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TIERE/137: Überfall der Heuschrecken ... (SB)



Im Januar und Februar dieses Jahres nahmen Heuschreckenschwärme in Somalia und Pakistan bedrohlich große Ausdehnung an und viele hunderte Millionen Tiere vernichteten auf ihrem Weg Blatt, Frucht, Busch, Getreide - den gesamten Pflanzenbewuchs.

Besonders Gebiete am Horn von Afrika sind seit Februar 2020 extrem stark von der Heuschrecken-Plage betroffen. Neben Somalia wird es auch in Äthiopien für die Menschen kaum mehr genug zu essen geben, da es fast nichts mehr zu ernten gibt. Viele Millionen Menschen müssen Hunger leiden, wenn nicht sofort Hilfe von anderen Staaten geleistet wird. Doch Heuschreckenplagen sind nicht neu, sie tauchen in der Geschichte der Menschheit immer wieder auf und werden bereits in der Bibel an mehreren Stellen erwähnt. Die aktuelle Plage bedroht das Überleben von etwa 20 Millionen Menschen.


Wie kommt es zur Schwarmbildung?

Aber wie kommt es überhaupt zu der gewaltigen Ansammlung dieser Tiere und was bewegt sie zu dieser immensen Fraßgeschwindigkeit? Zunächst einmal muss gesagt werden, dass es nicht   d i e   Heuschrecke gibt. Bei etwa 26.000 bekannten Heuschreckenarten sollte man davon ausgehen, dass es viele Ausgestaltungen in Form, Größe und Anatomie gibt. Werfen wir zunächst also einen Blick auf jene Insekten, die zu den größeren Vertretern der Heuschrecken zählen und einen Schwarm bilden.

Die Freßwerkzeuge und die Fortbewegungsarten sind in diesem Zusammenhang von besonderem Interesse. Heuschrecken verfügen über kräftige Mundwerkzeuge, sogenannte Beißmandibeln oder einfach Mandibeln. Sie bilden den Oberkiefer des Insektes und sind in eine vordere und eine hintere Mandibel geteilt. Die vordere ist mit einer gezackten Kante versehen und dient zum Schneiden, die hintere ist etwas breiter, sie wird auch als Kaulade bezeichnet und dient zum Malen und Kauen der Nahrung. Einige Heuschrecken bevorzugen nur bestimmte Pflanzen, andere sind nicht wählerisch und fressen auch verschiedene Getreide und Pflanzenteile. Unter den vielen verschiedenen Arten gibt es einige, die auch andere Insekten oder kleine Käfer verspeisen.

Heuschrecken springen mit ihren Hinterbeinen in die Höhe, beginnen dann mit Vorder- und Hinterflügeln zu schlagen und starten damit ihren Flug. Sie können sowohl kurze Flugsprünge wie auch lange Flüge unternehmen. Man zählt Heuschrecken im allgemeinen zu den Fluchttieren, denn sie haben viele Feinde und keine wirksamen Schutzvorrichtungen wie beispielsweise einen starken Panzer. Auch verfügen sie über kein Gift, mit dem sie sich aktiv verteidigen könnten. Betrachten wir als ein Beispiel die Wanderheuschrecke, da sie auch in Afrika und Pakistan vorkommt und somit in einem weiten Verbreitungsgebiet beheimatet ist.


Die Wanderheuschrecke

Die Wanderheuschrecke ist eine Art der Feldheuschrecken. Hier kennt man zwei in Aussehen und Körperbau unterschiedliche Formen, wobei eine "solitär" (einzeln) lebt und sich überwiegend an einem Ort aufhält, die andere in einer "gregären" Form (Wanderform/Schwarmform) vorkommt.


Die obere Wüstenheuschrecke trägt eine grüne, die untere eine gelblich-bräunliche Färbung - Foto: 2002 by, Compton Tucker, NASA GSFC / Public domain, via Wikimedia Commons

Oberes Bild - Solitär-Phase (einzeln lebend)
Unteres Bild - Gregäre Phase (schwarmbildende Form)
Foto: 2002 by, Compton Tucker, NASA GSFC / Public domain, via Wikimedia Commons

In dieser Form sammeln sich diese Insekten in riesigen Schwärmen und verlassen gemeinsam den ursprünglichen Lebensraum auf der Suche nach neuen Nahrungsquellen. Ein solcher Heuschreckenschwarm kann aus bis zu 1 Milliarde einzelner Tieren bestehen und ein Gesamtgewicht von 1.500 Tonnen erreichen. Viele afrikanische Staaten werden immer wieder von Heuschreckenschwärmen heimgesucht. Da ein einzelnes Insekt dieser Art an einem Tag ungefähr die Menge an Pflanzenmaterial frisst, die seinem Körpergewicht entspricht, kann man sich vorstellen, dass von einem Feld, in das Heuschrecken einfallen, nichts mehr übrig bleibt.

Wir haben hier einen ersten Hinweis darauf, wie eine Schwarmbildung zustande kommen könnte. Die bei den Wanderheuschrecken vorkommenden Formen der einzeln lebenden (solitär) und schwarmbildenden (gregär) Tieren sind genetisch identisch. Das heißt, ob sich diese Insekten in großen Massen zusammenschließen, ist nicht biologisch festgelegt, sondern hängt von Umweltreizen ab, also mithin von den Umweltbedingungen wie Nahrungsvorkommen, Temperatur, Bedrohungssituationen und ähnlichem, die sie zur Flucht beziehungsweise zum Ortswechsel bewegen.

Zu Nahrungsmangel kann es aus zwei verschiedenen Gründen kommen. Wenn in langen Trockenzeiten die Vegetation nur wenig gedeihen konnte, gibt es auch für die Heuschrecken nicht genug zu fressen. Es darf vermutet werden, dass sie dann eher in der einzeln lebenden Form vorkommen und sich nicht so rasant vermehren. Anders wird die Situation, wenn reichlich Regenfälle die Pflanzen wachsen und gedeihen lassen und ein reichhaltiges Nahrungsangebot vorherrscht. Dann beginnen die Heuschrecken zu fressen, vermehren sich entsprechend schnell und zahlreich, so dass ihr angestammter Lebensraum nicht mehr genügend Pflanzenmaterial für sie und ihren Nachwuchs bietet. Mit anderen Worten: es wird zu eng. Die Tiere berühren sich immer öfter, was sie zu vermeiden suchen und es geschieht eine Veränderung in ihrem Verhalten. Sie streben alle in eine Richtung, um sich auf diese Weise möglichst nicht in die Quere zu kommen, setzen sich als ständig anwachsende Menge in Bewegung und lassen die kahlgefressenen Regionen hinter sich. Dabei verändern sie nicht nur ihr Verhalten, sondern auch ihre Farbe von grün/gelb/hellbraun zu dunkelbraunen/rötlichen Farbtönen.

Dass unter den Wissenschaftlern noch andere Theorien über den Auslöser zur Bildung eines Schwarms existieren, darf als Hinweis gesehen werden, dass es noch keine absolut sicheren Erkenntnisse darüber gibt oder dass verschiedene Forscher unterschiedliche Untersuchungsschwerpunkte setzen. So sind einige davon überzeugt, dass ein bestimmtes Protein (Eiweiß) für die Schwarmbildung verantwortlich ist und zwar dann, wenn Nahrungsmangel vorherrscht. Wieder andere behaupten, dass ein Hormon (Serotonin), das bei der gegenseitigen Berührung der Hinterbeine der Heuschrecken freigesetzt wird, die Tiere dazu treibt, sich im Schwarm zu sammeln.


Kampf gegen die Wüstenheuschrecke in Afrika

Bei der momentan vorherrschenden Heuschrecken-Plage im südlichen Afrika handelt es sich um die Wüstenheuschrecke, die diese gewaltig großen Schwärme bildet. Das Insekt selbst zählt zu den großen Heuschreckenarten. Die Weibchen erreichen eine Körperlänge von 7 bis 9 Zentimeter, die Männchen von 6 bis 7,5 Zentimeter. Als Schwarm sind sie in der Lage 200 bis 1700 Meter pro Tag zurückzulegen. Dabei wechseln sie zwischen Wander- und Ruhephasen. In der letzteren erklimmen sie Pflanzen und fressen, was ihnen zwischen die Mandiblen kommt. So ein Schwarm kann sich wolkenartig bis in etwa 1500 Metern Höhe fortbewegen, doch meistens fliegen sie in Bodennähe.


Eine gelblich-braune Heuschrecke mit dunkel gesprenkelten Flügeln steckt ihren Hinterleib in den Sand - Foto: 1994, by Christiaan Kooyman (eigenes Werk) / Public domain, via Wikimedia Commons

Wüstenheuschrecke im Sand
Foto: 1994, by Christiaan Kooyman (eigenes Werk) / Public domain, via Wikimedia Commons


In den Ländern am Horn von Afrika kam es nach langer Trockenzeit zu reichlichen Regenfällen und so konnte sich die Vegetation erholen und die Bedingungen für die Nahrungssituation verbesserte sich nicht nur für die Menschen, sondern auch für die Heuschrecken, was zu ihrer starken Vermehrung führte. Es liegt nahe, dass die Menschen diese Tiere vernichten wollen, um ihre Ernten zu retten. Dabei werden verschiedene Methoden angewendet. Zum einen werden Insektenvernichtungsmittel per Flugzeug auf die Schwärme gesprüht, wobei allerdings diese Giftstoffe auch auf den Boden gelangen. Zudem sind die toten Tiere selbst mit den Insektiziden (Insektenvernichtungsmittel) belastet. Bei erneuten Regenfällen und während des natürlichen Zersetzungsprozesses durch Mikroorganismen, gelangen diese Stoffe auf diesem Wege schließlich in den Boden.

Zum anderen wäre es technisch möglich, die Tiere auch durch in die Felder geführte Stromnetze mit entsprechend hoher Spannung zu töten. Das hätte gegenüber der ersten Methode den Vorteil, dass man die toten Insekten zu Viehfutter verarbeiten könnte. Eine weitere Überlegung ist, dass man die Heuschrecken während der Brutzeit, die im Februar stattfindet, bereits im Larvenstadium bekämpft. Das wäre auch deshalb sinnvoll, weil sich ansonsten die Heuschreckenpopulation im März und April um ein Vielfaches vergrößern würde, sollten sich tatsächlich alle Larven entwickeln.

Die Freude über den lang ersehnten Regen und die dadurch rasch wachsenden Pflanzen und die zu erwartenden Ernten, währte also nur kurz. Denn auch die Heuschrecken machten sich über das reichhaltige Pflanzenangebot her. In vielen Ländern Afrikas, Asiens und Südamerikas werden sie als eiweißreiche Nahrung verspeist. Sie werden frittiert, gegrillt, gebraten oder gegart, je nach Zubereitungsart und Gericht. Zu viele von diesen großen Insekten sind letztendlich weder für die Tiere selbst noch für die Menschen gut.

An dieser Situation wird deutlich, dass hier ein erbitterter Kampf zwischen Mensch und Heuschrecke stattfindet, ein Kampf um Nahrung und ums Überleben.


Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

http://www.tierundnatur.de/heu-verh.htm

https://www.tagesschau.de/faktenfinder/heuschreckenplage-faq-101.html

https://www.wissenschaft.de/umwelt-natur/was-heuschrecken-zur-schwaermenden-plage-macht/


29. Februar 2020


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