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KALENDERGESCHICHTEN/069: 09-2016   Der Herzenswunsch - was lange dauert ... (SB)



Hauke hockt auf einem Baumstumpf und schaut traurig auf den Holzhund, den er geschnitzt hat - Buntstiftzeichnung © 2016 by Schattenblick


Was bisher geschah ...

Als klar war, dass die Bernhardinerhündin Barin Junge bekommt, fasste Kati einen Plan, wie Hauke doch noch einen Hund bekommen könnte. Allerdings war alles sehr spontan und unausgegoren. Kati überraschte auf der Rückfahrt von der Tierärztin ihre Mutter - und auch Hauke - mit dem angeblichen Wunsch, selbst ein Hundebaby haben zu wollen. Merkwürdig war es schon, denn alle kannten sie als Pferdenärrin, die sich eigentlich nicht viel aus Hunden machte. Beharrlich behielt sie ihr Vorhaben gegenüber ihrer Mutter geheim, auch ihrem Freund Hauke verriet sie nichts. Das aber bekümmerte Hauke derart, dass er an der Freundschaft zu Kati zu zweifeln begann. Davon hatte sie allerdings keine Ahnung ...

"Na, wie habt ihr euch entschieden, kann ich einen Hund bekommen, was hat Papa gesagt?", bestürmte Kati ihre Mutter am nächsten Morgen. Ihre Mutter blickte ernst und bat sie, sich zu setzen. Dann folgte das, womit Kati überhaupt nicht gerechnet hatte. "Wir haben beschlossen, dass alle Hundebabys weggegeben werden", eröffnete die Mutter den langen Vortrag über Gerechtigkeit gegenüber Geschwistern. Irgendwann hörte Kati gar nicht mehr zu. Sie ließ sich nichts anmerken, schluckte nur, sagte aber nichts weiter. Ihre Mutter wunderte sich, denn sie hatte mit Tränen oder einem Wutanfall gerechnet.

Aber Kati verließ die Küche und sagte im Vorbeigehen: "Ich muss nachdenken, Mama, bin ein bisschen durcheinander, bin bei Hauke." Nun musste sie mit ihm reden, ihm von ihrem gescheiterten Vorhaben berichten. Oder lieber doch nicht? Noch wusste er ja gar nichts von ihrem Plan und konnte also auch nicht traurig über sein Misslingen sein. Sie war enttäuscht, ja, sie hatte sich total verschätzt, geglaubt, dass sie sofort einen kleinen Hund bekommen würde, wenn sie nur nett fragen würde. Jetzt im Nachhinein konnte sie ihre Eltern sogar verstehen. Sie wollten nur gerecht sein gegenüber ihren Kindern und wenn sie selbst einen Hund bekäme, dann müssten auch ihre Geschwister ein Tier bekommen. Denn das wusste sie, Torsten wünschte sich schon seit langem zwei Schafe, und es mussten unbedingt zwei sein, damit sie sich Gesellschaft leisten konnten, während er in der Schule war. Sven wollte Kaninchen, Sonja einen Esel oder besser auch gleich zwei und Sabine, die Kleinste, bettelte immer wieder um eine Katze. Also, das waren einfach zu viele Tiere, das begriff auch Kati. Nichtsdestotrotz wurmte sie die endgültige Entscheidung ihrer Eltern. Noch mehr ärgerte sie aber, dass etwas, dass sie sich vorgenommen hatte, nicht nach ihren Vorstellungen verlief. Auf halben Weg machte Kati kehrt und rannte wieder nach Hause. "Nein, nein, nein!", hämmerte es in ihrem Kopf, "so schnell gebe ich nicht auf!", brüllte sie.

Hauke hatte an diesem Morgen lange geschlafen und saß am späten Frühstückstisch. Seine Oma leistete ihm Gesellschaft und trank eine Tasse wohl duftenden Kaffee. Sie bemerkte, dass ihn etwas bedrückte, hatte aber keine Idee, was es sein könnte. Sie fragte Hauke nicht danach, denn sie wusste, dass er es nicht leiden konnte, wenn sie ihn mit Fragen bedrängte. So blieb es ein ziemlich stilles Beisammensein, das er mit einem "Ich geh' dann mal raus!" beendete. Seine Oma nickte, erhob sich ebenfalls und begann den Tisch abzuräumen.

Hauke lenkte seine Schritte zur alten Dorfbrandkuhle, aus der mittlerweile ein großer Fischteich geworden war. Dort hockte er sich auf einen großen Baumstumpf und blickte aufs Wasser ohne wirklich etwas bestimmtes anzusehen. Er bemühte sich, Kati zu verstehen. Was war in sie gefahren, dass sie ihm diese Geschichte mit dem Hundewunsch auftischte? Was wollte sie ihm damit beweisen, oder wollte sie ihn gar verletzten? Nein! Das konnte sie nicht wollen. Doch es gelang ihm nicht, etwas Sinnvolles in ihrem Verhalten zu erkennen. Langsam beruhigte er sich und hing ganz anderen Gedanken nach. Er malte sich aus, sein Hund würde jetzt hier neben ihm sitzen, er könnte ihn streicheln, ihm etwas erzählen oder auch nicht und vielleicht "Stöckchen werfen" spielen. Noch nie zuvor in seinem Leben hatte er sich so sehr etwas gewünscht, noch nie zuvor hatte es ihn so sehr geschmerzt, dass sein Wunsch nicht in Erfüllung gehen würde. Seine Gedanken hüpften und kreiselten in seinem Kopf. Kaum hatte er ganz vernünftig gedacht, "wenn ich erwachsen bin, kaufe ich mir einen Hund", folgte kurz darauf, "aber gerade jetzt, hier und heute, wäre es schön einen Begleiter zu haben".

