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GUTE-NACHT/3163: Wie Schneeglöckchen in der Frühlingserde (SB)


Gute Nacht Geschichten

Happy und Sally, die beiden Teddybären, der eine weiß, der andere mit dunkelbraunem Fell, hocken auf dem Brett des Garagenfensters und starren nach draußen. Dort wird es langsam Frühling. Die Schneeglöckchen werden immer praller und auch die Krokusse blühen bereits auf.

"Weißt du noch, wie wir mit dem Puppenwagen ...", weiter kommt Happy nicht, denn der zusammengeklappte Buggy beginnt zu mahnen, die korrekte Bezeichnung zu benutzen. "Gut", lenkt Happy ein, "also als wir mit dem Buggy durch den Park geschoben wurden und es nur Krokusse zu bestaunen gab?" Sally rümpft die Nase: "Fandest du das nicht ein bißchen langweilig? Alles war nur in einer Farbe. Da hätte ich auch den Himmel anstarren können. Dort oben hätte es vielleicht noch Wolkengeflüster gegeben."

Happy ist ärgerlich. Aber er will es sich mit Sally nicht gleich wieder verderben. Sally scheint es ja geradezu darauf anzulegen, daß sie beide sich wieder streiten. Also lenkt Happy auch hier ein, fordert Sally aber mit folgenden Worten zum Weitersprechen auf: "Warum hast du denn nicht in den Himmel geschaut?"

Sally muß direkt überlegen. War das Verdeck des Buggys geschlossen? Aber nein, der Buggy hat ja gar kein Verdeck. War sonst irgendwas im Weg? Ja, die vielen Baumkronen. Das gibt Sally dem anderen Bären auch gleich zu verstehen. Happy entgegnet: "Ich fand die Parkwiesen wunderschön! Ich könnte glatt wieder dorthin reisen."

Plötzlich wird das Schiebetor der Garage geöffnet. "Aber wir werden nur ein bißchen auf den Sperrmüll stellen. Nur unsere alten Sachen", betont die Frau. "Na klar, meine Sachen sollen auf den Müll, damit andere sich hier in meiner Garage breit machen können." - "Was soll das Gezeter, schließlich gehören die Sachen deiner Nichte und du hast geschworen, daß es dir nichts ausmacht, wenn sie hier stehen." Darauf erwidert der Mann nichts. Er nimmt sich einiges von den kaputten Sachen und bringt sie nach draußen an die Straße. Der Sperrmüll soll morgen abgeholt werden.

Inzwischen entdeckt die Frau den kleinen Buggy und kann es nicht lassen, ihn aufzuklappen. "Wie niedlich er doch ist", sagt die Frau im leisen Ton. Der Buggy aber hat es gehört. "Niedlich? Das verbitte ich mir!", entrüstet er sich. Aber er erhält keine Antwort.

Vom Haus her ist das Klingeln des Telefons zu hören. Der Mann wendet sich auf seinem Weg zur Garage um und geht zum Haus hinüber.

In der Garage entdeckt die Frau die beiden Bären auf dem Fensterbrett. "Wie kommt ihr denn hier her? Haben wir beim Durchsuchen der Kisten euch etwa vergessen, wieder in den Karton zurück zu stecken? Das muß wohl so gewesen sein, sonst säßt ihr ja nicht hier." So viele Fragen, aber auf eine Antwort wartet die Frau nicht. Sie nimmt die beiden Bären vom Fensterbrett und will sie zurück in ihren Karton stecken. Da fällt ihr Blick auf den aufgeklappten Buggy. In nostalgischen Erinnerungen schwelgend setzt sie die beiden Bären in den Buggy hinein. Sie schiebt die beiden ein bißchen hin und her und läßt den Buggy dann geradewegs mit der Schnauze nach vorne wie ein in einer Garage geparktes Auto stehen. Sie streicht noch den beiden Bären über ihr Felle und denkt dabei: "Ihr erinnernt mich an Schneeglöckchen in der Frühlingserde!"

Nun will sie das Gerümpel in der Garage weiter durchsuchen, da wird sie vom Haus her gerufen. Sie wird am Telefon verlangt. "Du solltest dir mal ein Handy anschaffen. Dann brauche ich dich nicht immer zu suchen, wenn eine deiner Freundinnen anruft", sagt der Mann schroff zu ihr, als sich die beiden auf halber Strecke auf dem Hof treffen. Die Frau geht ins Haus und wird voraussichtlich die nächste halbe Stunde am Telefon verharren.

Der Mann betritt die Garage und sieht den Buggy mitten im Weg stehen. "Warum sie ausgerechnet den Buggy und die Kuscheltiere auf den Sperrmüll bringen will, kann ich ja nicht so ganz nachvollziehen", stellt der Mann fest, nimmt den Buggy aber dennoch und trägt ihn auf die Straße. Dann geht er wieder zurück und sucht zwischen seinen Sachen nach nicht mehr funktionstüchtigen Dingen, von denen er sich zu trennen versucht.

Es dauert nicht lange, da hält ein Auto an. Der Mann bekommt das nicht mit. Er ist gerade in der hintersten Ecke der Garage zugange. Der Fahrer aus dem Wagen steigt aus und hat sofort den Buggy und die beiden Teddybären im Visier. Nur diese drei Teile packt er in seinen Wagen und fährt sofort wieder los. Wenn Sperrmüll auf der Straße steht, sind viele Leute unterwegs und schauen, ob nicht etwas Brauchbares am Straßenrand steht. Das nehmen sie sich dann mit und keiner hat etwas dagegen.

Inzwischen ist das Telefongespräch beendet. Die Frau gesellt sich wieder zu ihrem Mann. "Sag mal, wo ist denn der Buggy geblieben?", fragt sie. "Na, auf dem Sperrmüll. Den hast du mir doch geradewegs zum Hinaustragen mitten in den Weg gestellt", antwortet der Mann. Die Frau kann vor Empörung und Entsetzen zuerst keine Worte finden. Sie kann es einfach nicht glauben, daß ihr Mann die wertvollen Dinge aus der Kindheit eines anderen einfach auf den Müll schmeißt. Dann aber findet sie ihre Worte wieder.

Doch ich glaube nicht, daß ihr hören wollt, was sie sagte.


18. März 2010

Gute Nacht