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GUTE-NACHT/3437: Knopf und Knöpfchen lauschen dem Schotten (SB)




K N O P F   &   K N Ö P F C H E N

lauschen dem Schotten


Der nächste Tag kam und ging auch wieder. Schnell wurde es ziemlich düster in der Knopfkiste. An diesem Tag hatten sich die lustigen Sonnenblitze gar nicht blicken lassen. Der "Diamant" war darüber sehr traurig. Er konnte sich nicht mit dem schummrigen Licht anfreunden, das anstelle der Lichtblitze eingedrungen war.

Einige Knöpfe rätselten, was wohl mit den geliebten Lichtern passiert sein mochte. Die älteren Knöpfe allerdings, die schon seit langem in der Knopfkiste lebten, kannten das Ausbleiben der Lichtblitze. Sie erinnerten sich dunkel, daß es früher, als sie noch auf irgendwelchen Kleidungsstücken lebten, ebenfalls an manchen Tagen draußen recht düster war. Deshalb beruhigten sie die ängstlichen Knöpfe unter ihnen.

Am Abend, als auch das letzte schummrige Licht aus der Knopfkiste gewichen war, wollten die Knöpfe wieder ein Weilchen beisammensitzen und sich wenigsten sprechen hören, wenn sie sich schon nicht sehen konnten. "Kennt vielleicht einer unter euch eine lustige Geschichte?", fragte Knöpfchen. Er hatte die meisten Geschichten, die bisher erzählt worden waren, recht traurig gefunden. Darüber hatte er auch schon mit Knopf gesprochen. "Warum stimmen mich die Geschichten nur so nachdenklich?", hatte er Knopf gefragt.

"Ich finde die Geschichten auch traurig. Aber das liegt wahrscheinlich daran, daß alle Knöpfe hier in der Kiste wie in einer Wartehalle sitzen und nur darauf lauern wieder angenäht zu werden, um irgend einen Zweck zu erfüllen, den wir uns nicht einmal ausgesucht haben. Deshalb erinnern wir die Geschichten, die dazu führten, daß wir hier in diesem dunklen Loch sitzen."

Knöpfchen hörte aufmerksam zu und kam zu dem Entschluß: "Wir müssen etwas unternehmen, um es uns hier gemütlich zu machen!"

Weil Knöpfchen gern eine lustige oder einfach eine schöne Geschichte hören wollte, schlug er vor: "Heute abend soll der Knopf unter uns erzählen, dem es hier so richtig wohl ergeht." Die Knöpfe brauchten nicht lange zu warten, da erhob sich eine Stimme. Diese Stimme erkannten alle sofort. Es war der "Schotte", der sich zu Wort meldete.

Er war nicht etwa wirklich aus Schottland zu ihnen gelangt. Nein, seinen Namen hatte er erhalten, weil er ein kariertes Stöffchen um sich trug. Knopflöcher hatte er keine. Dafür aber einen Ring an seiner Unterseite, woran er festgenäht werden konnte.

"Wie ihr euch sicher noch erinnert", begann der Schotte, "bin ich in einer Tüte zu euch gekommen. Sie war durchsichtig, und deshalb konnten wir uns mit Hilfe von Zeichen verständigen. Alle haben geholfen mich aus dieser Tüte zu befreien!"

Die Knöpfe erinnerten sich wieder. Sie konnten den
Schotten in seiner Tüte zuerst gar nicht verstehen.
Aber seine Handzeichen waren deutlich genug. Er wollte
aus der Tüte heraus. Diese hatte keine Öffnung. Sie war
rundherum dicht. Ein Loch war nötig, um den Schotten
herausholen zu können. Doch das Material war einfach
zu zäh. Keiner der Knöpfe konnte es zerreißen oder
zerbeißen. Auch treten half da nichts. Endlich hatte
Knopf eine Idee.

An einer Stelle der Knopfkiste war es sehr gefährlich. Die Kiste war aus Holz und eben an dieser einen Stelle war ein kleines Stückchen abgespalten. Eine winzige Holzspitze stak dort ins Innere der Kiste hinein. Die Knöpfe faßten nun mit vereinten Kräften die Tüte und zogen sie in die "verbotene" Ecke. Gemeinsam hoben sie die Tüte an und schoben sie direkt auf die Holzspitze zu.

Was für einen Schreck erhielt der Schotte da. Er konnte ja durch die Plastiktüte nicht verstehen, was die anderen sprachen. Außerdem wußte er nicht, ob die für ihn fremden Knöpfe ihm wohl oder übel gesonnen waren. Sein kleines Herz, hätte er denn eines gehabt, bibberte. Knopf hatte allen anderen Knöpfen, die damals mithalfen, deutlich zu verstehen gegeben, daß sie sehr vorsichtig sein mußten, damit sich ... - ja, wie hieß der neue Knopf überhaupt?

Nun, weil er wie der Rock eines Schotten gekleidet war, nannte Knopf ihn kurzerhand den Schotten. Ja, alle sollten äußerst vorsichtig sein, damit sich der Schotte nicht verletzte.

Nachdem die Holzspitze ein kleines Loch in die Tüte gebohrt hatte, konnte diese leicht aufgerissen werden. Die Knöpfe rissen gleichzeitig. Der Schotte war schnell befreit. Alle Knöpfe hatten diesen Ausschnitt ihres Lebens gleich noch einmal vor Augen, als der Schotte davon erzählte.

An und für sich war der Schotte ein stiller Gesell. Deshalb machte er auch jetzt nicht viele Worte, sondern bedankte sich bei allen Knöpfen dafür, daß er bei ihnen wohnen durfte. Bevor er hier eingezogen war, hatte er die ganze Zeit über in der Plastiktüte gelebt. In der Fabrik geboren, eingetütet, verschifft und in die nächste Fabrik gebracht. Dort wurde er sogleich mitsamt der Plastiktüte in die Innenseite eines schweren dunklen Mantelstoffes genäht.

Eine kleine Pause entstand.

Nach dieser kleinen Atempause holte der Schotte die Knöpfe wieder aus ihren Erinnerungen in die Gegenwart zurück: "Die ganze Zeit eingesperrt in einer Tüte und dazu noch allein. Das war schrecklich. `Du bist der Ersatz, falls mal einer der Mantelknöpfe verloren geht', hatte wer auch immer mir in der Fabrik noch zugeflüstert, bevor ich eingetütet wurde. Aus dieser Tüte habt ihr mich befreit. Dafür danke ich euch!" Ja, er machte nicht viele Worte, dieser Schotte. Vielleicht paßte sein Name, der oft auch für Sparsamkeit steht, doch ganz gut zu ihm.

Auch wenn der Schotte sonst recht ruhig war, an diesem Abend war er der erste, der allen eine "Gute Nacht" wünschte.

Knopf und Knöpfchen - Buntstiftzeichnung: © 2011 by Schattenblick

zum 25. Juli 2011