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KALENDERGESCHICHTEN/108: 12-2019   Der kleine Elefant - Ende gut, alles gut (SB)


Roland steht, als nun großer Elefant, der Gräfin gegenüber und hält in seinem Rüssel sein kleines, rotes Herzkissen - Buntstiftzeichnung © 2019 by Schattenblick

Roland hatte von dem Wundergras getrunken und war wie versprochen sehr schnell sehr groß geworden. Als er im Wasser sein Spiegelbild erblickte, war er beeindruckt von sich selbst und seiner neuen Erscheinung. Und so kam es, dass die Gräfin am nächsten Morgen vergeblich nach ihrem kleinen Elefanten Ausschau hielt.


Die Gräfin hatte etwas zu lange geschlafen, aber auch Johann war nicht rechtzeitig wach geworden. Beide waren sehr erschöpft von den Anstrengungen der Reise und der Aufregung und Sorge, die sie gefangen nahm, während sie vergeblich den kleinen Elefanten Ronny suchten. Doch nach einer Tasse Kaffee, den Johann über einen Campingkocher zubereitet hatte, brachen sie auf, um den kleinen Elefanten zu fragen, ob er wieder mit nach Hause kommen wolle. Sie erblickten die Herde in dem kleinen Tal und schritten forsch darauf zu. Doch wohin die Gräfin ihre Blicke auch schweifen ließ, nirgends konnte sie ihren kleinen Ronny entdecken. Der allerdings sah sie sofort und stürmte freudig auf sie zu. Er wunderte sich wie mächtig seine Schritte sich anfühlten und wie sein Gewicht den Boden erbeben ließ. Roland schätzte, dass er wohl nicht nur sehr groß geworden war, sondern auch ziemlich schwer. Aber es fühlte sich gut an, richtig gut.

Gräfin Gerlinde allerdings blieb ängstlich stehen und auch Johann drehte sich bereits zur Seite, um notfalls die Flucht zu ergreifen. Der riesige Elefant hielt direkt auf sie zu und schien es auch noch eilig zu haben. Was wollte dieses gewaltig große, furchteinflößende Tier nur von ihnen. Verteidigte er seine Herde und sah in den beiden Menschen eine Gefahr?

"Gräfin, ich schlage vor, wir ziehen uns sofort zurück. Auf die Begegnung mit einem so mächtigen Tier, dass vielleicht auch noch wütend auf uns ist, kann ich gut und gerne verzichten", schlug Johann vor. "Ja, ja, Sie haben recht, nur schnell weg hier!", schrie die Gräfin schon beinahe.

Dann rannten sie beide so geschwind wie ihre ermatteten, alten Knochen es zuließen, bis zu ihrem Lagerplatz. Dort schnappten sie sich das Nötigste, ließen das Zelt zurück, denn das könnten sie später immer noch holen. Doch der Elefant rannte auch schneller und verfolgte die Flüchtenden.

Roland war verwirrt, er begriff nicht, warum die Gräfin vor ihm floh. Was hatte er getan, dass sie sich vor ihm ängstigte? Wo liefen die beiden denn hin?

"Johann, lass uns schnell zum Flugzeug laufen, vielleicht macht der Elefant davor halt", haspelte die Gräfin in ihrer Luftnot. Johann nickte nur und so lenkten sie ihren Lauf in Richtung Flugplatz. Dort angekommen suchten sie sofort Schutz in der Hütte, die am Rand des schmalen Rollfeldes stand, schlossen die Tür hinter sich und ließen sich auf die dort stehende Bank nieder. Sie mussten erst mal verschnaufen. Zum Glück war niemand dort, es kam ja auch nur sehr selten vor, dass hier ein Flugzeug landete und die Ankömmlinge hier darauf warteten von einem Ortskundigen abgeholt zu werden. Nach einer Weile erhob sich die Gräfin, steuerte auf das Fenster zu, wischte den Staub von der Scheibe und schaute hinaus.

"Johann, rasch, sehen Sie nur was der Elefant dort vorhat. Er scheint in das Flugzeug zu wollen."

"Wie bitte? Das ist doch unmöglich, der ist doch viel zu groß!", empörte sich Johann, stand aber sogleich neben der Gräfin und beobachtete das Geschehen mit eigenen Augen.

Dieser riesige Elefantenbulle setzte tatsächlich einen Fuß auf die Treppe, zog ihn dann aber zurück und steckte nun seinen Rüssel durch die offen stehende Kabinentür.

"Was sucht er denn da? Dieser Elefant ist reichlich neugierig", bemerkte Johann.

Roland sah das alles etwas anders. Er war sehr betrübt darüber, dass die Gräfin sich vor ihm fürchtete. Wie konnte er ihr nur verständlich machen, das er eben derselbe kleine Ronny war, der einst bei ihr in der Villa gelebt hatte? Er sah eine Möglichkeit darin, sich Gegenstände zu schnappen, die ihm gehörten, wie das große Bananen- oder Herzkissen, den Kopfschmuck oder die Transportkiste. Dann wollte er sie der Gräfin zeigen. Er hoffte, sie würde dann wissen, dass er eben derjenige sei, dem diese Dinge vertraut waren.

