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GUTE-NACHT/3516: Im Schuhschrank ist die Hölle los - Teil 11 (SB)


Gute-Nacht-Geschichten

I m   S c h u h s c h r a n k   i s t   d i e   H ö l l e   l o s


Nur Weidengeflecht um ihn herum und ganz oben ein kleiner Kreis, der nicht einmal den Himmel mit dahinziehenden Wolken, sondern nur die weiße Flurdecke zeigt. Wie soll der kleine Turnschuh hier wieder herauskommen? So hoch kann er nicht springen, daß er über den Rand des Wäschekorbs gelangt. Der kleine Turnschuh grübelt. Aber ihm fällt nicht ein, wie er seinem nahenden Schicksal entgehen kann. Gleich wird Mutter vom Telefon zurück sein und ihn in den Schuhschrank stecken, ohne seinen Bruder, den linken Turnschuh.

Der kleine Turnschuh stöhnt und knabbert vor Aufregung an seinen Schnürsenkeln. Da, Mutter sagt: "Tschüß!" Jetzt wird sie hier gleich auftauchen. Der kleine Turnschuh fragt sich: "Warum geht immer alles schief?" Schritte sind zu hören, zuerst leise, so als wenn sie über einen Teppich daherkommen, dann laut klackernd als ob sie über einen Steinboden stolzieren. Das können nur die hochhackigen Damenschuhe sein.

Warum Mutter diese hochhackigen Schuhe bei der Hausarbeit anzieht, ist dem kleinen Turnschuh unverständlich. "Warum zieht überhaupt irgendwer Schuhe an, die unbequem sind? Warum läuft nicht jeder mit Turnschuhen herum?" überlegt der Kleine im Wäschekorb. Gern hatte er, als er noch im Schuhgeschäft im Regal stand, dem Verkäufer und seinen Kunden bei ihren Gesprächen gelauscht. Da erfuhr er eine Menge über bequemes Schuhwerk, über festliche Schuhe und über Schuhe, die bestimmten Zwecken dienen. Wenn die Kunden dann die Schuhe ausprobierten, lauschte er der Musik der Schritte und lernte so die unterschiedlichen Klänge der einzelnen Schuharten kennen.

Die klackernden Laute kommen näher. Ein Kopf schiebt sich über den Rand des Wäschekorbs. Mutter schaut mit einem breiten Grinsen in den Korb hinein. "Na, Kleiner", sagt sie und streckt ihren Arm nach ihm aus, "wollen wir dich doch mal in den Schuhschrank zurückbringen. Dann wissen wir wenigstens wo einer von euch beiden ist!" Und damit meint sie das Paar Turnschuhe ihres Sohnes Toni. Mutter hat den kleinen Turnschuh schon ergriffen und in die Höhe gehoben, als es plötzlich an der Haustür klingelt. Sofort läßt Mutter den Turnschuh los, fährt sich durch die Haare und stolziert zur Haustür: "Das muß der Postbote sein!"

"Auha!" stöhnt der kleine Turnschuh, der wieder zurück in den Wäschekorb gefallen ist. Da hat er sich nun schon damit abgefunden, daß er gleich wieder im Schuhschrank stecken wird, und nun wird er einfach wieder in diesen engen Wäschekorb zurückgeschmissen.

Es dauert lange an der Haustür. Irgendein Päckchen ist angekommen. Der Postbote hat dafür Geld zu bekommen. Mutter läuft hin und her, um es zu holen. Dann muß noch quittiert werden. Der Postbote hat ein neues Gerät und kommt damit noch nicht klar. Es ist so eine Art Minicomputer. Das alles dauert seine Zeit. Als der Postbote gegangen und die Haustür wieder ins Schloß gefallen ist, geht Mutter mit dem Päckchen ins Wohnzimmer und packt es erst einmal aus.

Es dauert längere Zeit bis sie wiederkommt. Irgendwie klingen ihre Schritte jetzt anders. Sie muß sich andere Schuhe angezogen haben, denn als sie erneut auf den Flur kommt, hört der kleine Turnschuh kein Klackern mehr. Vielleicht waren in dem Päckchen neue Schuhe drin. Aber egal, jetzt wird Mutter gleich den kleinen Turnschuh zurück ins Schuhregal stellen. Doch was ist das?

Diesmal beugt sich kein Kopf über den Wäschekorbrand. Der kleine Turnschuh sieht nur Hände und schon setzt sich der Wäschekorb in Bewegung. Mutter muß vergessen haben, daß sie ihn hier wieder herausholen wollte. Durch den kleinen Kreis über sich kann der kleine Turnschuh erkennen, wohin die Reise geht. Vom Flur, die Treppe hinauf und hinein in ... Tonis Zimmer. Na, geschafft. Jetzt steckt der kleine Turnschuh zwar immernoch im Wäschekorb, aber er ist froh, wieder in Tonis Zimmer zu sein. Jetzt muß er nur noch hier wieder herauskommen, dann kann er weiter nach seinem Bruder suchen.

Der kleine Turnschuh wartet erst einmal ab bis Toni von der Schule nach Hause kommt. Er wird ihn sicher hier herausholen. Bis dahin kann er ja noch eine Runde schlafen.

Gute Nacht

zum 20. Januar 2012