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GUTE-NACHT/2737: Doktor Teddy und das Geschenk (SB)


Am Empfang sitzt Olga, die Puppe ohne Haare, und weist einen neuen Patienten ein. "Du brauchst keine Angst zu haben", sind ihre beruhigenden Worte. Das flößt dem kleinen Igel mit dem kaputten Gesicht ein wenig Mut ein. "Doktor Teddy bekommt das sicher wieder hin", flüstert Schwester Olga fast, "er ist Spezialist in diesen Dingen, hat er doch schon im Theater gearbeitet. Da sind Masken an der Tagesordnung."

Bei dem Wort Masken schreckt der kleine Igel zurück. "Ich möchte keine Maske. Ich will mein eigenes Gesicht wiederhaben." - "Das ist verständlich", bestätigt Puppe Olga, "wer möchte schon mit einem fremden Gesicht herumlaufen?" Um den Igel auf andere Gedanken zu bringen, fragt Schwester Olga: "Was ist überhaupt geschehen? Warum löst sich dein Gesicht scheinbar auf und verschafft der Holzwolle dahinter Platz?" Der kleine Igel aus Stoff und Plastik, dessen Inneres voller Holzwolle steckt, entgegnet: "Das weiß ich nicht. Aber es ist wohl die Zeit, die an mir nagt." - "So?", horcht Schwester Olga auf, "aber die Zeit heilt doch bekanntlich alle Wunden. Das habe ich einmal gehört. Wie kommt es dann, daß die Zeit dir nicht geneigt ist?" Der Igel seufzt und sagt schließlich: "Die Haut, aus der mein Gesicht gefertigt wurde, ist mit den Jahren brüchig geworden. Ich sehe zwar sehr klein aus, bin aber schon recht alt. Ich denke, ich habe wohl in meinen jungen Jahren zuviel gelacht." - "Lachen ist doch gesund!", protestiert Schwester Olga und setzt noch hinzu, "und unsere beste Medizin außerdem. Also daran kann es wohl nicht liegen!"

Hinter dem Igel schaut nun ein neues Gesicht hervor. "Ich möchte zum Doktor. Kann es hier mal weitergehen?", fragt da eine Tastatur, "bei mir klemmt eine Buchstabentaste. Das finde ich gar nicht witzig." Schwester Olga mahnt: "Immer mit der Ruhe und der Reihe nach!" Am liebsten würde sie die freche Tastatur wieder nach Hause schicken. Aber sie sagt: "Eigentlich ist das hier ein Krankenhaus für Spielzeugpatienten. Ihr Fall gehört wohl eher in eine Spezialklinik für Computer." Aber die Tastatur läßt sich nicht zurückweisen. "Ich gehöre an einen Juniorcomputer, also kann ich genausogut hierbleiben wie alle anderen Spielzeuge."

Schwester Olga klingelt mit einem Glöckchen nach Doktor Teddy. Es dauert nicht lange, da eilt er herbei. "Schwester Olga, was gibt es?" Die kleine Puppe berichtet und zeigt zuerst auf den Igel, dann auf die Tastatur. "Wir haben für alle Patienten Betten. Auch die Kindertastatur darf bleiben", entscheidet Doktor Teddy. Bei diesen Worten ärgert sich die Tastatur. Schließlich ist sie nicht irgend so ein Firlefanz, sondern gehört schon an einen größeren Computer. Dann aber interessiert sie doch, was der Doktor weiter berichtet: "Leider kann ich erst morgen nach euch sehen. Heute abend habe ich noch einen besonderen Fall, ein Geschenk, das nicht eingepackt werden mag, weil es an Platzangst leidet. Dabei soll es morgen auf einen Geburtstag und kann dort nicht ohne Geschenkpapier erscheinen. Aber da es außerdem auch sehr scheu ist, möchte es nicht in Klarsichtfolie verpackt werden. Also wir haben hier einen ganz besonderen Fall. Dabei wird das Geschenk bereits in wenigen Stunden wieder ausgepackt. Denn um Mitternacht beginnt bereits das Geburtstagsfest. Da wird das Geschenk schon gebraucht. Wir sehen uns also dann morgen. Ich habe jetzt noch jede Menge Überredungskünste einzusetzen, um meine Arbeit gut zu machen."

"Darf man fragen, um welches Geschenk es sich hier handelt", möchte die neugierige Tastatur wissen?" - "Das bleibt wohl ein Geheimnis!", erklärt Doktor Teddy, "denn das eigentliche Geschenk hat sich in einem weißen Karton versteckt und schaut nur durch zwei Löcher heraus." Damit verläßt Doktor Teddy den Igel und die Tastatur. Beide fühlen sich schon ein bißchen gesünder, denn zum ersten Mal denken sie nicht nur an sich selber, sondern das geheimnisvolle Geschenk geht ihnen nicht mehr aus dem Sinn.

16. September 2008

Gute Nacht