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GUTE-NACHT/3249: Der kleine Nachtwächter biegt um die Ecke (SB)


Gute Nacht Geschichten

Ein Rumpeln durchzieht die dunkle Nacht. Ein solches hat der kleine Nachtwächter noch niemals vernommen. Das merkwürdige Geräusch kommt näher. Noch sieht der kleine Nachtwächter, der durch die Straßen seiner Stadt zieht, nicht, was auf ihn zugerollt kommt. Er nähert sich einer Hausecke, hinter der das Poltern lauter wird. Plötzlich lautes Kindergeschrei.

"Ach, so!", der kleine Nachtwächter atmet auf, denn das Schreien gibt ihm einen Hinweis auf das Rumpelgeräusch. Dieses ist nichts anderes als das Geräusch eines Handkarrens, der beladen mit Kindern über das Plaster gezogen wird.

Aber was rumpelt ein Handkarren mitten in der Nacht durch die kleine Stadt? Noch dazu, wenn er Kinder transportiert. Das widerum beunruhigt den kleinen Nachtwächter doch sehr. Noch bevor er um die Ecke biegt oder der Karren ihm zuvorkommt, vernimmt er plötzlich die Stimme einer Frau. Sie klingt nicht gerade freundlich, eher gereizt.

"Jetzt seid aber mal still!", schimpft sie. Doch das beruhigt die Schreihälse nicht im geringsten. Ihren Unmut äußern sie gewaltig. "Leonie, nun sei doch endlich ruhig. Es wird nicht mehr weit sein zu eurer Oma. Wir haben es sicher bald geschafft." Ohne Übergang ermahnt die Stimme das andere Kind: "Kira, ich hab dich doch erst gewickelt, es kann doch nicht schon wieder soweit sein!"

Bei dem letzten Wort hat der kleine Nachtwächter die Hausecke erreicht. Vorsichtig blickt er um diese herum. Da sieht er sie, die Frau, die einen Handwagen zieht, und die Kinder, die darin sitzen. Es sind zwei - ach, was sage ich -, drei kleine Mädchen. Eines davon sieht sehr verschlafen aus.

"Guten Abend oder besser gute Nacht! Es ist ja schon so spät!", grüßt der kleine Nachtwächter. "Warum zu dieser verschlafenen Zeit noch unterwegs?", stellt er sogleich die Frage.

Das Schreien der Kinder verstummt und weicht ihrer Neugier. Die Stimme der Frau wird freundlicher, als sie erkennt, wer vor ihr steht. "Guten Abend, kleiner Nachtwächter. Wir sind mit dem Zug angekommen, kurz bevor das Stadttor geschlossen wurde. Und jetzt sind wir auf dem Weg zu unserer Oma. Aber dauernd muß ich anhalten, weil die Kleinen irgendetwas haben wollen. Das eine möchte etwas zu trinken, das nächste hat Hunger und so geht es in einem fort. Dann habe ich auch noch den falschen Weg eingeschlagen. Es ist einfach so dunkel in der Stadt. Warum brennen hier keine Straßenlampen? Wenn das so weitergeht, kommen wir nicht einmal vor dem Morgengrauen bei unserer Oma an."

Da unterbricht der kleine Nachtwächter den Redeschwall der Frau. "Leider ist die einzige Laterne, die jetzt noch brennt, diese hier." Der kleine Nachtwächter hält seine Laterne hoch. "Aber damit werde ich euch heim leuchten." Der kleine Nachtwächter hält seine Laterne noch ein Stück höher und schreitet voran. Er beginnt ein Lied zu summen. Die Frau stimmt mit leisem Gesang ein. Das scheint den drei Mädchen zu gefallen und bald sind sie trotz des rumpelnden Karrens eingeschlafen. Da der kleine Nachtwächter weiß, wo die Großmutter wohnt, kommen die Kinder mit ihrer Mutter bald wohlbehalten an. Dort werden die Kleinen sofort ins Bett gebracht. Dann verabschiedet sich der kleine Nachtwächter. Aus der Ferne sieht er, wie auch bei der Großmutter das Licht im Haus verlöscht und nur noch seine eigene Laterne durch die Nacht brennt.


31. August 2010

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