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PFLANZEN/015: Die Selbstverteidigung der Pflanzen - Der Mais, Teil 2 (SB)


Die Selbstverteidigung der Pflanzen



Der Mais (Teil 2)

Die Pflanzen auf dem Maisfeld stehen in Reihen, Maiskolben sind noch nicht zu entdecken - Foto: © 2013 by Schattenblick

Maisfeld
Foto: © 2013 by Schattenblick

Im ersten Teil wurde die Fähigkeit der Maispflanze beschrieben, Fadenwürmer (Nematoden), die im Boden leben, anzulocken, wenn ihre Wurzeln von den Larven des Maiswurzelbohrers angefressen werden.

Nach dieser Beobachtung wollte man gerne genau wissen, was in der Maispflanze vorgeht. Wissenschaftler fanden also heraus, dass die Wurzel, sobald sie von den Larven des Maiswurzelbohrers angefressen wurde, eine Substanz (einen Lockstoff mit dem wissenschaftlichen Namen (E)-beta-Caryophyllen) absondert. Dieser verteilt sich über den Boden und lockt die Fadenwürmer an. Der Lockstoff wirkt nur auf jene Fadenwürmer, die Insektenlarven fressen, und im wissenschaftlichen Sprachgebrauch Nematoden genannt werden. Im Boden leben auch noch andere Nematoden, die allerdings der Pflanze gefährlich werden können. Der Duftstoff sollte deshalb so wirken, dass nur die richtigen Fadenwürmer angelockt werden. Diese Abwehr findet unter der Erde statt. Über der Erde lockt der Mais die Schlupfwespen an.

Schlupfwespen sind Hautflügler und sehr klein. Mit ca. 8 Millimeter bis 1 Zentimeter Größe muss man schon genau hinsehen, um sie zu entdecken. Das Besondere an diesen Tieren ist ihre Fortpflanzungsart. Sie legen ihre Eier in Larven, Eier oder Raupen, vorzugsweise von Schmetterlingen und anderen Insekten. Während der Entwicklung der Schlupfwespeneier zur Larve werden die Raupen bzw. Larven von innen her verspeist. So schlüpft eine neue Schlupfwespe, die sich bald auf die Suche nach neuen Wirten für ihre Eiablage begibt. Dieses Verhalten macht die Maispflanze sich zunutze.

Frisst beispielsweise die Raupe der Knöterich-Seidenglanzeule, das ist ein Schmetterling, genauer gesagt ein Nachtfalter (wissenschaftlicher Name: Spodoptera exigua Hübner) an einem Maisblatt, sondert sie währenddessen ihren Speichel ab. An diesem Raupenspeichel erkennt die Pflanze ihren Fraßfeind und beginnt sofort damit, einen Duftstoff herzustellen, der sich in der Luft verbreitet. Schlupfwespen der Gattung Cotesia marginiventris riechen ihn und fliegen zu der Maispflanze. Wenn eine Schlupfwespe auf diese Raupe trifft, legt sie ihre Eier in sie hinein. Die Raupe dient nun den Schlupfwespenlarven als Nahrungsquelle und stirbt.

Auch hier wollten Wissenschaftler natürlich gern wissen, woraus dieser S.O.S.-Lockstoff besteht. Nach chemischen Analysen stellten sie fest, dass er aus einem Gemisch von Indol und Terpenoiden besteht. Terpenoide sind Bausteine, die von der Pflanze produziert werden, um daraus die verschiedenen, für sie wichtigen Stoffe, herzustellen. Indol verbreitet einen blumenartigen Geruch.

Dann wurde auch noch der Speichel der Raupe untersucht. Die Forscher fanden einen chemischen Stoff, dem sie den Namen "Volicitin" gaben. Das Zusammenwirken von Tier und Pflanze ist für beide von Vorteil. Die Schlupfwespenlarven nutzen die Raupe als Nahrung. Sie wird verspeist und kann die Maispflanze nicht weiter schädigen. Die Zahl der aus den Raupen entstehenden Schmetterlinge, bzw. Nachtfalter wird weniger, die Anzahl der Schlupfwespen mehr. Auf diese Weise bleibt der Mais von dem Raupenfraß verschont. Die Raupen der Knöterich-Seidenglanzeule sind in diesem Falle die Verlierer.


Große Gefahr droht vom Maiszünsler - Können die Schlupfwespen hier helfen?

Auch wenn der Mais von dem Maiszünsler heimgesucht wird, nimmt er die Hilfe der Schlupfwespen in Anspruch. Der Maiszünsler, eine Schmetterlingsart, genauer ein Nachtfalter, ist einer der bekanntesten Fraßfeinde des Mais. Er richtet großen Schaden an. Das Maiszünslerweibchen legt seine Eier an die Unterseite der Blätter ab. Die sich daraus entwickelnden Larven fressen die Stängel der Maispflanze und später auch den Maiskolben an. Sie bohren sich regelrecht in den Stängel, was zur Folge hat, das er an Festigkeit verliert. Die Versorgung mit Wasser und Nährstoffen ist unterbrochen. Derart geschwächt und zerstört, knickt der Stängel ein, die Pflanze stirbt ab. Eine weitere Gefahr besteht darin, dass diese Fraßlöcher oder Bohrlöcher auch Einfallstore für Pilzsporen sind. Die sogenannten Fusarium-Arten (eine Schlauchpilzart) stellen als Stoffwechselprodukt Gifte (Mykotoxine) her. Diese sind für viele Lebewesen, je nach aufgenommener Menge und Körpergröße, gesundheitsschädlich bis tödlich. Ein derart befallener Mais kann nicht mehr verwendet werden.

