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GUTE-NACHT/3286: Der kleine Nachtwächter am See (SB)


Gute Nacht Geschichten

"Willst du wirklich mitkommen, Rebell?", fragt der kleine Nachtwächter, "es regnet fürchterlich." Aber das ist dem schwarzen Hund einerlei. Er freut sich schon den ganzen Tag auf den Spaziergang durch die Stadt. Endlich darf er wieder mitkommen. Sein Hinterlauf ist geheilt. "Also gut", willigt der kleine Nachtwächter ein, "aber hoffentlich holst du dir nicht einen Schnupfen, wenn du die ganze Nacht mit mir draußen bist."

Da dies nun geklärt ist, nimmt der kleine Nachtwächter seine Laterne in die eine und die Taschenlampe in die andere Hand. "Auf geht's", sagt er und dreht sich zu Rebell um. Doch der schwarze Hund sitzt schon längst an der Haustür.

Wenn der kleine Nachtwächter seine Haustür öffnet, steht er nicht gleich im Freien, sondern in einem überdachten Vorbau. Ein paar Stufen nach unten, dann steht er auf dem Bürgersteig. Doch er zögert. Der Regen ist zwar nicht ganz so stark, aber zuerst muß der kleine Nachtwächter den Wasserschwall umgehen, der beständig von dem Hausdach herunter plätschert, geradewegs auf die Treppe am Hauseingang.

Man sollte doch meinen, an dem Dach sei eine Dachrinne. Tja, dem ist auch so, aber die Dachrinne ist voller Blätter. Da hat das Regenwasser keinen Platz mehr darin und läuft über. "Wenn doch der Hausmeister endlich mal die Dachrinne säubern würde!", ärgert sich der kleine Nachtwächter und grübelt, an welcher Seite er durch den Wasservorhang hindurch schlüpfen soll. "Da komme ich mir ja vor wie unter einem Wasserfall. Nun, wenn es Sommer wäre, hätte ich nichts dagegen", träumt der kleine Nachtwächter und stellt sich einen See mit herrlich blauem Wasser vor. Die Sonne scheint heiß vom Himmel. Der Wasserfall plätschert und der kleine Nachtwächter springt durch den Wasserfall hindurch kopfüber in den See. "Ah, tut das gut", denkt der kleine Nachtwächter.

Doch im nächsten Moment wird er aus seinem Traum in die Wirklichkeit zurückgerissen. Der vermeintliche Wasserfall, der in Wahrheit ein dreckig, modrig stinkender Wasserschwall aus der Dachrinne war, gleitet gerade den Nacken des kleinen Nachtwächters hinunter und läuft in dessen Jacke am Halsausschnitt hinein. "Uh, ist das kalt und naß und stinkt! Komm Rebell, so gehe ich nicht durch die Nacht. Da ziehe ich mich erst noch einmal um und überlege mir glatt, ob ich dich bei diesem Wetter nicht doch zuhause lasse."

4. November 2010

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