schild ist ein Wandergeselle am Ende seiner Walz. Er winkt Teddy zu und fragt: "Kommst du auch gerade nach Hause? Dann hinauf mit dir mein Freund, auf dieses Schild. Für dich ist allemal noch Platz hier oben."

Unter dem Ortsschild auf dem Boden sitzend entdeckt Teddy noch zwei weitere junge Männer in der gleichen Kluft wie der Mann auf dem Schild. Eine solche Hose, sowie die Weste und den großen schwarzen Hut trägt Teddy auch selber. Die beiden Männer unten helfen Teddy hinauf auf das Schild zu kommen. Oben nimmt der junge Mann Teddy entgegen.

"Warum sitzt du hier oben auf dem Schild?" fragt Teddy frei heraus. "Weißt du das denn nicht?" fragt der junge Mann erstaunt zurück, "bist du nicht auch ein Wandergeselle? Ein Tippelbruder? Ein Tischler? Wenn nicht, warum trägst du unsere Kleidung?" Teddy möchte schon alle Fragen beantworten. Doch zuvor hat er selber Fragen. Die beantwortet der junge Mann gern. "Vor drei Jahren und einem Tag bin ich losgezogen, die Welt zu sehen. Ich ging auf die Walz wie meine Freunde hier. Dies ist ein Brauch, der aus dem Mittelalter stammt. Auf die Walz zu gehen, hat also schon eine lange Tradition und ist noch immer nicht am Aussterben. Man hat mir gesagt, daß etwa 650 bis 800 deutsche Wandergesellen, Männer und Frauen, derzeit unterwegs sind. Ich habe viele auf meiner Walz getroffen und kennengelernt. So auch diese beiden. Weil meine Wanderzeit jetzt zu Ende gegangen ist, begleiten sie mich nach Hause. Hier war ich die ganzen drei Jahre nicht mehr. Denn jeder von uns hat sich seiner Heimat fern zu halten, so ist es Vorschrift. Bis auf 60 Kilometer nur dürfen wir an unseren Heimatort herankommen. Am Ende der Reise steht dann aber das Überqueren des Ortsschildes und deshalb sitze ich jetzt hier oben. Ich habe meinen Ausgangspunkt und mein Ziel wieder erreicht."

Teddy findet das alles sehr spannend. So viel hat er über die wandernden Tischlergesellen noch nicht gewußt. Er kannte nur ihre Kleidung, denn die hatte ihm ja vor einiger Zeit die ältere Dame angelegt. Jetzt aber erst hat er mehr über die Fremden, wie die Tischlerburschen auch genannt werden, erfahren.

An diesem Abend wird der junge Mann von seiner zuhause gebliebenen Familie erwartet. Vater und Mutter sind froh, ihn nach drei langen Jahren wiederzusehen. Gern nehmen sie auch seine Freunde und Teddy bei sich auf.

7. Juli 2007

Gute Nacht