Schattenblick → INFOPOOL → KINDERBLICK → NATURKUNDE


TIERE/115: Tiergenie und Lebenskunst - Gemeinschaftsleistung ... (SB)



Der größte Teil unserer Erde, ungefähr 71 Prozent, ist mit Wasser bedeckt, doch das Leben in den Ozeanen und Meeren, den Seen und Flüssen bleibt uns normalerweise verborgen. Wir sehen die unzähligen Tiere nicht, die in den Unterwasserwelten zu Hause sind. Vielen von uns sind nur die Fische bekannt, die verspeist werden können oder all die kleinen, die in Aquarien schwimmen. Dabei gibt es wirklich Erstaunliches über diese Meerestiere zu berichten, über ihre besondere Anpassung an das Leben unter Wasser und über eine Menge ganz spezieller Verhaltensweisen, die ihnen Futtersuche, Fortpflanzung oder Nestbau ermöglichen. Hier ein Beispiel eines Zusammenlebens zweier Unterwasser-Lebewesen, die sich gegenseitig von Nutzen sind.


Sattelfleck-Anemonenfisch und Grüne Riesenanemone - zwei, die sich gegenseitig helfen

In den weitflächigen Sandböden der Korallenriff-Lagunen, ganz ähnlich einer Wüste, leben die Sattelfleck-Anemonenfische. In diesen relativ kahlen Regionen sind sie ihren Feinden schutzlos ausgeliefert. Dennoch haben sie gerade in diesem Lebensraum eine Überlebensmöglichkeit und sicheren Ort gefunden, einen seltenen, sehr lebendigen: die Riesenanemone. Sie ist nur vereinzelt und in großen Abständen voneinander anzutreffen. Ausgestattet ist dieses Unterwassertier, das zu den Blumentieren gehört, mit einem besonderen Gift, das ihr bei der Abwehr von Feinden hilft, sowie beim Einfangen ihrer Beute. Es handelt sich um ein Sekret, das an den Enden ihrer unzähligen Tentakel abgesondert wird. Sollte ein hungriger großer Fisch sie angreifen oder berühren, so kann er durch das Gift sterben oder zumindest betäubt werden.


Dunkle Färbung mit auffälligem breiten weißen Streifen auch auf dem Rücken (Sattel), hier mit gelben Maul - Foto: 2006, by I, Jnpet [CC-BY- SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], via Wikimedia Commons

Sattelfleck-Anemonenfisch
Foto: 2006, by I, Jnpet [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], via Wikimedia Commons

Doch gibt es einen, dem das Gift nicht schadet: der Sattelfleck-Anemonenfisch. Nur er ist in der Lage, sich auf der Riesenanemone heimisch zu fühlen, denn eine besondere Schleimschicht auf seiner Haut macht das Gift wirkungslos. Das ermöglicht diesem Fisch eine sogenannte Symbiose mit der Riesenanemone einzugehen, eine Art Lebensgemeinschaft, die ein Geben und Nehmen zur Grundlage hat. Die Anemone bietet den Sattelfleck-Anemonenfischen Schutz vor Feinden. Als Gegenleistung wird sie von ihnen sauber gehalten. Die Fische entfernen beispielsweise von der Strömung angeschwemmte Ästchen oder Holzstückchen von ihrem Körper, sowie kleinen oder größeren Unrat, der sich zwischen ihren Tentakeln verfangen hat.


Eine Riesenanemone mit dicht nebeneinander liegenden Tentakeln, weiche, sanft wellige Form, darüber schwimmen Anemonenfische - Foto: 2007, by Michael arvedlund at da.wikipedia (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons

Riesenanemone
Foto: 2007, by Michael arvedlund at da.wikipedia (Own work)
[Public domain], via Wikimedia Commons


Brautschau entfällt ...

