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TIERE/105: Erfolgreich flüchten - Fluggeschichten ... (SB)



Wenn Vögel sich auf die Reise in ihr Winterquartier oder zu ihren Brutstätten begeben, fliegen sie nicht allein. Sie sammeln sich und legen die Route gemeinsam zurück. Doch zu wie vielen fliegen sie, gibt es eine bestimmte Ordnung oder herrscht in einem großen Schwarm ein riesiges Durcheinander? Gibt es einen Anführer, der die Flugroute bestimmt und eine Rangordnung wie bei vielen Säugetieren? Wie finden die Vögel ihren Weg? Sie legen oft Strecken über mehrere hundert Kilometer zurück - ohne Pause. Fliegen ist anstrengend, müssten sie da nicht zwischendurch viel fressen oder gar schlafen?

Enten, Wildgänse, Kraniche, Waldrappen oder Pelikane legen ihre Flugstrecken im sogenannten Formationsflug zurück. Die Anordnung der Tiere während des Flugs gleicht dem Buchstaben "V". Dabei kann auch die eine Seite mal länger sein und es bildet sich ein schiefes "V" oder eine Abzweigung, aus der eine neue, eben solche Figur entsteht. Diese "V-Form" ist nicht zufällig. Ornithologen, also Wissenschaftler, die sich mit der Vogelkunde beschäftigen, versuchen seit langem immer genauer herauszufinden, was die Tiere dazu veranlasst, genau diese Form einzunehmen.


Kraniche fliegen in einer typischen V-Formation am dunklen Wolkenhimmel - Foto: 2016 by Frank Liebig (Archiv Frank Liebig) [CC BY-SA 3.0 de (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)], via Wikimedia Commons

Typische V-Formation
Foto: 2016 by Frank Liebig (Archiv Frank Liebig) [CC BY-SA 3.0 de (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)], via Wikimedia Commons


Energiesparen beim Langstreckenflug

Bei ihrer Abreise haben die Vögel oft Stecken von mehreren tausend Kilometern, manche bis zu 10.000 Kilometer, vor sich. Sie sammeln sich in kleineren Gruppen oder Familien oder aber zu Hunderten. Vor einem solch langen Flug fressen die Vögel sich Fettpölsterchen an. Sie sind dann etwas schwerer und brauchen zu Beginn auch mehr Energie. Nun heißt es, mit diesen Kraftreserven sparsam umzugehen. Das Flügelschlagen ist anstrengend, die Flugmuskulatur verbrennt viel von den Fetten, um die nötige Energie bereitzustellen. Also, was liegt da näher, als die Flügel möglichst wenig zu bewegen? Doch wie stellt ein Vogel das an? Hier beginnt der Formationsflug eine Rolle zu spielen. Der Vogel, der an der Spitze des "V"s fliegt, hat es zunächst am schwersten.


Dargestellt ist ein Vogel, der seine Flügel senkt, ein zweiter folgt ihm seitlich versetzt und nutzt den Auftrieb - Grafik: © 2017 by Schattenblick

Grafik: © 2017 by Schattenblick

Er hebt und senkt die Flügel. Beim Senken drückt er die unter seinen Flügeln befindliche Luft nach unten und sich selbst dadurch nach oben und durch eine bestimmte Flügelstellung auch nach vorn. Die Luft strömt dabei nach hinten unter seinem Flügel weiter und steigt dann sofort nach oben. Man sagt, sie bewegt sich vom höheren Druck (unter dem Flügel) zum niedrigeren (hinter dem Flügel). Die dabei entstehende Luftbewegung nennt man Auftrieb. Und genau diesen gilt es zu nutzen und zwar von dem Vogel, der hinter dem ersten fliegt. Die Vögel wissen, dass der Auftrieb hinter den Flügeln entsteht und deshalb fliegen sie leicht schräg versetzt hinter dem Tier vor ihnen. Auf diese Weise können sie sich von der Luft tragen lassen und eine Strecke im Gleitflug verbringen. Wenn sie wieder mit dem Flügelschlagen beginnen, nutzt der Vogel hinter ihm den Auftrieb in gleicher Weise. So setzt sich die Bewegung fort, jeder kann für eine Zeit lang im energiesparenden Gleitflug verbringen. Wenn der Vogel an der Spitze müde wird, rückt er ganz nach hinten und ein anderer nimmt seinen Platz ein. Jeder Vogel ist also mal an der Reihe, den anstrengenden Part an der Spitze zu übernehmen. Das erklärt, warum es in einem Formationsflug keinen Anführer gibt, er wäre ziemlich schnell am Ende seiner Kräfte.


