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GUTE-NACHT/3392: Der kleine Nachtwächter lauscht den Geräuschen der Nacht (SB)


Gute Nacht Geschichten vom kleinen Nachtwächter


Auf dem alten Mühlstein, der am Wege steht, hat es sich der kleine Nachtwächter für einen Moment des Grübelns gemütlich gemacht. "Woran denkst du, wenn du dir die Nacht vorstellst?", fragt er Rebell, seinen Hund. Doch Rebell schnüffelt bloß am Boden entlang. Da gibt sich der kleine Nachtwächter selbst die Antwort: "Nun, an Stille, vielleicht an das Weckerticken oder an das Rauschen des Blutes in den eigenen Ohren, sonst nichts. Aber hier draußen unter freiem Himmel, da ist es in der Nacht gar nicht still."

Von dem Mühlstein erhebt sich der kleine Nachtwächter und geht langsam weiter. Seine Laterne hat er noch nicht angezündet. Zwar ist es schon recht spät, doch um diese Jahreszeit kann das bloße Auge noch vieles erblicken.

Der kleine Nachtwächter schaut in den Himmel hoch und grüßt: "Da bist du ja wieder, kleine Fledermaus." Das Flugtier flattert hin und her und wendet ausgesprochen schnell. Der kleine Nachtwächter versucht heraus zu hören, welche Geräusche die Fledermaus von sich gibt. Doch er kann nichts wahrnehmen. Denn gerade fährt eines der wenigen Autos vorbei, die diesen Weg auch noch spät abends entlang nehmen.

Das Geräusch des vorbeifahrenden Autos wird schwächer und verebbt. Aber aus der Ferne, weiter weg von der noch immer befahrenen Landstraße her, weht der Wind weitere Motorengeräusche herüber von Autos, Lastwagen und Motorrädern. "So spät am Abend sind doch noch viele Menschen unterwegs", stellt der kleine Nachtwächter fest.

Da singt ein Vogel und dort antwortet ein anderer. Viele Vogelstimmen reihen sich aneinander. "Leider erkenne ich nicht, wer da singt oder pfeift. Das ist schade", denkt der kleine Nachtwächter und ihm fällt ein, "nur die Stimme des Kuckucks kenne ich. Doch wenn ich mich recht erinnere, habe ich sie in diesem Jahr noch nicht vernommen. Das ist auch kein Wunder. Es soll immer weniger Kuckucke geben. So stand es in der Zeitung."

Wieder fliegt die Fledermaus über den kleinen Nachtwächter hinweg. Sie sieht kleiner aus als vorhin. "Wahrscheinlich bist du eine ganz andere Fledermaus, ein Kindchen vielleicht", lächelt er. Er horcht genau hin. Und obwohl diesmal kein Wagen vorbeifährt, hört er dennoch kein Geräusch, das von der Fledermaus stammen könnte. Wieder sind nur verschiedene Vogelstimmen zu hören. "Seltsam, ob du wirklich keine Geräusche beim Fliegen von dir gibst?"

Eine Kuh mischt sich ein. Ihr Muhen verrät, daß sie mindestens zwei Wiesen weiter nächtigt. Das Blöcken der Schafe ist schon um einiges lauter. Sie stehen auch auf der Wiese gleich über die Straße.

Immer aufmerksamer wird der kleine Nachtwächter. Jetzt bemerkt er, daß auch seine Schritte Geräusche von sich geben. Es ist zu erkennen, daß sie auf Asphalt laufen. Rebell hingegen schlendert auf dem Randstreifen daneben im Gras. Beide Geräusche sind deutlich zu unterscheiden.

"Du schnaufst", spricht der kleine Nachtwächter Rebell an, was ihn nicht daran hindert, damit fortzufahren. "Aber auch ich gebe Geräusche von mir. Hörst du meinen Atem?"

Der kleine Nachtwächter hält inne, hockt sich hin und zündet seine Laterne an. "Hörst du, sogar die Streichhölzer bringen Laute hervor, wenn ich sie an ihrer Schachtel entlangstreife und die Kerze zischt, wenn der Docht Feuer fängt."

So gehen die beiden die Straße entlang. Jeder horcht auf andere Geräusche. Die kleine Maus, die im Gras raschelt, weckt Rebells Aufmerksamkeit, sowie das Entenpaar, das aus dem Graben auffliegt, sobald Rebell in die Nähe kommt. Auch sie achten auf Geräusche, zu ihrer eigenen Sicherheit.

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zum 20. Mai 2011