Die Schlupfwespen nun legen ihre eigenen Eier in die des Maiszünslers. Dort entwickelt sich eine Schlupfwespenlarve, wobei sie das Ei des Maiszünslers als Nahrung verwendet, verpuppt sich und es wächst eine neue Schlupfwespe heran. Die sucht wieder nach Eiern des Maiszünslers, um auch ihre Eier dort hinein zu legen. Ein große Anzahl Schlupfwespen in einem Maisfeld ist auf jeden Fall von Vorteil für die Pflanzen.

Die Maispflanze verfügt von Natur aus über gute Verteidigungsmöglichkeiten. Das Zusammenwirken zwischen Tieren und Pflanzen ist fein aufeinander abgestimmt. Die Schlupfwespen lernen erst, auf welchen Duft sie reagieren und was sie an der Quelle dieses Duftsignals erwartet - nämlich die Raupen, Larven oder Eier der Schmetterlinge (Nachtfalter), die sie als Eiablagestätte nutzen können. Auch stellen verschiedene Maissorten unterschiedliche Mengen an Lockstoffen her - einige große Mengen mit intensiven Duft, andere weniger. Die Blätter jüngerer Maispflanzen produzieren größere Mengen S.O.S.-Lockstoff als ältere. Sie sind noch zart und empfindlich und sollten sich schnell schützen.

Würde der Mais einfach wild wachsen, bräuchte man sich wohl keine großen Sorgen um ihn zu machen. Doch mittlerweile haben bestimmte Maissorten ganz und gar ihre Selbstschutzmöglichkeiten verloren.


Wie konnte es dazu kommen, dass bestimmte Maissorten der Fähigkeit beraubt wurden, um Hilfe zu rufen?

Als der Mais als landwirtschaftliche Nutzpflanze angebaut wurde, legte man großen Wert auf hohe Ernteerträge. Das Ziel der Maiszüchtung war und ist es, Pflanzen zu erhalten, die dem Landwirt eine große Ernte einbringen. Auf dem Weg immer bessere, ertragreichere Sorten zu züchten, ist wahrscheinlich diese Fähigkeit des Mais unbemerkt verloren gegangen. Die Landwirte verwendeten und verwenden Pflanzenschutzmittel, die gegen die schädlichen Insekten wirken sollen. Vermutlich achteten die Forscher deshalb nicht auf die Fähigkeit des Mais, sich selbst zu schützen. Vielleicht hielten die Landwirte oder die Wissenschaftler diesen Selbstschutz der Pflanze auch für nicht ausreichend, so dass sie die chemischen Mittel bevorzugten. Wie auch immer, der nordamerikanische Mais hat jedenfalls die Fähigkeit (E)-beta-Caryophyllen zu produzieren eingebüßt, also den Lockstoff für die Fadenwürmer. Seine Wurzeln können ihn nun nicht mehr herstellen.

Das hat zur Folge, dass die Landwirte auf den Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln angewiesen sind. Ihr Mais wäre sonst den natürlichen Fraßfeinden hilflos ausgeliefert.

Die hohen Verluste bei der Maisernte, verursacht durch den Befall des Maiswurzelbohrers, drängt Wissenschaftler zu neuen Überlegungen. Sollte wieder auf die natürlichen Schutzmechanismen der Maispflanze zurückgegriffen werden? Vielleicht gelänge eine gezielte Züchtung von Mais mit eben diesen Fähigkeiten? Der Mais hat seine eigenen Schutzmechanismen, sein eigenes Immunsystem. Sollte die landwirtschaftliche Forschung nicht darauf gerichtet sein, die Pflanzen darin zu unterstützen, sich mit ihren eigenen Waffen wehren zu können?

Es hat bereits vielversprechende Feldversuche gegeben, die deutlich werden ließen, dass mit dieser natürlichen Pflanzenschutzmethode gute Erfolge erzielt wurden. Die Verbreitung des Maiswurzelbohrers ging bemerkenswert zurück. Es schlüpften weniger Käfer, da ihre Larven von den Nematoden gefressen worden sind.

Kann vielleicht dieses Zusammenspiel von Maispflanze/Fadenwürmern/Schlupfwespe zur biologischen Schädlingsbekämpfung genutzt werden? Vielleicht könnten Pflanzen gezüchtet werden, die mehr S.O.S-Duftstoffe produzieren und gleichzeitig einen hohen Ertrag erzielen. Sie wären in der Lage viele Schlupfwespen anzulocken und sich so gegen den Raupenfraß zu schützen.



Quellen:

http://www.gen.ethisches-netzwerk.de/gid/169/thema/koechlin/erinnerung-pflanzen

http://www.ages.at/ages/landwirtschaftliche-sachgebiete/pflanzengesundheit/aktuelles/nematoden/

http://www.mpg.de/498535/pressemitteilung200503235


14. September 2013