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GUTE-NACHT/3586: Der kleine Nachtwächter und der Mundraub (SB)

Der kleine Nachtwächter und der Mundraub

Gute Nacht - Geschichten vom kleinen Nachtwächter

"Ach, bin ich müde!", stöhnt der kleine Nachtwächter, als er am Morgen nach der nächtlichen Wache das schwere Eingangstor zur Burg aufdrückt. "Ein Schläfchen haben wir uns wirklich verdient, meinst du nicht Rebell?", wendet er sich an seinen Hund. Der aber zeigt keine Anzeichen von Müdigkeit.

Der kleine Nachtwächter geht zum Brunnen und zieht einen Eimer mit Wasser herauf. Die Taschenlampe in der Jackentasche, die ausgeblasene Laterne in der einen und den Eimer Wasser in der anderen Hand, trotten die beiden los zur Burgküche.

"Erst mal ein kleines Frühstück mit Tee und ein schönes Käsebrot", darauf freut sich der kleine Nachtwächter schon den ganzen Morgen. Er schüttet etwas mehr als für eine Tasse Tee an Wasser nötig ist in den Kessel und zündet das Feuer im Ofen an.

Rebell schnüffelt inzwischen am Rande des Tisches herum. Das gefällt dem kleinen Nachtwächter gar nicht und er schickt Rebell mit einem eindeutigen "Platz" unter den Tisch. Dann sagt er: "Du bekommst ja gleich eine Hälfte von dem Käsebrot ab. Aber erst soll das Feuer im Herd brennen."

Auf dem Tisch liegt Butterbrotpapier. Dahinein hatte der kleine Nachtwächter eine zugeklappte Scheibe Brot mit Käse eingewickelt. Sie war beim Abendbrot übrig geblieben und also für das Frühstück gedacht.

Aus den Augenwinkeln nimmt der kleine Nachtwächter wahr, wie sich Rebell nach dem Tisch hochreckt. "Nein! Warte ab!", mahnt er und Rebell legt sich stöhnend nieder.

Als das Wasser heiß ist und die Teeblätter überbrüht sind, setzt sich der kleine Nachtwächter mit der Tasse an den Tisch, und Rebell setzt sich auf. "Der Tee muß noch ziehen, aber jetzt teilen wir uns schon einmal das Käsebrot", schlägt der kleine Nachtwächter vor. Er faltet das Butterbrotpapier auseinander. Aber was ist das? Der kleine Nachtwächter findet zuerst keine Worte. Dann ist er seiner Stimme wieder mächtig und will schon losschimpfen. Aber er hält noch einmal kurz inne und denkt darüber nach, ob er Rebell wirklich ausschimpfen soll.

Sein Freund Anton hatte ihm einmal geraten, einen Hund nur zu schimpfen, wenn er ihn auf frischer Tat bei etwas ertappt, das der vierbeinige Kerl nicht tun soll. Der kleine Nachtwächter grübelt. "Ich habe nur gesehen, daß Rebell am Tisch geschnüffelt hat und das zweimal."

Der Blick des kleinen Nachtwächters wendet sich zu Rebell hin. Der sieht nicht so aus, als hätte er etwas ausgefressen. Erwartungsvoll blickt er auf das Butterbrotpapier in den Händen seines Herrchens. Da er noch immer nichts abbekommen hat, legt er sich erwartungsvoll nieder und plaziert sogar nach einer Weile seine Schnauze ganz platt auf den Boden, um dem kleinen Nachtwächter zu signalisieren: "Es kann endlich losgehen, ich bin doch ganz artig."

"Gut, daß ich nicht geschimpft habe", denkt der kleine Nachtwächter. Er faltet das Butterbrotpapier ganz auseinander und hält es Rebell unter die Augen. "Schau! Es ist nichts mehr da. Aber ich weiß nicht, wer unser Brot genommen hat. Du warst dabei, als ich es gestern abend eingewickelt habe und seitdem ist keiner von uns beiden allein in der Küche gewesen. Es hat also keiner von uns das Brot stibitzt. Wer aber war es dann?" Rebell legt seinen Kopf von einer Seite auf die andere, als grübele er über die vielen Fragen nach.

Da beginnt der kleine Nachtwächter zu flüstern: "Ob der Dieb noch hier ist? Ob er sich irgendwo in der Burg herumtreibt und nach anderen Dingen, gar Schätzen sucht? Oder war es einfach nur Mundraub. Hatte der nächtliche Besucher vielleicht einfach nur Hunger?" Erneut hält der kleine Nachtwächter Rebell das Papier unter die Nase. Doch sein "Such!" und "Verfolg den Dieb" kommt bei Rebell nicht sonderlich an. Er hat nur den Geruch von dem verschundenen Käsebrot in der Nase.

Auf Zehenspitzen schleicht sich der kleine Nachtwächter auf den Gang hinaus und von dort in die Halle. Er lauscht, kann aber nichts Ungewöhnliches entdecken oder hören. Er winkt mit der Hand ab und will gerade in die Küche zurückkehren, da bellt Rebell plötzlich aufgeregt los. "Ob der Dieb wieder aufgetaucht ist?", fragt sich der kleine Nachtwächter und ist sogleich zur Stelle.

"Nein", keiner da. Aber Rebell ist noch immer wütend. Da entdeckt der kleine Nachtwächter das Butterbrotpapier ein Stück vom Tisch entfernt. "Wie mag es dahin gekommen sein?", wundert er sich. "Rebell, was machst du für Sachen. Niemand da und du regst dich auf? Und was macht das Papier dort drüben. Bist du es am Ende etwa doch gewesen?" An diesem Morgen gehen die beiden ohne Frühstück ins Bett. Dem kleinen Nachtwächter ist der Appetit vergangen.

Gute Nacht



zum 8. August 2012