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GUTE-NACHT/3229: Der kleine Nachtwächter bei den Zwergen (SB)


Gute Nacht Geschichten

Gut gelaunt geht der kleine Nachtwächter heute an seine Arbeit. Er schwenkt die Laterne und hüpft von einem Bein auf das andere. In der Laterne die Kerze ist noch nicht angezündet, sonst würde der kleine Nachtwächter viel vorsichtiger mit dem Licht umgehen. Es ist noch hell an diesem Abend, obwohl die Uhr bereits auf die Mitternachtsstunde zurückt. Aber so ist es eben in Sommernächten - lange helle Abende, kurze nicht ganz so dunkle Nächte und bald schon kündet Vogelzwitschern das Licht des frühen Morgens an. Das läßt den Sommer für den kleinen Nachtwächter zur schönsten Jahreszeit werden.

"Wer noch nie der Sonne zugewunken hat, wenn sie zu Bett geht und noch keine Nacht durchwacht und nur wenig später den frühen Sonnenstrahl begrüßt hat, der weiß nicht, wie schön es draußen unter freiem Himmel sein kann", denkt der kleine Nachtwächter oft bei sich.

So scheint es auch den beiden Zwergen Otto und Johannes zu gehen. Otto mit seiner Laterne und dem Spazierstab freut sich über die Musik von Johannes, der immer eine Ziehharmonika dabei hat. Die beiden Zwerge sind vor langer Zeit verschollen. Immer wenn der kleine Nachtwächter an dem einst sehr gepflegten Garten vorbeikommt, denkt er an die beiden Kerlchen und daran wie er ihnen stets zugewunken hat. Eines Tages aber waren die beiden verschwunden, und von da an wurde der Garten immer verwilderter.

Am heutigen Abend führt es den kleinen Nachtwächter wieder einmal an diesem Garten vorbei. Es ist wohl der Duft der Heckenrosen, der den kleinen Nachtwächter herbeigelockt hat. "Oh wie prächtig sie wieder blühen. So viele Röschen, aus denen im Herbst Hagebutten werden. Wie schade, daß ich diese Freude nicht mit Otto und Johannes teilen kann. Wie traurig es mich macht, daß sie so spurlos verschwanden", so spricht der kleine Nachtwächter vor sich hin.

Plötzlich ein quietschender Ton, der den kleinen Nachtwächter erschreckt und zugleich mit Freude erfüllt. "Klang das nicht gerade wie eine Ziehharmonika? Ich möchte wetten, daß war Johannes. Aber das kann ja nicht sein", setzt der kleine Nachtwächter traurig hinzu.

Doch da ertönt bereits wieder ein solcher Ton, diesmal eine ganze Folge von Tönen, die sich zu einem Liedchen zusammenfügen. "Ei, perdaus!", freut sich der kleine Nachtwächter, "das kann nur Johannes sein." Im selben Augenblick trifft ihn ein harter Schlag an der Wade. Der kleine Nachtwächter dreht sich um und erblickt Otto. Vor lauter Freude kann er dem kleinen Kerl gar nicht böse sein. Er stürzt sich auf ihn, reißt ihn hoch und wirbelt ihn durch die Luft. Anschließend setzt er den Zwerg wieder am Boden ab. Der strafft sich und nimmt eine förmliche Haltung ein. Da wird auch der kleine Nachtwächter wieder etwas ernster und fragt: "Wo habt ihr so lange gesteckt?"

"Das ist eine lange Geschichte." - "Ich mag Geschichten!", entgegnet der kleine Nachtwächter. Nun tritt Johannes aus dem Gebüsch und gesellt sich zu den anderen beiden. Auch Johannes wird freudig begrüßt. Der kleine Nachtwächter möchte nun wissen, wo die beiden gesteckt haben und ob sie womöglich gleich wieder verschwinden. Doch die beiden hüllen sich diesbezüglich in Schweigen. Sie möchten lieber, daß der kleine Nachtwächter von sich und der Stadt berichtet und versprechen ihrerseits, ihm morgen von sich zu erzählen. Der kleine Nachtwächter spricht von Konrad, der sich einmal aus dem Haus stehlen und durch die Nacht ziehen wollte, von dem kleinen Kuschelwesen und wie es einen neuen Freund gefunden hat und natürlich auch von dem Dichter und seinen Versen.

Gemeinsam wachen die drei die ganze Nacht und freuen sich über die rote Sonne, die ihnen am Morgen entgegenlacht. Dann erst zieht sich der kleine Nachtwächter zurück in sein Heim, mit dem Versprechen von Otto und Johannes, ihm in der nächsten Nacht von ihren Abenteuern zu erzählen.


8. Juli 2010

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