So setzte sich die Berg- und Talfahrt seiner Gefühle fort, bis sein Blick plötzlich auf ein Stück Holz fiel. Er hob es auf und besah es sich von allen Seiten, befühlte es forschend und entschied, dass es ein geeignetes Stück sei, um daraus etwas zu schnitzen. Aus seiner Hosentasche zog er sein Taschenmesser. Es war kein gewöhnliches, sondern eines, dass sich gut zum Schnitzen eignete. Sein Vater hatte es ihm letztes Jahr geschenkt, einfach so. Vor ihm entstand ein Bild - natürlich zeigte es einen Hund - und Hauke begann sein Werk. Konzentriert auf sein Tun, vergaß er alles um sich herum, vor allem die Zeit. Am späten Nachmittag begutachtete er, was aus dem Holz geworden war. Deutlich war die Form des Tieres zu erkennen. Nun ging es an die Feinarbeit, das würde noch ziemlich lange dauern. Hauke packte seine Sachen und schlug den Heimweg ein. Er behielt den unfertigen Holzhund in der Hand und dachte an seinen Vater, der ihm, als er noch klein war, viele schöne Tiere geschnitzt hatte. Sie sahen alle so lebendig aus. Was das anging, war sein Vater ein wirklicher Künstler.

"Ob er mir einen Hund schenken würde?", grübelte Hauke sehnsüchtig. Aber er wusste, dass er ihn nicht darum bitten würde, weil dann seine Mutter verletzt wäre. Andererseits war er doch sein Vater! Das war wieder mal so ein Punkt, an dem es ihm völlig blöde erschien, dass seine Eltern sich zerstritten hatten. Beide versuchten jeweils der bessere Vater oder die bessere Mutter zu sein, jeder war sicher, das Beste für ihn, ihren Sohn, zu wollen. Dabei wäre das Beste so einfach! Das Beste wäre, sie würden sich wieder vertragen. Hauke kannte den Grund für ihre Trennung nicht. Geschieden waren sie nicht, aber sie gingen sich aus dem Weg. "Hoffentlich bin ich als Erwachsener nicht so bescheuert", dachte er.


Die Ferien boten aufgrund des schönen Wetters genügend Gelegenheit, sich mit Schwimmen, Toben und Tollen abzulenken. Das Traurige für ihn war im Moment, dass es mit Kati nicht mehr so war wie früher. Irgendetwas schien zerbrochen und gleichzeitig wollte er nicht, dass es so war. Oft überlegte er, was er tun könnte, aber sobald er sich entschlossen hatte, mit Kati darüber zu sprechen, tat sie so, als sei alles in bester Ordnung. Er wurde nicht schlau aus ihr und das angebliche Kurzzeitgeheimnis dauerte länger und länger und Haukes Zweifel wuchsen.

An seinem Geburtstag gab es eine Überraschung. Seine Mutter hatte sich frei genommen und war mit einem selbst gebackenem Kuchen und ein paar Geschenken am frühen Morgen aufgetaucht. Hauke freute sich und sie verbrachten einen schönen Tag. Abends ging sie in Haukes Zimmer, um ihm Gute Nacht zu sagen. Dabei entdeckte sie den mittlerweile fertig geschnitzten Holzhund auf dem Regal. Sie nahm ihn in die Hand und bestaunte versonnen die feine Arbeit. Es versetzte ihr einen Stich und Tränen rannen über ihre Wange. Rasch wischte sie sie mit einem Taschentuch fort. Doch Hauke hatte es schon bemerkt. Keiner sagte ein Wort. Seine Mutter schluckte und verabschiedete sich tapfer mit einem "Gute Nacht, Hauke, träum was Schönes." Sie verließ sein Zimmer und machte sich auf ihren Heimweg.

Die Ferien näherten sich dem Ende und endlich fasste Hauke sich ein Herz und fragte Kati ganz direkt: "Was ist denn jetzt mit dem Kurzzeitgeheimnis?" Kati erschrak, hatte sie doch gehofft, dass er es vergessen hatte. Sie zögerte, entschied sich dann aber, ihm ganz einfach alles so zu erzählen, wie es sich zugetragen hatte - sowohl in ihrem Kopf mit ihren Ideen als auch in der Wirklichkeit mit der Ankündigung, dass auch sie keinen Hund bekommen würde. Hauke war baff. So hatte er sich das alles nicht vorgestellt. Kati hatte versucht ihm eine Freunde zu machen, sie wollte ihm den Hund schenken, den er sich so wünschte und er, was tat er? Er schämte sich, er hatte schlecht über sie gedacht und sogar an ihrer Freundschaft gezweifelt. Das haute ihn glatt um und er tat etwas, was er noch nie zuvor getan hatte, er nahm Kati in die Arme und drückte sie an sich. Es schien Kati zu gefallen. Als ihm gewahr wurde, was er da gerade tat, ließ er sie los und fing verlegen an zu lächeln. Kati grinste erleichtert und boxte nach ihm ohne ihn zu treffen.

Weder er noch Kati sprachen je wieder über Hunde, schon gar nicht über Hundebabys. Leider fing die Schule auch wieder an und die nahm einen großen Teil ihrer Aufmerksamkeit in Anspruch. Die Zeit verging langsam und die Schule war langweilig, jedenfalls meistens. Sie hatten neue Lehrer bekommen, die genügend Gesprächsstoff unter den Schülern lieferten, entweder weil sie ziemlich streng waren oder aber völlig abgefahrene Klamotten trugen. Woche um Woche ging ins Land und Barin, die Bernhardinerhündin, wurde dick und rund.

Fortsetzung folgt ...


zum 1. September 2016


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