Gänse fliegen in V-Formation, an der im hinteren Teil eine weiter V-Form gebildet wird - Foto: © 2016 by Schattenblick

Foto: © 2016 by Schattenblick


Luftströmungen nutzen - Vögel erkennen, wo Aufwinde entstehen

Das Element der Vögel ist die Luft. Dort kennen sie sich aus. Sie wissen, wie sich die Winde entwickeln, wo sich Luftwirbel bilden und Aufwinde entstehen. Über Wüstengebieten steigt die warme Luft nach oben, da lässt es sich gut gleiten. Bei Sonnenschein trägt auch die Luft über den Meeren gut und bietet Gelegenheit für den Gleitflug. Auch über Gebirgsschluchten und selbst die Häuserschluchten der Großstädte bringen diese Aufwinde hervor - und die Vögel wissen das. Sie halten geradezu Ausschau nach derlei geologischen Gegebenheiten. Der Condor, ein riesiger Vogel aus Südamerika, nistet beispielsweise in großen Höhen in Gebirgen. Von dort oben lässt er sich fallen, breitet seine gewaltigen Schwingen aus und segelt auf der aufsteigenden Luft aus dem Tal. Ob als einzelner Vogel oder als Schwarm im Formationsflug, stets sind die fliegenden Federtiere dabei, diese Winde aufzuspüren und zu nutzen, denn für sie geht es darum, Energie zu sparen wo es nur möglich ist. Oft sind sie tagelang ohne Unterbrechung in der Luft, zum Beispiel wenn ihre Flugroute über Wüsten oder über das Meer führt.

Aus Sicht des Menschen liegt die Frage nahe, ob die Tiere denn nicht schlafen müssen oder ob sie während des Fluges schlafen können. Denn je nach dem, wie schwer ein Mensch arbeitet, ermüdet er und braucht dann seinen Schlaf, um wieder fit zu werden. Doch wie ist das bei den Vögeln? Einige Forscher gehen davon aus, dass die Federtiere es gelernt haben, während des Fliegens zu schlafen. Dabei ist allerdings nicht wirklich geklärt, was unter Schlaf verstanden wird. Die Wissenschaftler führen komplizierte Versuche durch, in denen die Gehirnströme der fliegenden Vögel gemessen werden. Schaut man sich die Tiere im Formationsflug an, ist zu erkennen, dass sie sehr aufmerksam bleiben. Die seitliche Stellung ihrer Augen ermöglicht es ihnen, ihren Flugpartner, der leicht schräg nach vorn versetzt fliegt, zu beobachten und mit dem anderen Auge auch das Gebiet neben und unter ihm im Blick zu behalten. Das scheint sehr wichtig für das Aufrechterhalten des Formationsflugs zu sein.

Würde ein Tier dort wirklich schlafen, so wie wir Menschen, wenn wir zu Bett gehen und irgendwann ziemlich schlaff da liegen, würde das den Zusammenbruch der Formation bedeuten und wohl auch den Absturz einiger Vögel. Nahe liegender scheint es zu sein, dass die Tiere im Formationsflug und beim Nutzen der Winde ihren Stoffwechsel so weit "runterfahren" können, dass sie nur wenig Energie verbrauchen und gar nicht erst so müde werden. Energiesparen ist für sie geradezu überlebenswichtig, um die weiten Strecken bewältigen zu können.

Im nächsten Teil: Die Gefahren für Zugvögel


Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

http://www.fucous.de/wisssen/natur/tiere-und-pflanzen/forscher-analysieren-schwarm-deshalb-fliegen-zugvoegel-in-v-formation-1_id_3542294.html

https://www.myheimat.de/gladenbach/natur/formations-vogelzug-kranich-keile-ueber-mittelhessen-gladenbacher-bergland-und-schwarm-intelligenz-d980832.html

http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/gesundheit/teamarbeit-gibt-zugvoegeln-auftrieb/760914.html

http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/zugvoegel-vollgefressen-fliegt-s-sich-besser-a-162979.html

18. Juli 2017


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