Anemonenfische sind im allgemeinen keine besonders guten Dauerschwimmer und daher auf einen festen Wohnsitz angewiesen. Damit sie nicht erst weit fort schwimmen müssen, um einen Partner zu finden, sind sie mit einer Besonderheit ausgestattet. Der gesamte Nachwuchs dieser Fische ist männlich bis auf den allergrößten der Jungfische. Sein Gesicht trägt eine weiße Farbe ums Maul und macht ihn als weibliches Wesen kenntlich. Die Maul-Färbung der männlichen Artgenossen ist gelb und der größte unter ihnen wird zum Partner des weiblichen Tieres. Doch was hat das für einen Sinn? Nun, sollte der weibliche Sattelfleck-Anemonenfisch sterben, so verwandelt sich der ehemalige Partner in ein weibliches Tier mit einer entsprechend weißen Maulfärbung und der nun größte unter den männlichen gelb-mäuligen Fischen kann nachrücken und der Partner des neuen Weibchens werden. Niemand muss sich von der Riesenanemone entfernen, um auf gefahrvolle Brautschau zu gehen und trotzdem ist der Nachwuchs gesichert.


Bau einer Kinderstube - nicht immer einfach

Allerdings ist das mit dem Nachwuchs auch wieder nicht so einfach zu bewerkstelligen, denn die Eier müssen auf einer festen, einigermaßen glatten Oberfläche abgelegt werden. Doch wo soll die zu finden sein zwischen all den vielen Tentakeln oder wo in der unterseeischen unruhigen Sandwüste? Es scheint, als warten die Fische ab oder halten Ausschau nach etwas Geeignetem. Zweimal am Tag spült die Meeresströmung in der Riff-Lagune Treibgut an. Da kann schon mal ein Holzstückchen oder gar eine Nussschale angeschwemmt werden. Aber wie gelangt beispielsweise so eine halbe Kokosnuss-Schale, die etwas zu weit entfernt liegen geblieben ist, zur Riesenanemone? Denn dahin müsste sie gebracht werden, damit das Fischei-Gelege in Sicherheit ist. Tatsächlich wurde folgendes beobachtet:

In einiger Entfernung zur Riesenanemone wurde eine nahezu halbe Kokosnuss-Schale angespült und blieb dort liegen. Der männliche Partnerfisch entdeckte sie und schwamm zu dem künftigen Eiablageplatz hin. Er besah sich die Nuss und bemaß die Situation, hob mit dem Maul die Schale an einer Seite an, doch wollte die sich nicht bewegen lassen. Noch einmal bemühte er sich vergeblich in gleicher Weise. Dann kamen einige seiner Artgenossen angeschwommen und eilten ihm zu Hilfe. Gemeinsam schubsten, hoben und kugelten sie die Nuss, bis diese schließlich ganz nah bei der Riesenseeanemone zu liegen kam. Damit aber noch nicht genug. Ein Fisch hob die Anemone an einer Stelle etwas an, die anderen schoben die Nuss darunter bis nur noch eine kleine Fläche zu sehen war. Wenn das kein geschütztes Plätzchen für die Eiablage war. Das Weibchen begann sodann mit dem Eierlegen, etwas über 200 Stück, ihr Partner befruchtete sie gleich danach. Er war es auch, der sich um das Gelege kümmerte. Nach 10 Tagen schlüpften die Larven - aus ihnen wurden wieder nur männliche Fische.


Hell und dunkle Färbung des Meeres deuten die Riffstruktur an - Foto: 2000, NASA, by MISR [Public domain], via Wikimedia Commons

Südliches GreatBarrierRiff (Australien), Luftaufnahme
Foto: 2000, NASA, by MISR [Public domain], via Wikimedia Commons


Die Ozeane - mehr als nur Wasser

Eine Ansammlung vieler bunter und verschieden geformter Korallen - Foto: 2005, by Nick Hobgood (Own work) [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Korallenriff vor Ost-Timor
Foto: 2005, by Nick Hobgood (Own work) [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Diese Art des Zusammenlebens ist beeindruckend, doch es gibt noch viel mehr Erstaunliches über Fische und die vielen Tiere zu entdecken, die den größten Lebensraum der Welt bevölkern: die Unterwasserwelt. Im nächsten Teil geht es um eine ungewöhnliche Jagdgemeinschaft zwischen Leopard-Zackenbarschfisch und Krake.

Fortsetzung folgt ...


Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

https://www.meerwasser-lexikon.de/kategorie/1.html

TV-Dokumentation
"Der Blaue Planet"
Teil 3: Faszination Korallenriff
Dokumentarfilm-Reihe, Großbritannien, 2017
45 Min.


6. April 2018


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang