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KALENDERGESCHICHTEN/090: 06-2018   Verkehrte Welt - wir halten zusammen ... (SB)



Kleiner Fuchs und Entchen hocken gespannt vor dem Heuhaufen, in dem sich die Fuchmama versteckt hat, von der nur Augen, Schnauze und Schwanz zu sehen sind - Buntstiftzeichnung © 2018 by Schattenblick

Der Flugunterricht des kleinen Fuchses wurde von dem Schweinchen Pico gestört, der sich als Fliegen-Lernen-Experte ausgab, dem Fuchs Ratschläge erteilte, die nicht zum Erfolg führten und das selbst auch gar nicht fliegen konnte, sondern sich nur von einem Baum hinab fallen ließ, um in eine Matschgrube zu springen - das war seine Art zu fliegen, die dem Fuchs allerdings überhaupt nicht gefiel. Erbost jagte er das Schwein davon. Er hatte erst einmal genug von irgendwelchen Flugversuchen. Gina hockte sich wieder auf seinen Rücken und so schwebten sie davon, um nach der Fuchsmama zu suchen.

Sie waren schon eine ganze Weile über Wiesen, Felder und Bäche dahin geschwebt und Mika, der Fuchs, bat Gina doch bitte zu landen. Traurig wollte er schon aufgeben, da rief Gina plötzlich: "Mika, da, sieh' da hinten, ein rotes Fell hinter dem Heuhaufen, genau wie deines, nur viel größer!"

Sie zögerte keinen Moment und steuerte direkt auf den großen Fuchs zu, der erschrocken aufblickte und einen Sprung in den Heuhaufen tat, um sich zu verstecken. Gina landete. Mikas Pfoten berührten den Boden und sofort rannte er auf das Versteck des großen Fuchses zu, blieb davor stehen und wartete einen Moment, bis Gina von seinem Rücken klettern konnte. Dann fragte er ins Heu hinein: "Mama, bist du das? Ich bin 's, Mika, komm doch heraus, ich hab' dich überall gesucht!"

Nun kam Bewegung in den Haufen und tatsächlich lugte eine Füchsin hervor. Sie lächelte mit freundlichen Augen und wühlte sich dann ganz und gar aus ihrem Versteck. "Mika, ich kann es gar nicht glauben, was für ein Glück, komm her, lass dich beschnuppern." Mika eilte auf sie zu und freute sich so sehr, dass er am ganzen Leib zitterte.

"Deine Brüder und ich haben jeden Stein umgedreht auf der Suche nach dir und jetzt kommst du von ganz allein. Oh, wie ich mich freue, lass' uns schnell nach Hause laufen?" Sie sprach auf einmal nicht weiter, denn sie hatte Ente Gina neben ihm im Gras sitzen sehen.

"Oh, Junge und du hast dir auch gleich etwas zu essen mitgebracht, das sieht aber lecker aus. Pack' das köstliche Teilchen ein und wir feiern deine Rückkehr mit einem Festschmaus!", freute sich die Fuchsmama.

Gina erschrak fast zu Tode, konnte sich nicht mehr bewegen vor lauter Angst und wollte gar nicht glauben, was sie da hörte. Endlich begriff sie, dass sie schleunigst fliehen musste. Sie breitete ihre Flügelchen aus, doch nichts geschah. Immer noch spürte sie den Boden unter ihren Füßen. Ihr kleines Herz schlug schnell und schneller und sie glaubte keine Luft mehr zu bekommen. Sollte ihr kurzes Leben hier schon sein Ende finden? Doch jetzt endlich schrie Mika: "Nein Mama, das geht nicht, das ist Gina, wir können sie auf keinen Fall essen. Sie hat mir geholfen dich zu finden, ohne sie wäre ich verloren gewesen!"

"Ach was, pappelapapp, Enten sind zum Fressen da!", brüllte ein Bruder von Mika, der gerade hinzugekommen war, voller Eifer und großem Appetit.

"Ich bin keine Ente!", schimpfte Gina, "ich bin eine Maus!"

Da fingen Fuchsmama und Bruder lauthals an zu lachen. "Mir egal, kleine Enten oder Mäuse, beides ist lecker, und nun ist es genug mit dem Geplapper, ich habe Hunger", grollte Mikas Bruder.

