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GUTE-NACHT/3299: Der kleine Nachtwächter geht seiner Wege (SB)


Gute Nacht Geschichten

Traurig wacht der kleine Nachtwächter auf. Nur wenige Stunden hat er geschlafen. Er hält es im Bett nicht mehr aus. "Irgendwo muß Rebell doch stecken! Er kann nicht vom Erdboden wie weggeblasen sein?", rauft sich der kleine Nachtwächter die Haare.

Auch wenn es kalt im Zimmer ist, denn der Winter hält nicht nur in der Stadt seinen Einzug, sondern versucht auch durch jede Ritze in die Häuser hinein zu kriechen, springt der kleine Nachtwächter dennoch schnell aus dem Bett. Er reißt das Fenster auf und blickt die Straße hinunter, ob der schwarze Hund irgendwo zu sehen ist. Aber nichts da.

"Brr, ist das kalt!", schüttelt sich der kleine Nachtwächter und zieht sich endlich seine Hose an. Plötzlich vernimmt er einen Laut, den er schon seit zwei Tagen vermißt. War das nicht ein Bellen? Schnell läuft der kleine Nachtwächter erneut zum offenen Fenster und blickt hinaus. Rebell ist nicht zu entdecken. Der kleine Nachtwächter schließt das Fenster und zieht nun auch einen Pullover über.

Plötzlich ist wieder das Bellen zu hören. Es ist ebenso laut wie kurz zuvor, als das Fenster noch offen stand. Der kleine Nachtwächter überlegt. Dann geht er zum Fenster, öffnet es und lauscht. Die Geräusche von der Straße sind deutlich zu vernehmen. Nun schließt der kleine Nachtwächter das Fenster wieder und horcht. Jetzt klingen die Straßengeräusche leiser und dumpfer.

Der kleine Nachtwächter grübelt und stellt sich die Frage, warum das Bellen gleich laut geblieben war, ob das Fenster nun offen stand oder geschlossen war. Endlich hat er eine Idee: "Das kann nur daran liegen, daß Rebell hier irgendwo im Haus stecken muß. Habe ich ihn vielleicht auf dem Dachboden vergessen, als ich Wäsche aufgehangen habe? Oder steckt er im Keller und ich habe ihn beim Kartoffelholen eingesperrt? Eigentlich kann keines von beidem der Fall sein. Denn ich habe Rebell ja zuletzt an dem Abend vor der Kirche zurückgelassen, als ich Frau von Zitterspinne besuchte."

Aber die Hoffnung auf ein Wiedersehen veranlaßt den kleinen Nachtwächter sogleich im Haus nachzusehen. Er schließt die Wohnungstür, betritt den Hausflur und horcht. Kein Bellen ist zu vernehmen. Der Blick des kleinen Nachtwächters fällt auf das Schild an der gegenüberliegenden Wand.

"Hunde halten und Hunde mitbringen verboten!"

Plötzlich hat der kleine Nachtwächter eine Idee. Er läuft in den Keller, aber nicht zu seinem eigenen kleinen Verschlag, sondern zu dem Vorraum zur Heizung mit der dicken Tür, den eigentlich nur der Hausmeister betritt. Die schwere Tür ist nicht leicht zu öffnen. Aber zum Glück ist sie nicht abgeschlossen.

Der kleine Nachtwächter öffnet die Metalltür und siehe da, in einer Ecke auf dem kalten Betonboden liegt Rebell. Er kommt nicht an die Tür gesprungen, sondern verkriecht sich eher noch in die Ecke hinein und winselt. Erst als er erkennt, wer da zur Türe hereinkommt, ist die Freude groß und der schwarze Hund läuft schwanzwedelnd auf den kleinen Nachtwächter zu. Der nimmt Rebell erst einmal in die Arme. Aber nicht lange. Denn hier unten in dem stickigen Keller ohne Fenster wollen die beiden nicht bleiben.

Zurück in der Wohnung bekommt Rebell erst einmal Wasser und Futter. Der Hund ist wie ausgehungert und am verdursten. Er trinkt den ganzen Napf leer. Da faßt der kleine Nachtwächter einen Entschluß. In dieser Stadt will er nicht bleiben. Sollen die Menschen doch selber auf ihre Häuser aufpassen. Er will sich eine andere Stadt suchen, wo auch Rebell gern gesehen ist. Schnell schnürt er sein Bündel, packt genug zu Essen und zu Trinken ein für Mensch und Tier und begibt sich mit Rebell auf den Weg. Das Bündel trägt er auf dem Rücken, die Laterne in der einen und die Taschenlampe in der anderen Hand. Er braucht sie nicht anzünden und nicht anknipsen. Wenn es dunkel wird, steht der Mond ihnen zur Seite.

Auf dem Weg kommen die beiden an der Kirche vorbei. Diesmal nimmt der kleine Nachtwächter Rebell mit hinein und läßt ihn nicht wieder draußen alleine warten. Der kleine Nachtwächter will sich von Frau von Zitterspinne verabschieden. Vielleicht plant ja auch sie, die Stadt zu verlassen.

25. November 2010

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