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PFLANZEN/030: Ein guter Wirt ist in Gefahr ... (SB)


Der Leberwurstbaum


Selten wird über einen Baum so viel Gutes gesagt, wie über den Leberwurstbaum. Da möchte man doch wissen, warum das so ist. Beheimatet ist dieser kleine bis mittelgroße Baum in Westafrika. Inzwischen ist er aber in ganz Afrika verbreitet. Seine Früchte, die aussehen wie riesige, an Zweigen hängende Leberwürste, gaben ihm seinen Namen. Für Menschen aus Deutschland ist der Name "Leberwurstbaum" sehr nahe liegend, doch in Afrika wird er auch noch ganz anders genannt. Es gibt wirklich viele verschiedene Namen, die die unterschiedlichen Stämme oder Volksgruppen für ihn verwenden. Hier ein paar Beispiele: Kigeli-keia, mbungati, mwegea, Rotinwo oder sausage-tree beziehungsweise cucumber tree. Die beiden letzten Namen sind englisch und bedeuten in deutscher Sprache Wurst-Baum beziehungsweise Gurken-Baum.



Ein Leberwurstbaum mit ausladender Baumkrone und vielen hängenden Früchten - Foto: 2007, by Wernfried (Own work, transferred from de.wikipedia) [Public domain], via Wikimedia Commons

Leberwurstbaum
Foto: 2007, by Wernfried (Own work, transferred from de.wikipedia) [Public domain], via Wikimedia Commons



Aber was ist nun das Besondere, das Hervorragende an diesem Baum?

Außer seinen ungewöhnlich großen und auffällig geformten Früchten, ist das Bemerkenswerte an diesem Baum, dass er zu einer Zeit blüht und wächst, in der fast alles andere verdorrt, gelb und wenig nahrhaft am Boden liegt. Die anderen Bäume sind kahl, haben ihr Laub abgeworfen und überdauern so die Trockenzeit. Denn ohne Blätter verdunsten sie nicht so viel Wasser und können das wenige, das sie noch in sich gespeichert haben, sparsam nutzen. Die Trockenzeit dauert ungefähr vier Monate. Für die dort lebenden Tiere ist das eine schlimme Zeit. Sie finden kaum etwas zu essen und wenige Schattenplätze. Zu Beginn der Trockenzeit fallen auch die letzten schon etwas vertrockneten Früchte des Leberwurstbaums zu Boden. Selbst in diesem Zustand werden sie noch von verschiedenen Tieren verspeist. Wird dann auch das letzte trockene Laub abgeworfen, ist Platz geschaffen für das neue, frische Grün des Baumes. Man kann wohl sagen, dass er ein Lebensretter in Notzeiten ist. Ohne ihn würden viele Tiere verhungern. Aber ausgerechnet in dieser Zeit beginnt der Leberwurstbaum zu blühen und breitet seine Blätter aus. Unter ihm finden die Tiere Schatten, die Insekten laben sich am Nektar der Blüten und späterhin machen sich viele Tiere über die riesigen Früchte her.



Foto: 2007, by User: Abubiju (own wotk) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], via Wikimedia

Blüte
Foto: 2007, by User: Abubiju (own wotk) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], via Wikimedia Commons



Warum kann der Leberwurstbaum blühen, wenn um ihn herum alles verdorrt?

Seine Wurzeln reichen sehr weit ins Erdreich und können das Grundwasser erreichen. Dadurch ist es ihm möglich, diese Zeit der Trockenheit zu nutzen und fast ohne Konkurrenz zu anderen blühenden Gewächsen, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Die Insekten stürzen sich auf seine Blüten und bestäuben sie, die Samen, die sich in den schweren, länglichen Früchten befinden, werden von den großen Tieren gefressen und weiter fort getragen, um an anderer Stelle ausgeschieden zu werden. Auf diese Weise wird die Verbreitung des Baumes möglich. Für Nilpferde, Elefanten, Nashörner, Giraffen, Paviane, Gazellen und noch einige andere Tiere, wie auch einer Vielzahl von Insekten, bietet dieser Baum ein reichhaltiges Nahrungsangebot.



Eine einzelne herab hängende Frucht, die erstaunliche Ähnlichkeit mit einer riesigen Leberwurst hat - Foto: 2005, by Dr. Thomas Wagner (Own work) [CC BY-SA 2.5-2.0-1.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5-2.0-1.0)], via Wikimedia Commons

Frucht des Leberwurstbaums
Foto: 2005, by Dr. Thomas Wagner (Own work) [CC BY-SA 2.5-2.0-1.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5-2.0-1.0)], via Wikimedia Commons



Wer oder was kann diesem Baum gefährlich werden?

Die Menschen bevorzugen die Früchte dieses Baums nicht, denn sie können die relativ harte, faserige Substanz nicht so gut verdauen. Aber sie nutzen sie für medizinische Zwecke. Die unreifen Früchte beispielsweise werden zubereitet und in Umschlägen gegen Rheuma aufgelegt, die reifen verabreicht man als Abführmittel. Aus der Stammrinde des Baums kann eine wässerige Substanz (Extrakt) gewonnen werden, das antimikrobiell wirken soll. Das bedeutet, sie kann vor schädlichen Mikroben (kleinste Bakterien) schützen. Erforscht wird noch die Wirkung der Wurzelrinde, die gegen Malaria tropica wirken könnte. Eine Bedrohung für den Baum entsteht vermutlich erst dann, wenn seine Heilkraft nicht mehr nur von den Einheimischen genutzt wird, sondern wenn auch Pharmaunternehmen aus den Industrienationen ihn als Rohstoffquelle für Medikamente entdecken.