"Schnell Gina, flieg davon, na los, flieg schon, schnell!", japste und flehte Mika seiner Freundin zu.

Noch einmal hob Gina ihre Flügel und auf einmal flog sie höher und höher und blickte auf den kleinen Fuchs, der wieder heim zu seiner Familie gefunden hatte, dieser Familie mit den seltsamen Essgewohnheiten. Gern hätte sie sich noch von ihm verabschiedet, doch höchste Eile war geboten. Sie drehte noch eine Runde über die Köpfe der Füchse hinweg und hörte aus der Ferne: "Vielen Dank für alles, Gina, und viel Glück."

Gina begab sich auf den Nachhauseweg. Als sie im Stubenschrank von Henry Maus ankam, war es schon dunkel geworden. Sie krabbelte durch das Loch in der Schrankwand und fand den Innenraum leer. "Wo waren Henry und Chiko?", fragte sich das Entchen, das mit einem mal gar nicht mehr so sicher war, ob sie wirklich eine Maus sei. Schließlich sah sie ganz anders aus als Henry. Unsicher sah sie sich um. Sie fühlte sich total einsam und verlassen und sorgte sich um Henry. Nun, da sie wusste, wie gefährlich das Leben für Mäuse und Enten sein kann, malte sie sich ein schreckliches Ende für Henry Maus aus. "Aber vielleicht hat Chiko ihn ja beschützt, vielleicht kommen beide gleich nach Hause", versuchte sie sich zu beruhigen. Gina beschloss auf jeden Fall, hier auf Kater und Maus zu warten. "Sie müssen einfach wiederkommen!", schrie sie in Gedanken und dann auch lauthals aus, "sie müssen, sonst bin ich ganz allein. Henry, bitte, Chiko, kommt doch endlich wieder." Die kleine Ente schleppte sich traurig und erschöpft zum Suppenteller, in dem sie noch vor kurzem neben Mika gelegen hatte, hopste hinein und schlief sie erschöpft ein.

Nur wenig später kehrten Henry Maus und Chiko zurück. Müde verabschiedete sich der Kater und verschwand, um sich ebenfalls schlafen zu legen. "Bis morgen Henry", raunte er ihm noch zu, "Gina wird wieder kommen, ganz bestimmt, sei nicht traurig. Du hast doch gesehen, sie kann fliegen, da wird sie auch schnell flüchten können, wenn ihr Gefahr droht."

Henry dankte Chiko für die freundlichen Worte, verkroch sich alsbald in seine Lieblingstasse und zählte viele, viele Käseecken, bis er endlich in tiefen Schlummer fiel.

Was war das am nächsten Morgen für eine Überraschung. Henry erwachte, reckte und streckte sich, hüpfte aus seiner Tasse und glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Da lag doch tatsächlich das Entchen Gina im Suppenteller. Er konnte nicht anders, freudig stürmte er auf sie zu, stupste sie kräftig an. Gina drehte sich um, öffnete die Äuglein und rief ungläubig: "Henry, Henry, du bist wieder da!"

"Ja, ja, sicher doch, bin ich froh, das dir nichts passiert ist. Du bist doch in Ordnung, dir geht 's doch gut oder?", besorgt musterte er seinen kleinen Schützling.

"Mir geht es gut, jetzt wo du da bist, geht es mir wieder richtig gut. Jetzt weiß ich auch, warum du keinen Fuchs in unserem Zuhause beherbergen wolltest. Die, die, die wollten mich als Festschmaus verspeisen!", empörte sich Gina. "Ich konnte gerade noch entfliehen."

"Oh je, das ist ja furchtbar!", rief Henry Maus erschrocken.

"Henry, die Füchse haben mich eine Ente genannt", platzte Gina heraus, "bin ich denn eine Ente, stimmt das?", wollte sie von ihm wissen.

Einen Moment lang zögerte der Mäuserich, doch dann antwortete er: "Ja, das ist richtig".

"Und ist das schlimm?", etwas verwirrt sah sie ihn an.

"Nein, nein, ganz und gar nicht. Wir gehören zusammen, ganz gleich was noch alles geschieht", versicherte Henry Maus der kleinen Ente, dabei ahnte er bereits, dass ihnen noch einige Abenteuer bevorstanden?

Fortsetzung folgt ...


zum 1. Juni 2018


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