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GUTE-NACHT/2673: Lichtwerdung (SB)


Lichtwerdung

Endlich erwacht die Eule und das Glühwürmchen atmet auf. "Ich hatte mir solche Sorgen gemacht", erklärt es, "ich glaubte schon, du seist gestorben. Aber du lagst wohl glücklicherweise nur in einem sehr tiefen Schlaf." Die Eule gähnt und räkelt sich. Dann sagt sie: "Ich war weit weg von hier in einem anderen Land. Es war so aufregend." Das Glühwürmchen widerspricht: "Du warst nicht fort, du kauertest die ganze Zeit hier in der Baumhöhle und ich saß auf deiner Schulter. Ich hätte bemerkt, wenn wir in einem anderen Land gewesen wären." Die Eule schneidet eine Grimasse: "Schade, dann habe ich wohl alles nur geträumt."

Das Glühwürmchen ist sichtlich erleichtert. Jetzt fällt es ihm leicht, über die letzte Nacht zu berichten: "Ich hatte schon angenommen, die Menschen hätten Gift in dem Topf gehabt, aus dem du gefressen hat." Nun blickt die Eule nachdenklich drein: "Jetzt, wo du es sagst, glaube ich, daß du gar nicht so unrecht hast. Es war wohl kein Gift in dem Topf, aber eine wunderbare Speise, die mich hat so tief träumen lassen. Um herauszufinden, ob es wirklich daran lag, werde ich noch einmal zu den Menschen fliegen und wieder von der Speise kosten."

"Aber weißt du denn noch genau, wo wir hingeraten sind? Es ist auch zu bedenken, ob die Menschen jeden Tag einen solchen Topf vor ihrer Türe stehen haben, und ob sie nach deinem Angriff diesen nicht vielleicht an einem anderen Ort aufbewahren. Sie waren so entsetzt und haben schrecklich geschimpft. Es wäre leichtfertig von ihnen, den Topf wieder dort abzustellen."

Die Eule ist sichtlich erstaunt: "Was du kleiner Wurm nicht alles weißt!" Etwas erbost entgegnet das Glühwürmchen: "Auch wenn ich GlühWURM heiße, bin ich dennoch kein Wurm." - "Tut mir leid", entschuldigt sich die Eule, "ich wollte dich nicht beleidigen." - "Das kannst du auch nicht", trumpft das Glühwürmchen auf, "ich gehöre zu einer Art, die es schon sehr, sehr lange gibt und die besondere Fähigkeiten hat."

"Du sprichst von deinem Leuchten, nicht wahr", weiß die Eule. "Ja, und dieses Leuchten ist ein Geschenk. Einst vor Tausenden von Jahren, als wir noch nicht leuchten konnten, trug es sich zu, daß ein Wanderer vom Weg abkam und sich tief im Wald verirrte, dorthin, wo wir zuhause waren. Da wir schon immer ein lustiges Völkchen waren, kamen wir des abends bis spät in die Nacht hinein zusammen, erzählten uns und sangen. Der Wanderer geriet immer tiefer in den Wald und vernahm plötzlich unsere Stimmen. Er konnte uns nicht sehen, denn es war stockdunkel. Aber da er uns hörte und unsere Gesänge freundlich waren, bat er uns um Hilfe. Damals verstanden die Menschen noch die Stimmen der Tiere, konnten sie aber nicht von menschlichen Stimmen unterscheiden. Als wir das Rufen des Wanderers vernahmen, gaben wir seinem Bitten, ihm zu helfen, nach und formten aus uns allen eine Masse, die dem Wanderer wie eine Hand eines anderen Menschen erschien. Er griff diese Hand dankbar und folgte ihr. So gelangte er beim Morgengrauen mit unserer Hilfe wieder aus dem Wald heraus. Zuerst erschrak er, als er feststellte, daß die Hand, die ihn geführt hatte, keine menschliche war. Aber er war ein guter Mann und dankte uns. Er sagte: 'Damit ihr noch vielen verirrten Wanderern helfen könnt, werde ich bald wiederkommen und euch ein Geschenk bringen.' Wir glaubten nicht an sein Wiedererscheinen. Doch er kam zurück. Er schenkte uns eine Substanz, die wir in uns aufnahmen und mit der wir in der Nacht leuchten können. An unsere Kinder gaben wir dieses Geschenk weiter von Generation zu Generation. So konnten wir noch vielen Wanderern den Weg weisen und hatten bei unseren eigenen Festen viel Spaß mit dem grünlichen Licht. Keiner wollte es mehr missen."

2. Juli 2008

Gute Nacht