Gefahr durch den Bootsbau

Eine weitere Gefahr für die langsam wachsenden Bäume ist der Bootsbau. Denn gerade weil sie so langsam wachsen, können sie eine dichte und elastische Holzstruktur ausbilden, die sich für den Bau eines Einbaumes besonders gut eignet. Aus dem Stamm des Leberwurstbaums werden etwa vier Meter lange Einbäume gefertigt, das sind kleine Boote, die von den Einheimischen zum Fischen genutzt werden. Leider halten diese Boote nicht besonders lange, ca. vier bis fünf Jahre, dann muss ein neuer Baum gefällt werden, um daraus ein "Mokoro", wie diese Einbäume von den Fischern genannt werden, herzustellen.

Allmählich entstand ein Problem: mit einer wachsenden Bevölkerung steigt der Bedarf an Fisch, und es werden folglich auch mehr Mokoros benötigt, damit eine größere Anzahl Fischer hinausfahren können, um Fische zu fangen. Schon bald begann der Bestand an Leberwurstbäumen im Okavango-Delta zu schrumpfen. War das schon eine erschreckende Entwicklung, wurde sie auch noch verstärkt durch den wachsenden Touristenandrang. Die Fahrt mit einem solchen "Mokoro" auf dem Okavango-Fluß entwickelte sich zu einer Touristenattraktion. Immer mehr Bäume wurden gefällt, auch dann, wenn sie eigentlich noch viel zu jung waren und das Holz nicht von guter Qualität. Das führte dazu, dass die Boote nur noch ein bis zwei Jahre hielten und in kürzeren Abständen noch mehr Bäume gefällt werden mussten, um die Nachfrage zu decken. Die Zahl der Touristen nahm weiter zu und der Bedarf an Holz vom Leberwurstbaum wuchs. Das hatte weitreichende Folgen.



Drei Mokoro Boote (Einbäume) liegen im Wasser halb auf dem Ufer, innen sind sie mit Stroh ausgelegt - Foto: 2008, by Magalex (Self-photographed) [Public domain], via Wikimedia Commons

Mokoro Boote (Einbäume) werden von Fischern benutzt, aber immer häufiger auch als Touristenattraktion
Foto: 2008, by Magalex (Self-photographed) [Public domain], via Wikimedia Commons



Das Fällen der Leberwurstbäume und die Auswirkungen

Die Bäume halten mit ihren tiefen Wurzeln die Erde fest, die ohne diesen Halt fortgeschwemmt wird und sich an anderen Stellen des Okavango-Deltas anhäufen kann. Das wiederum kann dazu führen, dass sich so viel Schlamm ansammelt, dass dort kein Boot mehr fahren kann. Ganz schlimm wird es aber für die Tiere. Ihnen fehlt die wichtigste Nahrungsquelle während der Trockenzeit sowie der ergiebigste Schattenspender. Was in vielen Reiseprospekten als Abenteuerurlaub oder Safari angepriesen wird, zu denen auch eine Fahrt mit einem Mokoro auf dem Okovango gehört, freut einerseits die Erholung- oder Abenteuersuchenden Urlauber und einige wenige Einheimische, die den Touristen die Bootsfahrten vermieten, richtet aber andererseits großen Schaden an. Dazu zählen dann auch die Menschen, deren Arzneimittelvorräte mit dem Fehlen des Leberwurstbaumes schwinden. Was den einen zum Vorteil gereicht, bedeutet für andere Elend und Leid. Ratsam wäre es, wenn man sich um die weitreichenden Zusammenhänge und Abhängigkeiten, die zwischen Mensch, Tier, Pflanze und Boden bestehen, kümmern würde.

Ein Beispiel soll hier genannt werden. Es gibt eine Initiative, diese "Mokoros" aus Fiberglas zu bauen, um so dem zahlreichen Fällen der Leberwurstbäume Einhalt zu gebieten. Diese Boote sind sehr viel haltbarer und den ursprünglichen Mokoros getreu nachgebaut. So gut es sich anhört, könnten auch durch diese löbliche Initiative Folgen entstehen, die erst auf den zweiten Blick zu erkennen sind. Tritt eine Veränderung in einem Gebiet auf, wie beispielsweise ein wachsender Touristenstrom, sollten die Vor- und Nachteile abgewogen werden, die das für die einheimische Bevölkerung mit sich bringt. Ebenso ist es ratsam, gleich zu Beginn die Auswirkungen, die eine Veränderung auf die dort lebende Tier- und Pflanzenwelt hat, zu prüfen.


Anmerkung:

Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

http://www.afrikaman.de/pflanzen/leberw.htm

http://www.awl.ch/heilpflanzen/kigelia_africana/leberwurstbaum.htm

https://www.outback-africa.de/blog/2012/04/13/rettung-fur-sausage-trees-im-okavango-delta/



9. August 2016


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