"Oh, wie winzig meine Kissen sind, die einstmals so groß waren! Und die Kiste, da soll ich hinein gepasst haben? Unmöglich! Mein Kopfschmuck, wie winzig, den kann ich mir grad' noch um den Rüssel binden!", staunte der kleine große Elefant. Dennoch trug er die Sachen zusammen, legte sie vor das Flugzeug auf einen Haufen und trötete. Aber sein Plan schlug fehl.

"Johann, sieh nur, ach weh, wie schrecklich. Nun ergreift dieses Untier auch noch die Kissen von Ronny und seinen Kopfschmuck, oh, und nun auch noch die Transportkiste. Was soll das nur. Was will dieses Wesen damit denn anfangen?", bekümmert stöhnte sie laut auf.

In dem Moment wurde die Tür geöffnet und Kuro trat ein, wollte aber sofort wieder kehrt machen, als er die beiden Gäste dort am Fenster stehen sah. Johann drehte sich geschwind um und erkannte den Jungen sofort. "Halt, bleib doch Kuro, was suchst du denn hier?", hielt er ihn auf.

"Ich wollte nur mein Fernglas holen. Vor langer Zeit hat es hier jemand liegen gelassen. Ab und zu leihe ich es mir aus, um die Vögel besser beobachten zu können", erklärte er.

"Komm doch bitte mal hier herüber und sieh dir das an. Was meinst du, was dieser große Elefantenbulle mit den Sachen von unserem kleinen Elefanten anfangen will? Du kennst dich doch mit den Tieren hier im Land besser aus als ich."

Kuro erkannte Roland sofort und lachte, drehte sich zu den beiden um und schüttelte den Kopf. "Onkel Johann", so hatte Johann dem Jungen erlaubt ihn zu nennen, "vor dem da draußen braucht ihr keine Angst zu haben, das ist doch Ronny oder Roland oder wie immer ihr ihn auch nennt!"

"Willst du mich veräppeln? Ronny ist winzig, dieser da kann niemals unser Ronny sein!", beharrte Johann leicht verärgert.

"Doch, doch, verstehst du denn nicht? Er hat von der Pflanze getrunken, die Mama Maja ihm verabreicht hat, ja, ich hab 's selbst gesehen, ganz bestimmt." Kuro baute sich zu seiner vollen Größe auf, streckte seinen Rücken und erklärte weiter: "Ich war neugierig, als ich Mama Maja beim Zubereiten des Tranks heimlich zusah." - "Wer ist den Mama Maja?", mischte sich nun die Gräfin ein.

"Die Elefantin, die Chefin der ganzen Elefantenfamilie, bei der der kleine Ronny untergekommen ist und sich mit dem Elefantenbaby Nico angefreundet hat", klärte Kuro die beiden Erwachsenen auf. "Erzähl weiter", forderte Johann.

"Ich versteckte mich hinter einem Busch, der kleine Elefant verbarg sich hinter einem Baum, trank von dem Wundergras, trank die ganze Melonenschale aus und dann, dann begann er zu wachsen. Das dauerte nicht lange, da war aus ihm ein stattlicher Elefantenbulle geworden. Ja, da draußen, das ist Ronny."

Johann und die Gräfin sahen sich ungläubig an. Entschlossen schritt die Gräfin auf die Tür zu, öffnete sie und näherte sich ohne zu zögern dem großen Elefanten. "Bist du das Ronny?", sprach sie laut und deutlich.

Roland nahm das rote Herzkissen und schwenkte seinen Rüssel auf und ab, dann trötete er sein übliches "Guten Morgen". Da erkannte die Gräfin ihn und Freudentränen kullerten über ihre Wangen. Sie umfasste seinen Rüssel und streichelte ihn liebevoll, Roland wackelte mit seinen riesigen Ohren. Inzwischen hatte sich auch Johann genähert und dem Elefanten ein freundliches Hallo gesagt. Kuro hielt sich im Hintergrund und sah einfach der herzlichen Begrüßung zu.

"Oh je, und ich hatte solche Angst vor dir, aber wie konnte ich denn ahnen ...", die Gräfin beendete den Satz nicht, weil sie zugleich lachen und weinen musste.

"Johann, ich glaube damit ist die Entscheidung gefallen, denn als so großer Elefant kann er nicht wieder mit uns nach Hause kommen. Was meinen Sie, was wir nun unternehmen sollten?", unsicher sah sie ihn an.

"Was halten Sie davon, wenn auch wir hier im Land bleiben, die Zelte daheim abbrechen und uns hier ein neues Zuhause aufbauen?", schlug er vor.

"Das ist eine wunderbare Idee. Dann sind wir in Ronnys Nähe und vielleicht können wir Tieren, die in Not geraten sind, helfen!", begeisterte sich die Gräfin Gerlinde.

"Wenn Sie erlauben, werde ich alle nötigen Schritte in die Wege leiten. Wir bleiben hier." Es war nicht zu übersehen, dass auch er sich freute. Kuro hockte sich ins Gras und sah noch, wie Roland seine beiden Begleiter zu seiner Elefantenfamilie führte, folgte ihnen wenig später und wurde Zeuge einer stürmischen Begrüßung durch das Elefantenbaby Nico, das auch die Gräfin und Johann freundlich begrüßte.

Ende


zum 1. Dezember 2019


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